Von Suura 78 Die wichtige Kunde –

Suura 114 Die Menschen

Der dreißigste Teil des Qur’ans hat eine ganz besondere Schattierung. Alle Suuras, die er enthält, sind makkanischen Ursprungs bis auf zwei, nämlich Suura 98 "AL-BAYJINA" (Der klare Beweis) und Suura 110 ''AN-NASR" (Der Sieg). Obwohl von unterschiedlicher Länge, handelt es sich durchwegs um kurze Suuras. Wichtiger ist jedoch, dass sie eine einheitliche Gruppe bilden, die sich mehr oder weniger mit demselben Thema bemaßt. Sie zeichnen sich durch dieselben Merkmale aus hinsichtlich des Verbotes der Bildersprache, der begrifflichen Inhalte und des Gesamtstils. Sie sind gleichsam ein unaufhörliches, deutliches Türklopfen, ein lauter Raum mit der Absicht, jene Menschen aufzurütteln, die tief schlafen, oder jene, die in Trunkenheit das Bewusstsein verloren haben, oder jene, die sich in einem Nachtklub aufhalten und völlig von Tanz und Unterhaltung in Anspruch genommen sind. Das Klopfen und die Rufe kommen unmittelbar nacheinander: Wacht auf! Blickt euch um! Denkt! Überlegt! Es gibt einen Gott! Es gibt einen Plan hinter allem, eine Prüfung, eine Verantwortung, eine Abrechnung, eine Belohnung, eine strenge Strafe und eine ewige Glückseligkeit. Dieselbe Warnung immer und immer wieder. Eine starke Hand rüttelt die Menschen unsanft auf. Es scheint als ob sie ihre Augen öffneten, einen Moment herumschauten und dann in ihre Bewusstlosigkeit zurücksänken. Die starke Hand rüttelt sie abermals auf, das Klopfen und die Rufe wiederholen sich noch lauter. Die Menschen mögen ein oder zweimal erwachen, nur um widerspenstig ihr 'Nein' auszustoßen. Sie mögen jenen, der sie warnt, mit beleidigenden Worten belegen und dann zurückfallen in ihre Achtlosigkeit. Er rüttelt sie erneut wach.

Solche Empfindungen regen sich in mir, wenn ich diesen Teil des Qur’ans lese. Hier werden Töne angeschlagen, die mich im tiefsten Herzen berühren. Da werden Vorgänge im Universum behandelt und solche im Bereich der Seele des Menschen, ebenso wie gewisse Ereignisse, die am Tag der Entscheidung eintreten werden. Mir fällt auf, wie sie auf immer andere Weise wiederholt werden, was darauf hindeutet, dass diese Wiederholung beabsichtigt ist. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 78

Diese wunderschöne makkanische Suura zeigt durch Hinweise auf Allahs weite Natur Seine liebende Fürsorge für Seine Geschöpfe auf und führt als Schlussfolgerung zu dem, was uns die Zukunft verspricht, wenn alles Böse vernichtet sein wird und das Gute die Oberhand behalten hat. Gleichzeitig lädt sie all jene, die den guten Willen dazu haben ein, Zuflucht bei ihrem Herrn zu suchen. (Juusuf `Allii)

 

Die wichtige Kunde

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Worüber befragen sie einander?

2. Über die wichtige Kunde,1

1. Unter der wichtigen Kunde wird üblicherweise die Botschaft von der Wiederauferstehung oder vom Jenseits verstanden. (Juusuf `Allii)

3. Über die sie uneinig sind.2

2. Die Frage, die die Menschen von jeher am meisten beschäftigt hat - nämlich ob es ein Leben nach dem Tod gibt -, ist im Lauf der Zeit unterschiedlich beantwortet worden. Natürlich ist es unmöglich, all die verschiedenen diesbezüglichen Meinungen anzuführen, Aber einige der wichtigsten Gedankengänge sind doch deutlich zu erkennen und sollten hier aufgezeigt werden, um die Einstellung des Qur’ans zu diesem Problem besser verständlich zu machen. Manche Menschen - vermutlich die Minderheit - scheinen davon überzeugt zu sein, dass der körperliche Tod gleichbedeutend ist mit einer völligen und unwiderruflichen Auslöschung und dass daher jedes Gespräch über ein Jenseits nichts weiter ist als Wunschdenken. Andere meinen, dass nach dem Tod des einzelnen die menschliche 'Lebens-Essenz' zu ihrer angeblichen ursprünglichen Quelle - der vermuteten 'Universal-Seele' - zurückkehrt und dass sie sich gänzlich mit ihr vereinigt. Wieder andere glauben an eine aufeinander folgende Weiterwanderung der einzelnen Seele im Augenblick des Todes in einen anderen Körper, sei er nun menschlicher oder tierischer Natur, jedoch ohne Fortdauer des individuellen Bewusstseins. Noch andere meinen, dass nur die Seele, nicht die gesamte menschliche `Persönlichkeit', nach dem Tod weiterlebt, dass heißt in einer rein geistigen, unkörperlichen Form. Und manche glauben schließlich an ein unvermindertes Überleben der Persönlichkeit und des Bewusstseins des einzelnen und halten den Tod und die Wiederauferstehung für Stadien eines positiven Aktes der Wiedererschaffung der gesamten menschlichen Persönlichkeit, in welcher Form dies auch immer geschehen mag: dies ist die Auffassung des Qur’ans über das künftige Leben. (Asad)

 

4. Nein! Bald werden sie (es) wissen,

5. Und nochmals: Nein!3 Bald werden sie (es) wissen.

3. Nach dem Erstaunen darüber, dass die Kunde vom Jenseits überhaupt Zweifel und Fragen aufwerfen kann, werden mit dem 'Nein' und dem 'nochmals: Nein' all die unsinnigen Vermutungen zurückgewiesen, die über das große Ereignis vorherrschen. (Qutb)

 

6. Haben Wir die Erde nicht zu einer ausgebreiteten Ruhestätte gemacht,

7. Und die Berge zu Pflöcken?4

4. Hier wird offenbar Bezug genommen auf die Tatsache, dass die Berge ihr Entstehen einem allmählichen Gleichgewichtsprozess verdanken, dem die feste Erdkruste unterliegt. Dieser Prozess, - ein Ergebnis des Drucks und Gegendrucks -, ist entstanden durch die Abkühlung und Verfestigung der vermutlich geschmolzenen, vielleicht sogar gasförmigen Materie im Zentrum der Erde. Er setzt sich von der Erdoberfläche beginnend bis ins Erdinnere fort. Es scheint, dass Teile dieses Erdinneren nur durch den enormen Druck der darüberliegenden Materie in festem Zustand gehalten werden, dessen offensichtlichste Erscheinungsform die Berge sind. Darum werden diese Berge im Qur’an als Pflöcke bezeichnet, also als Symbole der Festigkeit und des Gleichgewichts, das - zumindest relativ gesehen - die Erde im Laufe ihrer geologischen Geschichte allmählich erlangt hat. - Der gesamte Abschnitt, das heißt die Ajas 6 bis 16, befassen sich mit Allmacht und Schöpferkraft, als ob damit gesagt werden solle: "Ist Er, Der das Universum erschaffen hat, nicht ebenso in der Lage, den Menschen wiederzuerwecken und wieder zu erschaffen, in welcher Form auch immer es Ihm gefallen mag?" (Asad)

 

8. Und haben Wir euch (nicht) in Paaren geschaffen?5

5. Allah hat das Überleben und die Fortdauer der Menschheit darauf aufgebaut, dass beide Geschlechter, das männliche und das weibliche, ihre Rolle im Leben in vollem Umfang übernehmen. Selbst wer wenig Wissen mitbringt, begreift doch, welchen Trost, welches Glück und welche Erholung das mit sich bringt. Deswegen wird jede Gesellschaft zu jeder Zeit entsprechend ihren Fähigkeiten und ihrem Wissen diese Darstellung des Qur’ans anerkennen und schätzen. Von diesen grundlegenden Erkenntnissen abgesehen, erweitert sich der Horizont und das Wissen der Menschen ständig. Allmählich denken wir sogar darüber nach, warum aus dem einen Samentropfen ein Junge und aus dem anderen, der doch dem ersten absolut gleich ist, ein Mädchen geworden ist. Ursprünglich müssen wir beim Nachdenken über all dies zu der Schlussfolgerung kommen, dass es die vollkommene Planung ist, die jedem Samentropfen seine ganz bestimmten Merkmale mitgibt, und dass so durch männliche und weibliche Nachkommen das Leben fortdauern kann. (Qutb)

 

9. Und haben Wir (nicht) euren Schlaf zum Ausruhen gemacht?6

6. Damit wird die biologische Tatsache unterstrichen, dass Schlaf nicht etwas Negatives, ein Aufhören jeglicher Aktivität, nichts weiter als ein Stadium des Unbewussten ist, sondern ein positiver Lebensfaktor - ein ständig wiederkehrender, willkommener Kraftspender. Der Schlaf ist einer der größten Gnadenerweise Allahs für den Menschen, weil sich in dieser Zeit Millionen von Körperzellen erneuern können, weil Schläfrigkeit abgelegt wird und Kräfte für die nachfolgende Zeit des Wachseins gesammelt werden können. Forschungen auf dem Gebiet der Psychologie haben ergeben, dass Schlafentzug den Menschen rascher zu töten vermag als Hunger. (Darjabaadi)

 

10. Und haben Wir die Nacht (nicht) zu einem Gewand gemacht?7

7. Die Dunkelheit der Nacht ist wie eine Hülle, ein Gewand. So wie uns ein Gewand vor Kälte und Hitze schützt, so gewährt uns diese Hülle Erholung von den Anforderungen der materiellen Welt und den ermüdenden Aktivitäten und unseren inneren Anstrengungen. Die Ruhe im Schlaf (in Aja 9) wird ergänzt durch die Hülle der Nacht, die Allah uns zuteil werden lässt. (Juusuf `Allii)

 

11. Und haben Wir den Tag (nicht) zur Lebensführung gemacht?8

8. Eigentlich bezieht sich dies nicht nur auf den Lebensunterhalt, sondern überhaupt auf jede Art von Lebensäußerung. Der Tag ist erhellt, um die Lebensäußerungen sämtlicher Geschöpfe voll zur Entfaltung zu bringen. (Juusuf `Allii)

 

12. Und haben Wir (nicht) über euch sieben mächtige (Firmamente errichtet?9

9. Wörtlich: sieben Mächtige, womit die Vielzahl der kosmischen Systeme angedeutet wird. Siehe auch Suura 2, Aja 29 und die dazugehörige Fußnote. (Asad)

 

13. Und haben Wir (darin nicht) eine hellscheinende Lampe gesetzt?10

10. So wie im vorausgehenden Aja auf die vollkommene Harmonie zwischen der Errichtung der "sieben Mächtigen" und der Erschaffung der Erde und der Welt des Menschen hingewiesen wird, so wird durch die hellscheinende Leuchte auf die Sonne hingedeutet, die neben dem Licht die nötige Wärme ausstrahlt für die Erde und die auf ihr lebenden Geschöpfe. (Qutb)

 

14. Und haben Wir (nicht) aus den Wolken reichlich Wasser herabgesandt11,

11. Man sollte sich vergegenwärtigen, wie die Beweise Allahs und Seiner Wohltätigkeit in vier Gruppen dargelegt werden: Lasst uns

1. die äußere Beschaffenheit der Erde um uns herum betrachten (Ajas 6 und 7);

2. unsere eigene Beschaffenheit, in körperlicher, verstandesmäßiger und geistiger Hinsicht (Ajas 8 bis 11);

3. das sternenübersäte Himmelsgewölbe und

die herrliche Sonne (Ajas 12 und 13); und

4. die Abhängigkeit, das Ineinandergreifen von Erde, Luft und Himmel im Zyklus des Wassers, der Wolken, des Regens, des Getreides und der Gärten. All das dient auf seine Weise dem Gesamtplan, der unserer Welt zugrunde liegt und seine Auswirkungen auf uns hat. Ist es da wirklich so schwer, an einen Schöpfer zu glauben, der dies alles vollbracht hat und an einem genau festgesetzten Tag Gut und Böse voneinander scheiden wird, damit wahre Gerechtigkeit und Macht obsiege? (Juusuf `Allii)

 

15. Um damit Getreidekörner und (vielfältige) Pflanzen hervorzubringen?

16. Und (dicht bewachsene) Gärten?

17. Wahrlich, der Tag der Entscheidung12 ist ein festgesetzter Zeitpunkt,13

12. Oder: der Tag der Unterscheidung zwischen Gut und Böse. (Darjabaadi)

13. Der Schöpfer, Der das menschliche Leben in solcher Vollkommenheit bemessen und so sorgfältig Übereinstimmung zwischen ihm und dem Universum hergestellt hat, kann die Menschen nicht umsonst leben und sterben lassen. Der Verstand ist einfach nicht bereit zu glauben, dass die, die Gutes tun und die Übeltäter gleichermaßen in Staub und Asche enden. Die Rechtsgeleiteten und die Irregehenden, die Gerechten und die Unterdrücker können nicht dasselbe Schicksal haben. Es muss ein Tag kommen, an dem alles beurteilt und abgewogen wird, der Tag des Gerichts. (Qutb)

 

18. Jener Tag, an dem in die Posaune gestoßen wird und ihr in Scharen herbeikommen werdet,

19. Und der Himmel geöffnet und (gleichsam wie) Tore sein wird,

20. Und die Berge in Bewegung geraten und wie eine Luftspiegelung sind.14

14. Dies ist ein Hinweis auf den totalen, umwälzenden Wandel, der am Jüngsten Tag mit sämtlichen Naturerscheinungen und dem Universum, wie der Mensch es kennt, vor sich gehen wird. Da diese Umwälzung über alles hinausgeht, was der Mensch bisher erfahren hat oder sich überhaupt vorstellen kann, sind alle Beschreibungen im Qur’an darüber, was am Jüngsten Tag geschehen wird, notwendigerweise in allegorischer Form gehalten, ebenso wie die Beschreibungen über den Zustand - sei er nun gut oder schlecht - des Menschen im künftigen Leben. (Asad)

 

21. Wahrlich, die Hölle liegt bereit,

22. Als (endgültige) Heimstatt für die das göttliche Maß Überschreitenden.

23. Verweilen werden sie darin für lange Zeit.15

15. Die Hölle, die Verkörperung alles, den, droht jedem von uns. Darum sollten wir äußerst wachsam sein. Für die Übertreter, die sich willentlich gegen Allah aufgelehnt haben, ist sie die letztendliche Heimstatt, aus der es keine Rückkehr geben wird, es sei denn nach unvorstellbar langen Zeiträumen, sofern Allah es so will. (Juusuf `Allii)

 

24. Nichts Kühles werden sie darin kosten und kein Getränk,

25. Außer siedendem Wasser und ungenießbarer Flüssigkeit.16

16. Statt von "siedendem Wasser" könnte man, da dieser Ausdruck im Qur’an ausschließlich im Zusammenhang mit den Qualen der Sünder im künftigen Leben verwendet wird, auch - allegorisch - von der "auf der Seele brennenden Verzweiflung" sprechen. Das Verbum "Rassaqaa" غَسَّاقا (übersetzt mit ungenießbarer Flüssigkeit) heißt eigentlich "schwarz werden", oder "tiefschwarz werden". Analog dazu ist "Al-Rasiq" "die schwarze Finsternis", im tropischen Gebiet "die Nacht" oder noch besser "die pechschwarze Nacht". Nach einigen Sprachwissenschaftlern heißt "Rassaaq" "durchdringende (eisige) Kälte". Eine Kombination der beiden Bedeutungen gibt uns den Begriff der "eiskalten Finsternis" des Geistes, der zusammen mit der "auf der Seele brennenden Verzweiflung" die Qualen unverbesserlicher Sünder im künftigen Leben umreißt. (Asad)

 

26. Eine angemessene Vergeltung!17

17. Ihre Übertretungen nehmen immer mehr zu, indem sie sich weigern, zu bereuen und sich Allah zuzuwenden. Das Feuer des Elends lodert immer heftiger auf und nichts vermag es zu kühlen. Ihre Nahrung und ihre Getränke sind verdorben durch sich widersprechende Elemente - siedend heiße Getränke mit eiskalter, abscheulicher Flüssigkeit Dies sind angemessene Strafen für ihre Vergehen, die unvereinbar sind mit den reinen und edlen Formen, in denen Allah den Menschen ursprünglich erschaffen hat. (Juusuf `Allii)

 

27. Sie haben wirklich nie erwartet, Rechenschaft  ablegen zu müssen.18

18. Der arabische Wortlaut besagt, dass die Übertretungen gewohnheitsmäßig, nicht nur gelegentlich, begangen wurden. Die Übertreter ließen die unerbittliche Tatsache, dass sie dereinst Rechenschaft werden ablegen müssen, absichtlich und hartnäckig außer acht. (Darjabaadi)

 

28. Und haben Unsere Zeichen gänzlich als Lüge verworfen.

29. Und Wir haben alles in einem Buch vermerkt.

30. So kostet (nun die Früchte eures Tuns)! Wir werden euch in nichts mehren als in (der) Strafe.19

19. So wie eine zunehmende Entartung in der Seele des Sünders eintritt, wenn er sich dem Schlechten hingibt, so wird es eine progressive Vermehrung der Strafe geben, die er zu erleiden hat. (Juusuf `Allii)

 

Abschnitt 2

31. Wahrlich, für die Mutaqis ist großer Erfolg (bestimmt),20

20. Das heißt die völlige Erfüllung ihrer Herzenswünsche, höchste Glückseligkeit. (Darjabaadi)

 

32. Gärten und Weinreben,

33. Und voll entwickelte Altersgefährtinnen,

34. Und ein randvoller Becher.

35. Sie hören dort weder unnützes Gerede noch Lüge,

36. (Als) Lohn von deinem Herrn eine großzügige Gabe,21

21. So wie die Hölle gleichsam ein aufmerksamer Wachposten ist, dem kein Unterdrücker entgeht, so wird das Endziel der Aufrichtigen und eigen ein Ort der Sicherheit sein. Was für ein Ort ist das also? "Gärten und Weinreben" - der Weinstock wird erwähnt, weil er denen, an die sich diese Botschaft richtet, etwas Wohl bekanntes ist. Die Mutaqis werden auch Gefährtinnen haben, die als voll entwickelt und gleichaltrig geschildert werden. Und sie trinken aus einem randvollen Becher. Diese überreichen Gaben werden hier so zum Greifen nahe beschrieben, damit die Menschen sie sich vorstellen und ihnen freudig entgegensehen können. Was es allerdings genau für üppige Gaben sein werden und wie man sich ihrer erfreuen kann, das wissen wir vorerst noch nicht, weil unser Verständnis nicht über die Grenzen unserer gegenwärtigen Umwelt hinausreicht. Doch die Freuden, die den Aufrichtigen winken, sind keineswegs rein leiblicher Natur. "Weder unnützes Gerede noch Lüge werden sie darin hören." Es wird also ein Leben ohne Geschwätz und Unwahrheiten sein, die zu Uneinigkeit führen. (Qutb)

 

37. Dem Herrn der Himmel und der Erde und all dessen, was zwischen beiden ist, des Erbarmers, Den anzureden sie nicht vermögen.22

22. Niemand darf oder kann ansprechen, etwa um mit Ihm zu rechten über die Gaben, die Er Seinen Dienern gewährt, möglicherweise auch über; deren Verdienst hinaus, oder über die Strafe, die Er in Seiner Gerechtigkeit über Sünde und Vergehen verhängen mag. Allah steht hoch über jeglicher Schöpfung und ist doch zugleich der Allbarmherzige. (Juusuf `Allii )

 

38. An dem Tag, an dem der Geist23 und die Engel in einer Reihe stehen, redet niemand außer jenem, dem der Erbarmer es gestattet hat24 und der das Rechte spricht.

23. Mit dem Geist kann der Engel Dschibriil gemeint sein, dessen Aufgabe es ist, unseren Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, die Botschaft Allahs zu überbringen. Vielleicht ist es aber besser, dies in einem weiteren Sinn zu verstehen - nämlich als Seelen der Menschen, kollektiv genommen, wenn sie sich vor dem Richterstuhl Allahs versammeln. (Juusuf `Allii)

24. Dies schließt das symbolische Recht der Propheten mit ein, am Tag des Gerichts für die Sünder Fürsprache einzulegen, wobei allerdings vorausgesetzt wird, dass diese ihre Taten bereut haben. (Asad)

 

39. Das ist der Tag der Wahrheit. So möge denn, wer da will, zu seinem Herrn zurückkehren.25

25. Indem er sich beizeiten dem Islam zuwendet. (Darjabaadi)

 

40. Wahrlich, Wir haben euch vor einer nahen Strafe gewarnt,26 einem Tag, an dem der Mensch sieht, was seine Hände vorausgeschickt haben,27 und an dem der   sagt: „Wehe mir, wäre ich doch (nichts weiter als) Staub!"28

26. Steht der Tag des Jüngsten Gerichts nahe bevor? Ja, denn es gibt drei Stufen des Gerichts:

1. Viele unserer Sünden und Missetaten werden bereits in diesem Leben bestraft. Dies mag sich nicht in augenfälligen Ereignissen zeigen, aber das Schlechte zehrt ständig an unseren Seelen und unserem Gewissen. Darum sollten wir uns in Reue zuwenden und um Seine Vergebung bitten.

2. Wo die Strafe in diesem Leben nicht wahrnehmbar oder sichtbar wird, da wird der Tod als Vorstufe des Gerichts für jeden einzelnen betrachtet. Der Tod kann jeden Menschen zu jeglichem Zeitpunkt ereilen und deshalb muss man ständig auf ihn vorbereitet sein.

3. Und schließlich gibt es das Jüngste Gericht, wenn alles, was wir jetzt um uns haben, dahingehen und eine neue Welt entstehen wird. Zeit, wie wir sie kennen, wird es dann nicht mehr geben. Fünfzigtausend Jahre werden dann wie ein Tag sein (siehe Suura 70 Aja 4). Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet ist der Tag des Gerichts sehr nahe und wir müssen uns auf ihn vorbereiten, bevor es zu spät ist. (Juusuf `Allii)

27. An guten und schlechten Taten. Dann wird er (seine wirklichen Beweggründe) die absolute Wahrheit erkennen. (Darjabaadi)

28. Dies ist der Ausruf eines Menschen in tiefster Qual, voll Scham über das, was er gewesen ist und getan hat. Er wünschte, dass er überhaupt nicht vorhanden sein möge oder höchstens etwas so Bedeutungsloses sei wie Staub, anstatt ein solch furchtbares Ereignis miterleben zu müssen. Die schreckliche Lage der Kaafirs ist das Thema der Fragen und Zweifel, die sie im Hinblick auf die schicksalhafte, wichtige Kunde - siehe Titel dieser Suura - äußern. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 79

Dies ist ebenfalls eine frühe makkanische Suura, wohl aus derselben Zeit wie die vorhergehende. Sie behandelt die mystische Seite des Jüngsten Gerichts. Am Beispiel Pharaos zeigt sie den Stolz und seinen Untergang. Als er sagte: "Ich bin euer höchster Herr", kam er mitsamt seinen Anhängern um. (Juusuf `Allii)

Wie so oft im 30. Teil, weist auch diese Suura den Menschen auf die Realität des Jenseits hin, macht ihm klar, dass es etwas Unumgängliches, Furchtgebietendes, überaus Ernstzunehmendes ist. (Qutb)

 

Die Herauszerrenden

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Bei den mit aller Kraft Herauszerrenden,l

1. Obwohl es verschiedene Meinungen über die Bedeutung dieser Ajas gibt, ist sich die Mehrzahl der Kommentatoren darüber einig, dass es sich bei den Herauszerrenden um die Engel handelt, die beim Tod die Seelen der Übeltäter mit Gewalt aus dem Körper zerren, so sehr sich diese auch dagegen wehren mögen. (Juusuf `Allii)

 

2. Und bei den freundlich Ermutigenden,2.

2. Die Seelen der guten Menschen dagegen werden freundlich ermutigt und angespornt und sanft dem neuen Leben zugeführt, auf das sie schon vorbereitet sind. Für sie wird der Tod eine willkommene Befreiung aus den Fesseln der Körperlichkeit sein. Der Wiederauferstehung und dem Jüngsten Gericht werden sie zuversichtlich entgegensehen können. (Juusuf `Allii)

 

3. Und bei den rasch Dahineilenden,

4. Und bei den eifrig Wetteifernden,3. Und bei den Aufträge Ausführenden:4

3. Zu jeder Zeit gibt es eilige Aufträge, entweder der Barmherzigkeit und des Segens, oder der Gerechtigkeit, die die Engel auf    'Befehl übernehmen und in deren Ausführung sie miteinander wetteifern (Juusuf `Allii)

4. Nach Tabari und Barawi beziehen sich diese Ajas auf die Himmelskörper einschließlich Sonne und Mond und ihre Bewegungen im All, wobei es dann heißen würde:

1. "Denkt nach über jene (Sterne), die aufgehen, nur um wieder unterzugehen,

2. Und die sich ständig (in ihren Bahnen) bewegen,

3. Und (das All) rasch durchschwimmen,

4. Und doch einander in Eile überholen,

5. Und so den Auftrag (des Schöpfers) ausführen." (Asad)

 

6. An dem Tage, da das große Beben losbricht,

7. Dem ein weiteres folgt,

8. An dem Tage erzittern die Herzen vor Furcht,5

5. Wenn sie die vorher erwähnten Beweise der Allmacht Allahs wahrgenommen und erkannt haben, dass sie dem Gericht Allahs ausgeliefert sind. (Asad)

 

9. Ihre Blicke sind niedergeschlagen.6

6. Das heißt, die Blicke der Übeltäter werden vor Scham, Demütigung und Furcht zu Boden gerichtet sein. (Darjabaadi)

 

10. Sie sagen: „Sollten wir etwa in unseren früheres Zustand zurückversetzt werden?

11. Selbst wenn wir (schon) von Würmern zerfressene Knochen sind?"7

7. Die Kaafirs sagen in ihrer Anmaßung, ihrer Unbotmäßigkeit und ihrem höhnischen Trotz: "Gewiss stellt der Tod das Ende aller Dinge dar. Wenn wir tot und begraben und unsere Knochen von Würmern zerfressen sein werden, wie können wir da wieder auferstehen?" Und sie fügen dem hinzu: "Wenn das so wäre, so würde es für uns eine verlustbringende Wiederkehr bedeuten." Dies sagen sie voll beißendem Spott. Aber es wird tatsächlich eine Rechenschaft abzulegen sein und für sie wird das ein furchtbarer Verlust sein, denn sie werden dem Verderben anheim fallen. (Juusuf `Allii)

 

12. Sie sprechen: „Dies wäre wahrlich eine verlustbringende Wiederkehr!"8

8. Mit einer solchen Wiederkehr haben sie nicht gerechnet und sich in keiner Weise darauf vorbereitet. So können sie dadurch nur verlieren. (Qutb)

 

13. Es ist aber wahrlich nur ein einziger Schrei (des Schreckens),

14. Und dann sind sie auf der kahlen Erde.9

9. Das Jüngste Gericht wird durch einen großen Schrei, dem niemand standzuhalten vermag, eingeleitet werden. Davor waren die Menschen gleichsam wie im Schlaf. Wenn die Wiederauferstehung kommt, werden sie hellwach in der dann entstandenen neuen Welt versammelt, während Erde und Himmel in ihrer früheren Form vergangen sein werden. (Juusuf `Allii)

"Saahira" ist die kahle, weiße, glänzende Erde, der Ort des Versammelns nach der Auferstehung. (Qutb)

 

15. Hat dich nicht die Geschichte von Muusa erreicht?10

10. Dies ist nur ein Ausschnitt aus der Geschichte von Muusa, Allahs Segen und Frieden auf ihm, die weit ausführlicher in Suura 10 Ajas 9-79 behandelt wird. Aus dem, was hier angeführt wird, sollen wir vor allem lernen,

1. dass selbst einem hochmütigen Gotteslästerer und Aufrührer gegen das Gesetz Allahs, wie Pharao es war, die Gnade Allahs durch einen der bedeutendsten Propheten, nämlich Muusa, Allahs Segen und Frieden auf ihm, geboten worden ist;

2. dass seine Zurückweisung dieser Gnade zu seinem Untergang schon in dieser Welt führte; und

3. dass seine Erniedrigung und Bestrafung im Jenseits durch das Jüngste Gericht zur Vollendung gelangen wird. (Juusuf `Allii)

 

16. Als sein Herr ihm im geheiligten Tal Tuwaa zurief:

17. "Gehe hin zu Pharao! Er hat wahrlich das göttliche Maß überschritten.

18. Und sage (zu ihm): „Möchtest du nicht geläutert werden?

19. Und dass ich dich rechtleite zu deinem Herrn,11 und dass du (nur Ihn) fürchtest?"12

11. Damit soll gesagt werden, dass der Mensch, solange er sich über die Existenz Allahs nicht völlig im klaren ist, nicht zu unterscheiden vermag zwischen dem, was in moralischer Hinsicht richtig oder falsch ist. Und da brecht ist, bestraft er denjenigen nicht, der solche Einsicht nicht besitzt (oder der, wie im vorausgehenden Aja angedeutet, nicht geläutert ist). Siehe auch Qur’an 6:131. (Asad)

12. Und aus Ehrfurcht vor Ihm ein gottgefälliges Leben zu führen trachtest. Selbst einem machttrunkenen Aufrührer wie Pharao ist göttliche Rechtleitung durchaus zugänglich. (Darjabaadi)

 

20. Dann zeigte (Muusa) ihm das größte (der) Zeichen,13

13. Was war das größte (der) Zeichen? Manche meinen, es sei die leuchtend weiße Hand gewesen, andere, es sei das Wunder des Stocks, der sich windend zur Schlange wurde. Tatsache ist, dass es viele Wunder gab, die für sich selbst sprachen, aber Pharao und seine Leute waren überheblich, ganz in Sünde verstrickt. Das wichtigste der Zeichen jedoch war, dass Muusa, Allahs Segen und Frieden auf ihm, zu Pharao entsandt wurde, wodurch schließlich die Zauberer und die gelehrten Ägypter zum Imaan an den einen Gott fanden. (Juusuf `Allii)

 

21. Doch er14 verwarf es (als Lüge) und widersetzte sich.15

14. Pharao. (Juusuf `Allii)

15. Dem Gesandten Allahs. (Darjabaadi)

 

22. Dann kehrte er hastig den Rücken,

23. Und er ließ (seine Leute) zusammenkommen und rief ihnen zu

24. Und sprach: „Ich bin euer höchster Herr!"16

16. Die Behauptung Pharaos, dass er göttlichen Status besitze, war seine schwerwiegendste Sünde, mit der er "das göttliche Maß überschritt", siehe 79:17. (Asad)

Die Behauptung Pharaos ist der Beweis dafür, dass er sich durch die Unwissenheit seines Volkes und dessen Unterwerfung unter seine Herrschaft täuschen ließ. Nichts täuscht Tyrannen ärger als die Unwissenheit und rückhaltlose Unterwerfung der Massen. Ein Tyrann ist eigentlich ein Mensch, der weder wirkliche Macht noch Herrschaftsgewalt besitzt. Die unwissenden, unterwürfigen Massen beugen lediglich ihre Rücken vor ihm, damit er sie reiten kann, sie strecken ihm die Hälse entgegen, damit er ihnen Zügel anlegt, sie beugen ihre Häupter vor ihm, um ihm Gelegenheit zu geben, seinen Hochmut zu zeigen und sich gleichzeitig ihres Rechts auf Achtung und Ehre zu entäußern, wodurch sie es ihm erst ermöglichen, sie zu tyrannisieren. Die Massen tun all das, weil sie selbst sich täuschen lassen und Angst vor ihm haben: Ihre Furcht entbehrt jedoch jeglicher Grundlage und beruht lediglich auf ihrer Einbildung. Der Tyrann, ein einzelner, kann niemals stärker sein als Tausende oder gar Millionen, sofern sie nur ihrer eigenen menschlichen Würde, Selbstachtung und ihrem Freiheitsdrang den richtigen Stellenwert beimessen. Eigentlich wäre jeder einzelne Angehörige seines Volkes ein ernstzunehmender Widersacher für einen Tyrannen. Niemand wäre in der Lage, ein Volk zu tyrannisieren, das wirklich gesund ist, das seinen wahren Herrn kennt, an Ihn den Imaan verinnerlicht und sich weigert, sich irgendeinem Geschöpf unterzuordnen, das in Wahrheit, überhaupt keine Macht über sein Schicksal besitzt. Pharao aber fand sein Volk so unwissend, unterwürfig und bar jedes Glaubens ", dass er durchaus in der Lage war, seine unverschämte, blasphemische Behauptung aufzustellen: "Ich bin euer höchster Herr." (Qutb)

 

25. Da machte ihn Allah, indem Er ihn strafte, zu einem warnenden Beispiel im Jenseits und in dieser Welt.17

17. Es ist die Pflicht von Königen und Staatsoberhäuptern, ihr Volk rechtzuleiten. Stattdessen führen die Bösen unter ihnen ihre Untertanen irre und werden so zum Grund dafür, ausaß ganze Völker untergehen. (Juusuf `Allii)

 

26. Wahrlich, darin ist eine lehrreiche Ermahnung für den, der (Gott allein) fürchtet.18

18. Nur die, die um ihren wahren Herrn wissen und Ihn fürchten, werden aus Pharaos Geschichte Nutzen ziehen. Die, die nicht Allah fürchten, werden auf ihren Irrwegen beharren, bis sie ihr festgesetztes Ende erreichen und die Züchtigungen sowohl des diesseitigen wie auch des jenseitigen Lebens zu spüren bekommen. (Qutb)

 

Abschnitt 2

27. Seid ihr etwa schwieriger zu erschaffen, oder das Firmament, das Er errichtete?19

19. Wörtlich: "Oder außer Himmel, den Er errichtete?" Der Himmel steht hier, wie an vielen anderen Stellen im Qur’an, im übertragenen Sinn für das kosmische System. Dadurch wird, wie schon in 40:56-57, die unsinnige Auffassung, der Mensch sei der Mittelpunkt des Universums, zurechtgerückt. Wie bedeutungslos ist er doch im Vergleich zur unübersehbaren Weite des Alls und der Vielfalt des gesamten von Allah geschaffenen Universums! (Asad)

 

28. Er hat sein Gewölbe erhöht und in Vollkommenheit ausgeformt;20

20. Das Geheimnis des Firmaments mit seinen unzähligen Sternen und Planeten, die dem Naturgesetz ständiger Bewegung unterliegen, mit außer Sonne und dem Mond, die die Temperaturen und Klimazonen außer Erde aus einer Entfernung von Tausenden außen oder Millionen von Meilen beeinflussen, sind ein Beispiel für die Gesetzmäßigkeit und Vollkommenheit, die Allah Seiner Schöpfung verliehen hat. Ist es da denkbar, ausaß außer Mensch ausgenommen ist von der Verantwortung für seine, Taten, wo er doch mit freier Willensentscheidung begabt ist, und ausaß er den Tag außer großen Aussonderung von Gut und Böse, den Tag des Jüngsten Gerichts, leugnet? (Juusuf `Allii)

 

29. Und seine Nacht in Dunkelheit getaucht und sein Tageslicht hervorgebracht.21

21. Die Aufeinanderfolge von außer nächtlichen Finsternis und dem Licht des Morgens ist eine Naturerscheinung, die wir alle kennen, doch übersehen wir sie oft, weil wir schon so sehr daran gewöhnt sind. Der Qur’an erinnert uns hier daran, ausaß es sich dabei doch stets wieder um ein ganz neues Ereignis handelt, das sich zwar täglich wiederholt und auch dieselben Auswirkungen mit sich bringt, uns aber in seiner Präzision gerade heutzutage bei unseren ständig anwachsenden wissenschaftlichen Erkenntnissen immer wieder in Erstaunen versetzt und uns Bewunderung abverlangt. (Qutb)

 

30. Und die Erde hat Er danach ausgebreitet;

31. aus ihr hat Er ihr Wasser und ihr Weideland22 hervorgebracht,

22. Eigentlich alle Pflanzen, die zum Verzehr durch Mensch und Tier geeignet sind. (Asad)

 

32. Und die Berge hat Er fest gegründet,23

23. Das Ausbreiten der Erde bezieht sich auf die Ebnung der Erdoberfläche, so dass sie begehbar wird und sich Bodenablagerungen zum Ackerbau darauf sammeln können. Das Gründen der Berge ist das Ergebnis der abschließenden Ausformung der Erdoberfläche und der Abkühlung, so dass auf ihr lebende Organismen entstehen konnten. Allah hat auch Wasser aus der Erde hervorgebracht, das heißt nicht nur Quellen, sondern auch das Regenwasser, das ja ursprünglich auch ihr entstammt. Ein so ausgewogenes Gleichgewicht setzt genaue Planung voraus und lässt keinen Raum für die Vermutung, das Universum könne in seiner heutigen Form durch reinen Zufall entstanden sein. (Qutb)

 

33. Als Versorgung für euch und für euer Vieh.24

24. Das heißt, der Mensch soll dankbar sein und sich stets vor Augen führen, dass Allah der Versorger ist. Dies führt uns abermals zum Leitgedanken dieser Suura, dem Thema der Wiederauferstehung und des Jüngsten Gerichts zurück. (Asad)

 

34. Wenn daher das überwältigendste, größte Ereignis eintritt,25

25. Das Jüngste Gericht, die Zeit der Aussonderung, wenn alles nach seinen wahren, inneren, ewig gültigen Werten beurteilt wird. (Juusuf `Allii)

 

35. An dem Tag, an dem sich der Mensch all dessen erinnern wird, wonach er strebte,26

26. Der Mensch mag durch die Ereignisse und Annehmlichkeiten des diesseitigen Lebens so in Anspruch genommen worden sein, dass er völlig vergaß, was er alles zu tun pflegte. Aber er wird sich dann all dessen erinnern, wenn ihm diese Erinnerung nichts als Kummer und Leid bringt, weil er nun begreift, welches schreckliche Ende ihm bevorsteht. (Qutb)

 

36. Und das Höllenfeuer dem vor Augen geführt wird, der sieht,27

27. Wenn das Höllenfeuer vor Augen geführt wird - das ist eine besonders eindrucksvolle Beschreibung, durch die das Ereignis so lebendig wird, dass wir es schon jetzt unmittelbar vor uns zu sehen meinen. (Qutb)

 

37. Dann wird für den, der das göttliche Maß überschritten hat,

38. Und der das diesseitige Leben vorgezogen hat,

39. Das Höllenfeuer wahrlich der Aufenthaltsort sein.28

28. Die andauernde Bestrafung wird für den sein, der sich willentlich und ständig gegen Allah aufgelehnt und das Maß Allahs überschritten hat, nicht für jene, die bereut und Vergebung erlangt haben, noch für die aus menschlicher Schwäche Strauchelnden, deren kleinere Sünden gegen ihre guten Taten aufgewogen werden. (Juusuf `Allii)

 

40. Und was den angeht, der (das Hintreten) vor das Gericht seines Herrn gefürchtet und (seiner) Seele niedere Begierden verwehrt hat,29

29. Wer befürchtet, einst vor Allah eintreten zu müssen, der lässt sich nicht auf Sünden ein. Wenn er einmal strauchelt und in einem Moment der Schwäche eine Sünde begeht, dann lässt ihn seine Furcht, dereinst Allah gegenüberzustehen, sogleich Reue empfinden und um Vergebung beten. So bewegt er sich ständig im Bereich des Gehorsams, dessen Angelpunkt die Beherrschung der eigenen Willkür und Begierden ist. (Qutb)

 

41. So wird wahrlich das Paradies (sein) Aufenthaltsort sein.30

30. Ein vollkommener Gegensatz: die ständigen Aufrührer gegen Allahs Gesetz, die das irdische Leben vorzogen, werden im Feuer der Bestrafung weilen, während jene, die die Bestrafung der Sünden in aller Demut fürchteten und den Ermahnungen ihres Herrn Glauben schenkten und ihre niederen Begierden in Zaum hielten, nun dadurch belohnt werden, dass sie in den Garten eingehen dürfen. (Juusuf `Allii)

 

42. Sie fragen dich nach der Stunde (des Gerichts), - wann trifft sie ein?31

31. Es ist nicht Sache des Propheten Allahs, die genaue Stunde und den Tag der Wiederauferstehung zu verkünden. (Darjabaadi)

 

43. Aber wie könntest du darüber etwas sagen?

44. Bei deinem Herrn (allein) ist ihre endgültige Festlegung.

45. Du aber bist nur ein Warner für den, der sie fürchtet.32

32. Allah selbst ist der Herr über alles, was mit der "Stunde" zusammenhängt. Die Pflichten des Propheten, über die er nicht hinausgehen braucht und darf, sind genau festgelegt. Er soll die warnen, die aus einer solchen Warnung Nutzen zu ziehen bereit sind. Solche Menschen spüren, dass die Wiederauferstehung etwas Wahres ist und fürchten darum den Ausgang. Deshalb richten sie ihr Leben entsprechend ihrem Imaan ein, dass sie zu der von Allah festgesetzten Zeit kommen wird. (Qutb)

 

46. Am Tage, an dem sie sie sehen werden, (wird ihnen sein) als ob sie nicht mehr als einen Abend33 oder den folgenden Morgen (auf Erden) verweilt hätten.34

33. Der Tod ist wie der Schlaf. Vielleicht lässt er sich am ehesten mit dem Abend des Lebens vergleichen. Im Schlaf wissen wir auch nicht, wie rasch die Zeit verstreicht. (Juusuf `Allii)

34. Wie an vielen anderen Stellen im Qur’an (z.B. 2:259; 17:52; 18:19; 20:103-104; 23:112-113; 30:55 etc.) handelt es sich hier um eine versteckte Anspielung auf die illusorische, erdgebundene Natur des menschlichen Zeitbegriffs - eines Begriffs, der im Zusammenhang mit der letztendlichen Wirklichkeit, die in dem Wort "Jenseits" zusammengefasst ist, jegliche Bedeutung verliert. (Asad)

 

Einführung zu Suura 80

Diese frühe makkanische Suura bezieht sich eingangs auf einen Vorfall, dessen Erwähnung im Offenbarungstext die vorbehaltlose Aufrichtigkeit unseres Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, Widerspiegelt. Denn hier wird eine Kritik am natürlichen, menschlich nur allzu verständlichen Eifer des Gesandten Allahs laut. Durch diesen Übereifer ließ - .ich in seiner Verkündigungsarbeit zu einem Schritt verleiten, der - von seiner eigenen, ethisch hohen Warte aus gesehen - fehl am Platz war. Der Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, war einmal sehr damit beschäftigt, einigen Oberhäuptern der kaafir Quraisch den Qur’an zu erklären, als er von einem Blinden, 'Abdullah ibn Umm-i-Maktuum, unterbrochen wurde, der überdies ein armer Mann war, so dass niemand ihm Beachtung schenkte. Dieser wollte auch etwas aus dem Qur’an wissen. Dem Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, missfiel natürlich die Unterbrechung und er wurde ungeduldig. Dadurch fühlte der der Arme verletzt. Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Frieden auf ihm, dessen sanftmütiges Herz stets den Armen, vom Leid Heim suchten zugetan war, empfing eine Erleuchtung und zögerte keinen Augenblick, die neue Offenbarung gleich zu verkünden... Den Blinden aber hielt er fortan in hohen Ehren.

Sayjid Qutb schreibt in diesem Zusammenhang: „Der Qur’an benützt hier, wie so oft, einen Einzelfall als Beispiel, um daran einen allgemein gültigen Grundsatz aufzuzeigen. Der Grundsatz, den der Qur’an hier erklärt ist der, dass die Menschen ihre Wertvorstellungen einzig auf Anweisungen Allahs herleiten sollen und nicht aus Gegebenheiten des täglichen Lebens. Diese sind bestimmt von Werten wie Rang, Macht oder Geld usw. Dagegen sagt der Islam: "Der Edelste von euch ist der Frömmste." Er lässt alle materiellen Werte außer acht und ersetzt sie durch neue, die von Allah selbst gesetzt werden und zu Ihm zurückführen."

Es handelt sich hier nur um einen Zwischenfall. Nach Erklärung des ewigwährenden Grundsatzes Offenbarung Allahs werden in dieser Suura die Gnadenerweise Allahs dem Menschen gegenüber erläutert Allah die Folgen eines guten oder schlechten Lebens auf Erden in der geistigen Welt des Jenseits aufgezeigt. (Juusuf `Allii)

 

Er runzelte die Stirn

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Er1 runzelte die Stirn und wandte sich ab,

1. Der Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm,. (Darjabaadi)

 

2. Als der Blinde zu ihm kam!2

2. Die scharfe Zurechtweisung im Qur’an (verschärft noch durch den Gebrauch der Form der dritten Person in den Ajas 1 und 2) deutet erstens an, dass das, was bei einem gewöhnlichen Menschen nur eine Unhöflichkeit von geringer Bedeutung gewesen wäre, den Aspekt einer ernsthaften Verfehlung, die Tadel Allahs verdient, annehmen musste, wenn es sich um eine vom Propheten begangene Tat handelte. Zweitens aber wird durch die absolute Objektivität der Offenbarung des Qur’ans unter Beweis gestellt. Denn es liegt auf der Hand, dass der Prophet, als er Allahs Zurechtweisung an sich aller Welt übermittelte, "nicht aus (eigenem) Begehr sprach" - siehe Suura 53, Vers 3. (Asad)

 

3. Doch was lässt dich wissen, ob er sich nicht vielleicht läutern will?

4. Oder ob er sich nicht belehren lassen will und diese Belehrung ihm nützt?3

3. Es kann durchaus sein, dass der arme, blinde Mann aufgrund seiner Bereitschaft zu lernen in seiner eigenen geistigen Entwicklung weit größere Fortschritte machte oder dass das, was man ihn lehrte, und sei es durch Tadel, ihm wesentlich mehr nützte als es bei den selbstgefälligen Oberhäuptern (der Quraisch) der Fall war. Und so ist es dann auch tatsächlich gewesen, denn der Blinde wurde ein wahrhafter und aufrichtiger Muslim und später sogar Statthalter von Medina. (Juusuf `Allii)

 

5. Was jedoch den angeht, der sich selbst genug ist,4

4. Das heißt, der meint, Rechtleitung Allahs nicht zu bedürfen; ein Hinweis auf die hochmütigen heidnischen Oberhäupter, mit denen sich der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, unterhielt. (Asad)

 

6. Dem hast du dich zugewandt,

7. Obwohl es nicht deine Sache ist, wenn er sich nicht läutert.5

5. Jener, der so tut, als könne er ohne dich, Prophet, und deine Religion, dein Licht, deine Güte und Reinheit auskommen, mit dem befasst du dich. Du gehst zu ihm, wenn er sich abwendet und du bemühst dich verzweifelt, ihn dazu zu überreden, dass er deine Religion annimmt. Doch was geht es dich an, wenn er es vorzieht, im Schmutz zu bleiben? Du bist für seine sündige Handlungsweise nicht verantwortlich. (Qutb)

 

8. Was jedoch den angeht, der voll Eifer6 zu dir kommt,

6. Ernstlich bemüht, dich über Dinge des Islams zu befragen. (Darjabaadi)

 

9. Und der (Allah) fürchtet,

10. Den beachtest du nicht7.

7. In späteren Jahren allerdings grüßte der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, Umm-i-Maktuum oft mit den folgenden, von Demut getragenen Worten: „Ein herzliches Willkommen ihm, um dessentwillen mein Erhalter mich zurechtgewiesen hat!" (Asad)

 

11. Nein!8 Dies ist wahrlich eine Ermahnung,9

8. Nein fürwahr, dies darf niemals so sein! (Qutb)

9. Oder Erinnerung daran, dass es Allah gibt und dass Er allmächtig ist. Der Qur’an wird hier wie an vielen anderen Stellen als "Ermahnung" oder "Erinnerung" bezeichnet, weil er dazu bestimmt ist, die instinktive - wenn auch manchmal undeutliche oder unterbewusste - Wahrnehmung der Existenz &ins volle Licht des Bewusstseins zu rücken. (Asad)

 

12. Und wer will, mag sich daran erinnern,10

10. Hier wird bestätigt, dass der Islam ein Aufruf ist, dem höchste Achtung gebührt, weil er zum Guten auffordert. Andererseits benötigt er keineswegs die Unterstützung von irgend jemandem. Er wendet sich nur an denjenigen, der ihn aufgrund seiner Vorzüge von selbst und bereitwillig anerkennt und annimmt, wobei die gesellschaftliche Stellung des Betreffenden überhaupt keine Rolle spielt. (Qutb)

 

13. Es ist eine Ermahnung) auf edlen Blättern,11

11. Der Qur’an, den zu lesen und dessen sich zu erinnern jedem freisteht, ist auf ehrwürdigen Blättern niedergeschrieben, die unverfälscht sind und rein gehalten werden von jeglichen üblen Machenschaften. (Darjabaadi)

 

14. Erhabenen, reinen,

15. (Niedergeschrieben) durch die Hände von Botschafter (-Engeln),

16. Ehrwürdigen, frommen.

17. Wehe12 dem Menschen! Wie kann er nur13 so kaafir sein?!

12. Das Wort "qutila" قُتِلَ heißt wörtlich "er ist getötet worden", oder als Verwünschung "möge er getötet werden". Da eine wörtliche Übersetzung hier nicht sinnvoll scheint, weder als Feststellung noch als Verwünsch haben zahlreiche Kommentatoren, darunter auch Tabari, angenommen, dass es heißen solle: "er ist ausgeschlossen von Allahs Barmherzigkeit", was gleich bedeutend ist mit "er ist getötet" in geistiger Hinsicht durch sein eigenes Handeln und seine Einstellung. (Asad)

13. Er weigert sich ganz entschieden, den Verpflichtungen, die ihm durch seine Erschaffung erwachsen sind, nachzukommen. Hätte er sich ihrer erinnert, dann hätte er seinem Herrn, Der ihn erschaffen hat, demütige Dankbarkeit entgegengebracht. Er wäre nicht hochmütig gewesen, sondern hätte sich stets ins Gedächtnis gerufen, welches Ende ihm bevorsteht... (Qutb)

 

18. Aus was hat Er ihn erschaffen?

19. Aus einem Samentropfen! Er erschuf ihn und gab ihm Ansehen,14

14. Der Ursprung des Menschen als Lebewesen ist tatsächlich alles andere als großartig. Doch was für Talente und Fähigkeiten hat Allah im mitgegeben! Abgesehen von seinem physischen Körper, durch den er an all den Segnungen teilhat, mit denen Allah auch die übrige Schöpfung ausgestattet hat, hat der Mensch Gaben Allahs gewährt bekommen, die ihn dazu berechtigen, Statthalter auf Erden genannt zu werden. Er hat einen freien Willen, geistiges Wahrnehmungsvermögen, er ist der Liebe fähig, er kann sich die Natur in gewissem Umfang untertan und sich deren Kräfte zunutze machen. Und er hat Entscheidungsfreiheit, so dass er Übertreibungen und Schädliches meiden und den goldenen Mittelweg einschlagen kann. Und dieser Weg, ebenso wie alles, was er für sein Leben in all seinen vielfältigen Bereichen benötigt, ist ihm leicht zugänglich gemacht. (Juusuf `Allii)

 

20. Dann hat Er ihm den Weg leichtgemacht.

21. Dann lässt Er ihn sterben und ins Grab legen.15

15. Der Tod ist ein unvermeidliches Ereignis nach dem kurzen Erdendasein, doch in gewissem Sinn ist er auch ein Segen. Denn er bedeutet die Befreiung aus all den Unvollkommenheiten dieser Welt, das Ende der Prüfungszeit, nach der die vollkommene Wirklichkeit heraufdämmern wird. Unter "Grab" kann man wohl die Zeitspanne zwischen dem psychischen Tod und dem Zustand der Unsterblichkeit verstehen, auf welche Weise auch immer der leblose Körper seine letzte irdische Ruhestätte finden mag. Die zwischenzeitliche Spanne ist der barzah oder die Trennung. (Juusuf `Allii)

 

22. Dann, wenn Er will, erweckt Er ihn wieder.16

16. Wenn die Zeit, die Er festgesetzt hat, gekommen ist, erweckt Er den Menschen wieder zum Leben, damit die Abrechnung stattfinden kann. So bleibt der Mensch also nicht ohne Belohnung oder Bestrafung. (Qutb)

 

23. Nein! Er hat nicht das erfüllt, was ihm befohlen worden ist.17

17. Die Menschen insgesamt - vom allerersten Menschen, der erschaffen wurde, bis zum letzten Atemzug des allerletzten Menschen - werden niemals die Gebote Allahs wirklich erfüllt haben. Das besagen die hier gewählten arabischen Worte. Der Mensch wird stets nachlässig sein bei der Erfüllung seiner Pflichten. Er wird sich niemals seines Ursprungs und seiner Erschaffung erinnern, so wie er es tun sollte, noch wird er seinem Schöpfer danken und Ihn lobpreisen dafür, dass Er ihn rechtgeleitet und Sich seiner angenommen hat, so wie er Ihm danken und Ihn lobpreisen sollte. Er bereitet sich keineswegs in diesem Leben auf den Tag der Belohnung und Bestrafung vor. Das trifft für die Menschheit als Ganzes zu. Darüber hinaus kehrt die Mehrheit der Menschen hochmütig der göttlichen Rechtleitung den Rücken. (Qutb)

 

24. So soll der Mensch (doch einmal) seine Nahrung betrachten:18

18. Nach Erwähnung der inneren Entwicklungsgeschichte des Menschen, wird hier auf nur ein einziges Gebiet seines äußeren Alltagslebens Bezug genommen nämlich auf seine Nahrung. Es wird uns vor Augen geführt, wie sich die Naturgewalten des Himmels und der Erde auf Allahs Gebot hin vereinen, um dem Menschen und den von ihm Abhängigen dienstbar zu sein, "als Versorgung für euch und eure Viehherden" (siehe 80:32). Wenn sich das bereits mit einem Aspekt so verhält, nämlich mit der Nahrung, wie unendlich viel umfassender muss dann Allahs Wohltätigkeit sein, wenn man die gesamten Bedürfnisse des Menschen in Betracht zieht! (Juusuf `Allii)

 

25. Wie Wir das Wasser in Strömen herabgießen,

26. Dann spalten Wir die Erde in viele Spalten,

27. Und lassen aus ihr Getreide wachsen,

28. Und Weinreben und essbare Pflanzen,

29. Und Olivenbäume und Dattelpalmen,

30. Und dicht bewachsene Gärten

31. Und Früchte und Gräser,

32. Als Versorgung für euch und eure Viehherden.19

19. Die Nahrung als vorrangige Notwendigkeit menschlichen Lebens sollte überdacht werden. Sie steht uns Tag für Tag zur Verfügung, aber dass dies so ist, ist ein Wunder in sich. Da sie so leicht zugänglich ist, vergessen wir das Wunderbare daran, obwohl es ebenso erstaunlich ist wie die Erschaffung des Menschen. Jede ihrer Entstehungsstufen wird von demselben allerhöchsten Willen bestimmt, Der den Menschen erschaffen hat. Dazu gehört der reichlich herabströmende Regen, von dem niemand behaupten kann, dass er ihn hervorbringe, um damit die Nahrungsmittelherstellung in Gang zu setzen. Das zweite Stadium, wenn die Erde nach dem Regen sich spaltet, wodurch die zarten Pflanzen aus der schweren, harten Erde hervorspriessen können, ist ein weiterer Beweis der ständig wirkenden Kraft des Allmächtigen. Und so wächst schließlich die gebräuchlichste Nahrung der Menschen, das Getreide, heran, ebenso wie Sträucher, Obstbäume und Gras in dichtbewachsenen Gärten. Zu den Wundern gehört auch, dass die verschiedensten Samenkörner in den gleichen Boden ausgesät, von demselben Regen bewässert werden und dann die vielfältigsten Pflanzen hervorkommen, als Versorgung für Mensch und Tier. Doch all dies Gute ist nur für eine bestimmte Zeit. Was dann folgt, ist etwas völlig anderes und darüber sollte der Mensch sich reiflich Gedanken machen, noch bevor es tatsächlich eintrifft. (Qutb)

 

33. Doch wenn der tosende Lärm kommt,20

20. Als Vorankündigung des Jüngsten Gerichts. (Juusuf `Allii)

 

34. Der Tag, an dem der Mensch von seinem Bruder flieht,

35. Und von seiner Mutter und seinem Vater,21

21. Selbst jene, die sich in diesem Leben am nächsten gestanden haben, werden an jenem Tag weder bereit noch in der Lage sein, einander zu helfen. (Juusuf `Allii)

 

36. Und von seiner Frau und seinen Kindern,

37. An jenem Tag wird jeder von ihnen mit sich selbst beschäftigt sein.22

22. So dass er selbst seinen nächsten Anverwandten gegenüber achtlos ist. (Darjabaadi)

 

38. Manche Gesichter werden an jenem Tag leuchten,

39. Lächelnd, Glück verheißend.

40. Und manche Gesichter werden an jenem Tag staubbedeckt sein,

41. Von Düsterkeit umfangen.23

23. Der Staub auf den Gesichtern der Frevler wird in krassem Gegensatz stehen zum strahlenden Licht auf den Gesichtern der Rechtschaffenen, ebenso wie die Düsterkeit zu den lächelnden, glückseligen Gesichtern der Aufrichtigen. Durch den Staub wird aber auch angedeutet, dass ihre Gesichter und Augen und anderen Sinne durch ihre Verleugnung Allahs in Staub eingehüllt waren, während die Düsterkeit besagt, dass sie durch ihr frevlerisches Tun keinen Anteil haben an der Reinheit des Lichtes. Noch ein anderer Gegensatz lässt sich möglicherweise von hier ableiten. Der demütige Mensch, der auf Erden eine untergeordnete Stellung einnimmt, mag in diesem Leben im Staube weilen und der hochmütige Sünder im strahlenden Sonnenschein. Doch am Tag des Jüngsten Gerichts werden sie ihre Rollen tauschen. (Juusuf `Allii)

 

42. Das sind die Kaafirs, die Frevler.

 

Einführung zu Suura 81

Dies ist eine sehr frühe makkanische Suura, wahrscheinlich die sechste oder siebte in chronologischer Reihenfolge. Sie beginnt mit einigen mystischen Metaphern über das Auseinanderbrechen der Welt, wie wir sie kennen und mit dem Hinweis auf die vollkommene persönliche Verantwortlichkeit jeder Seele. Es folgt eine mystische Passage über die Wahrhaftigkeit des Qur’ans, der durch den Engel Dschibriil offenbart worden ist und der nicht der dichterischen Schwärmerei eines Besessenen entstammt. Die Offenbarung dient der menschlichen Rechtleitung. (Juusuf `Allii)

 

Das Zusammenrollen oder das einhüllen in Dunkelheit

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Wenn die Sonne zusammengerollt (und in Dunkelheit eingehüllt) ist,1

1. Wörtlich: (wie von einem Turban) umwunden wird. (Paret)

 

2. Und wenn die Sterne ihren Glanz verlieren,

3. Und wenn die Berge in Bewegung geraten,2

2. Das, was uns am meisten in der äußeren physikalischen Welt beeinflusst, ist das Licht und die Wärme, möglicherweise auch noch die elektrische oder magnetische Energie der Sonne. Die Sonne ist die Quelle allen Lichtes, aller Wärme und Energie und überhaupt der Ursprung und der Erhalter alles irdischen Lebens, das wir kennen. Sie ist der wichtigste Faktor und doch der fernste in unserem Sonnensystem. Doch die Quellen unseres inneren, geistigen Lebens werden noch gewaltiger und beständiger sein, denn sie werden die Sonne überdauern. Nach der Sonne können wir schwaches Licht aus den unzähligen Sternen am Firmament beziehen. In all den Zeiten, von denen wir etwas wissen, haben sie an ihrem Platz gestanden, nichts könnte beharrlicher sein. Und doch können und werden sie fallen. Auf unserer Erde schließlich scheinen die Gebirge - die "ewigen Berge" - das augenscheinlichste Beispiel für Festigkeit zu sein. Doch auch sie werden hinweggefegt werden wie eine Luftspiegelung, so als hätte es sie nie gegeben. (Juusuf `Allii)

 

4. Und wenn die im zehnten Monat trächtigen Kamelstuten vernachlässigt werden,3

3. Hochträchtige Kamelstuten sind für die Araber der wertvollste Besitz, denn sie werden ihren Reichtum vergrößern durch die Geburt der Kamelfüllen und die Milch, die die Besitzer sich mit den jungen Kamelen teilen. Doch an diesem Tag werden so überwältigende Ereignisse eintreten, dass sich niemand mehr um sie kümmern wird. Nur bei allerhöchster Gefahr pflegten die Araber solche Tiere zu vernachlässigen. (Qutb)

 

5. Und wenn die wilden Tiere zusammengetrieben werden,4

4. In der gegenwärtigen Welt fürchten sich die wilden Tiere voreinander und meiden menschliche Siedlungen. Wenn diese Weltordnung zu Ende ist, werden Löwe und Lamm sich zusammenfinden und es wird keinen Unterschied zwischen menschlichen Behausungen und der Wildnis der Wälder geben. (Juusuf `Allii)

 

6. Und wenn die Meere zum Überlaufen gebracht werden,5

5. Und in Brand geraten. Beim ersten Trompetenstoß werden die Meere ineinander fließen und so zu einem einzigen Ozean werden. Und sie werden entzündet, so dass sie in Flammen stehen. (Darjabaadi)

 

7. Und wenn die Menschen zu ihresgleichen gesellt werden,6

6. Das Paaren der Seelen kann bedeuten, dass sich Gleich zu Gleich gesellen wird, wie in 56:7 erwähnt, wo es heißt, dass es drei Gruppen geben wird, nämlich die Auserwählten, die Menschen zur Rechten und die Menschen zur Linken. Es kann aber auch bedeuten, dass Leib und Seele sich bei der Auferstehung wieder vereinigen werden. (Qutb)

 

8. Und wenn das lebendig begrabene Mädchen gefragt wird,

9. Um welcher Schuld willen es getötet wurde7,

7. In der vorislamischen Gesellschaft Arabiens muss der Wert menschlichen Lebens sehr wenig gegolten haben. Es war ein weit verbreiteter Brauch, neugeborene Mädchen aus Furcht vor Schande oder Armut lebendig zu verscharren. Im Qur’an ist davon die Rede, um uns die damalige Grausamkeit und Unwissenheit vor Augen zu führen. Die Verdammung dieser Praxis stimmt völlig überein mit der erklärten Zielsetzung des Islam, die Unwissenheit auszumerzen und die Menschheit vor dem völligen Absinken zu bewahren. Überhaupt wurden Mädchen und Frauen zu jener Zeit sehr schlecht behandelt. Es klingt hier aber auch der Tag des Jüngsten Gerichts an, wenn die ermordeten Mädchen über ihre Mörder befragt werden. Es bleibt unserer Fantasie überlassen, uns vorzustellen, was mit diesen Mördern geschehen wird. In jener Zeit der Unwissenheit hätten die Frauen niemals eine achtbare, menschenwürdige Stellung erringen können. Ihre geachtete Stellung verdanken die Frauen erst dem Islam, der von Allah für die Menschen erwählten Lebensweise. Männer und Frauen haben gleichermaßen teil an der Ehre, dass ihnen göttlicher Geist eingehaucht wird. (Qutb)

 

10. Und wenn die (mit den menschlichen Taten beschriebenen) Blätter offen gelegt werden,8

8. Die Aufzeichnungen der menschlichen Taten, seien sie nun gut oder schlecht, werden dann allen sichtbar dargelegt. In der jetzigen Welt mag man manches verheimlichen können, in der geistigen Welt absoluter Realität wird jedes Geheimnis, das gute wie das schlechte, offenbart. Der gesamte Hintergrund der Taten, Unterlassungen, Beweggründe, der schwer abzuschätzenden spirituell zugefügten Verletzungen, Vernachlässigung oder Hilfeleistung wird aufgedeckt. (Juusuf `Allii)

 

11. Und wenn der Himmel aufgedeckt wird,9

9. Dieses Bild entspricht ziemlich genau dem des Aufdeckens menschlicher Geheimnisse. Wenn wir auch nicht wissen, wie alles vor sich gehen wird, so reicht es doch, zu sagen, dass wir beim Aufblicken nicht mehr das gewohnte blaue Himmelszelt sehen werden. (Qutb)

 

12. Und wenn das Höllenfeuer angefacht wird,10

10. Die innere Hülle wird dann brennen - das ist eine intensive Wahrnehmung der geistigen Qualen, die schlimmer sind als das ärgste Feuer. (Juusuf `Allii)

 

13. Und wenn der Paradiesgarten herangebracht wird,11

11. In der östlichen Literatur und insbesondere in religiösen Allegorien findet sich für gewöhnlich mehr als eine Bedeutung und diese sind gleichsam ineinander eingebettet. Man muss sie begreifen, um sich als Leser an den vollen Sinn solcher Passagen herantasten zu können. Für den Qur’an trifft dies ganz besonders zu. Die parallellaufende Bedeutung, für die sich besonders die Sufis erwärmen, setzt für die ersten sechs physikalischen Tatsachen (Ajas 1-6) folgende Allegorien:

1. So wie die Sonne der Mittelpunkt unseres Sonnensystems ist, so ist unser niederes Ich der Mittelpunkt unserer üblen Beweggründe und Sehnsüchte; das Licht dieses Ich muss abgedunkelt werden, um für die Wirklichkeit Platz zu schaffen.

2. Das weniger helle Licht der Sterne ist unsere gewöhnliche menschliche Weisheit; diese müssen wir ablegen, bevor wir geistigen Weitblick erlangen können.

3. Unsere weltlichen Bestrebungen sind die Berge, die gewissermaßen verschwinden müssen.

4. Gier und Gewinnsucht sind gleichsam Kamele, schwer von der Last ihrer Jungen; diese müssen wir vernachlässigen.

5. Unsere Leidenschaften sind wilde Tiere, die gezähmt werden müssen.

6. Die Meere der Barmherzigkeit Allahs müssen überkochen und unser ganzes Sein umhüllen. All das kann jeden Moment geschehen, selbst dem einzelnen in diesem Leben, wenn Allahs Herrlichkeit auf ihn ausstrahlt. Oder aber es kann am "Tag des Kleinen Gerichts" geschehen, wenn die Seele diesen Körper verlässt. (Juusuf `Allii)

 

14. Dann erkennt jede Seele, was sie mit sich gebracht hat.

15. Doch nein! Ich schwöre12 bei den Planeten,

12. Indem Naturerscheinungen, die den Menschen durch ihr ständiges Wiederauftauchen vertraut sind, als Zeugen angerufen (oder beschworen) werden, wird die Tatsache unterstrichen, dass es sich bei dem, was wir "Naturgesetze" nennen, um nichts anderes handelt, als die sichtbaren Elemente der Planung und Schöpfung Allahs - einer Planung, in der Seine Offenbarungen eine ganz entscheidende Rolle spielen (siehe auch Aja 19 ff). Folglich ist die Muchammad, Friede sei mit ihm, zuteil gewordene Heilige Schrift in Wirklichkeit ebenso "natürlich", wie jegliches andere Phänomen, sei es nun konkret oder abstrakt, im Bereich der Schöpfung Allahs. (Asad)

 

16. Den am Horizont erscheinenden, sich wieder verbergenden,

17. Und bei der Nacht, wenn sie dunkelnd hereinbricht,

18. Und beim Hauch des Morgens:13

13. Wörtlich: Und beim Morgen, wenn er atmet. (Pickthall)

Der Atemhauch des Morgens ist etwas spürbar Lebendiges. Er bringt Licht mit sich, das sich allmählich ausbreitet und durch das sich überall Leben zu regen beginnt. (Qutb)

 

19. Dies ist wahrlich das Wort eines ehrwürdigen Gesandten,14

14. Gemeint ist der Engel Dschibriil, der die Offenbarungen Allahs überbracht hat und höchster Achtung würdig ist, keinerlei Betrug zu begehen vermag, sondern vielmehr im Reich der Engel vor Allahs Thron Macht und Ansehen genießt. Wie der Prophet Muchammad, Friede sei mit ihm, hat er seinen Auftrag getreulich ausgeführt, entsprechend dem Willen und Plan Allahs. Die Beschreibung "des ehrwürdigen Gesandten voll Macht und Ansehen, der Gehorsam und Vertrauen genießt", könnte sich durchaus auch auf unseren Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, selbst beziehen, aber im Hinblick auf den folgenden Aja 23 ist es am besten, darunter den Engel Dschibriil zu verstehen. (Juusuf `Allii)

 

20. Voll der Macht und des Ansehens vor dem Herren des Throns,15

15. Der Begriff in Qur’an "Thron" - der in der tatsächlichen Reihenfolge der Offenbarungen Allahs hier erstmals erscheint - steht ausnahmslos für die absolute Souveränität und Allmacht Allahs. (Asad)

 

21. Dem Gehorsam entgegengebracht wird und der Vertrauen genießt.

22. Und euer Gefährte16 ist nicht besessen.17

16. Das heißt Muchammad, Friede sei mit ihm. Die Bezeichnung des Propheten als Gefährte soll das absolute Menschsein Muchammads, Friede sei mit ihm, unterstreichen und damit jeglicher Möglichkeit entgegenwirken, dass seine Anhänger ihn vergöttlichen. (Asad)

Er ist euer Gefährte, den ihr lange Jahre gekannt habt. (Qutb)

17. Die Menschen um den Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, kannten ihn sehr wohl. Sie wussten, dass er ein Mann von großer Charakterstärke, Klugheit und vollkommener Aufrichtigkeit war. Doch trotz alledem behaupteten sie, dass er besessen sei und seine Offenbarungen vom Teufel erhalte. Manche bauten darauf ihre ständigen Angriffe gegen den Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und seine islamische Botschaft auf, andere taten es aus Verwunderung und Erstaunen über seine Offenbarungen, die so gar nicht dem entsprachen, was Menschen zu sagen oder niederzuschreiben pflegten. Durch diese Behauptung sollte die überkommene Ansicht bestätigt werden, dass jeder Dichter einen Schaytaan besitze, der seine Gedichte für ihn verfasst, und dass jeder Mönch einen Teufel zur Seite habe, der ihm die Geheimnisse des Verborgenen enthüllt. Sie meinten auch, dass der Teufel mit einigen Menschen in Verbindung trete und sie dazu veranlasse, seltsame Dinge auszusprechen. So ließen sie die einzig gültige Erklärung außer acht, nämlich dass der Qur’an von Allah, dem Herrn der Welten, offenbart worden ist. (Qutb)

 

23. Vielmehr sah er ihn18 am klaren Horizont.

18. Das heißt, Muchammad, Friede sei mit ihm, erblickte den Offenbarungsengel Dschibriil. (Darjabaadi)

Hier wird eindeutig Bezug genommen auf die Vision des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, der Dschibriil mit eigenen Augen am klaren Horizont sah und durch ihn Offenbarungen erhielt. Siehe auch Einleitung zu Suura 74 und die Suura 53, Aja 5 ff sowie die entsprechenden Fußnoten. (Asad)

 

24. Und er ist nicht geizig mit dem Verborgenen.19

19. Er behält nicht geizig, missgünstig oder eifersüchtig das Wissen um das Verborgene für sich, wie es ein Wahrsager tun würde, der bei jedem Wort auf der Hut ist, Doppelsinn hineinzulegen trachtet und irreführen will. Hier ist alles klar, vernünftig, wahr und entspricht der göttlichen Eingebung. (Juusuf `Allii)

 

25. Auch ist es nicht das Wort eines verfluchten Schaytaans.20

20. Oder ein Wort, entstanden unter üblen Eingebungen wie Neid, Hass, Gier, Eigennützigkeit oder anderen bösen Einflüssen. Das Wort "radschiim" رَجِيم bedeutet wörtlich "durch Steinigung vertrieben", gesteinigt, folglich auf demütigendste Weise verworfen. Der Ritus der Steinigung des Teufels im Tal von Mina am Ende der Wallfahrt nach Mekka steht symbolisch dafür, dass der Pilger alles Böse und Schlechte nachdrücklich, eindeutig und endgültig verwirft. (Juusuf `Allii)

 

26. Wohin also geht ihr?21

21. Wie könnt ihr nur die Dinge so falsch beurteilen? Wie weit könnt ihr euch von der Wahrheit entfernen, die euch doch überall entgegenstarrt, wo ihr euch auch hinwenden mögt? (Qutb)

 

27. Wahrlich, dies ist nichts anderes als eine Ermahnung für (die Menschen in) aller Welt,22

22. Diese Ermahnung soll die Menschen an den Sinn ihrer Existenz, ihren Ursprung und die Beschaffenheit der Natur des sie umgebenden Alls erinnern. Sie wendet sich an alle Menschen. Dadurch wird von Anfang an der universale Charakter des Aufrufs zum Islam festgelegt, und zwar bereits in Mekka, wo der Islam unablässigen Verfolgungen ausgesetzt war. (Qutb)

 

28. Für den von euch, der will, dass er den geraden Weg geht.

29. Doch ihr werdet nicht wollen, außer wenn Allah, der Herr der Welten, es Will.23

23. Allah ist der Erhalter aller Welten, der Herr der Gnade und Barmherzigkeit. Seine Rechtleitung steht allen offen, die sich ihrer zum eigenen Nutzen bedienen wollen. Doch dieser Wille muss in Übereinstimmung mit dem Willen Allahs gebracht werden. Diese Übereinstimmung bedeutet Islam. Die beiden Extreme, nämlich unbeugsame Entschlossenheit und die Vorstellungen von einer unumgänglich chaotischen völlig freien Willensentscheidung, sind gleichermaßen zu verurteilen. (Juusuf `Allii)

Hier werden wir daran erinnert, dass es jedem Menschen freisteht, den rechten Weg einzuschlagen oder nicht. Da Allah jedem von uns freie Willensentscheidung eingeräumt hat, sind wir auch alle für uns selbst verantwortlich. Der rechte Weg ist uns gezeigt worden, wir brauchen ihn nur zu gehen. Wer sich für einen anderen entscheidet, hat die Folgen dafür zu tragen. In der menschlichen Seele und im gesamten Universum gibt es unzählige Zeichen, die jeden Mann und jede Frau auf den rechten Weg hinweisen. Sie sind so deutlich sichtbar und haben eine so starke Auswirkung auf uns, dass es schon einer erheblichen Kraftanstrengung bedarf, ihnen den Rücken zu kehren, insbesondere wenn wir in so bewegender Weise auf sie aufmerksam gemacht werden wie im Qur’an. Es ist darum die freie Willensentscheidung des Menschen, die ihn abwendig macht von Allahs Rechtleitung. Eine andere Entschuldigung oder Rechtfertigung gibt es nicht dafür. Der Hinweis darauf, dass "wir nicht wollen werden, außer wenn Allah will", findet sich immer dort im Qur’an, wo die freie Willensentscheidung des Menschen oder anderer Geschöpfe erwähnt wird. Der Grund dafür ist, dass der Qur’an die grundsätzliche Aqida eindeutig klarstellen will. Dazu gehört, dass alles im Universum dem Willen Allahs untergeordnet ist. Nichts und niemand hat einen Willen, der von dem Allahs unabhängig ist. Dass Er dem Menschen freie Willensentscheidung einräumt, ist Bestandteil Seines Eigenen Göttlichen Willens, wie alles andere auch. Dasselbe trifft darauf zu, dass Er den Engeln die Fähigkeit mitgegeben hat, Ihm gegenüber vollkommenen Gehorsam zu zeigen und Seine Gebote samt und sonders auszuführen. Diese grundsätzliche Tatsache muss von allen Muslimen verstanden werden, damit sie sich eine klare Vorstellung von der absoluten Wahrheit machen können. Wenn sie sich eine solche Vorstellung zu eigen gemacht haben, werden sie sich dem Willen Allahs zuwenden, um Rechtleitung und Hilfe zu erhalten und ihre Angelegenheiten entsprechend diesem Willen zu ordnen. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 82

Thematisch ist diese Suura mit der letzten verwandt, obwohl manche Kommentatoren meinen, dass sie wesentlich später in der makkanischen Zeit offenbart worden ist. Sie bezieht sich in ihrer Argumentation auf das, was in der Fußnote 11 zu 81:13 gesagt worden ist

1. über den Tag des Jüngsten Gerichts,

2. über den "Tag des Kleinen Gerichts", wenn der Mensch stirbt, und

3. über das Aufleuchten des inneren Lichts in der Seele, das jederzeit stattfinden kann und das als Stunde des Ablebens der Falschheiten dieses Lebens und Wiedergeburt der wahren geistigen Wirklichkeit angesehen wird. - Wie fest gefügt ist die Ordnung, die das aus Materie bestehende Universum um uns herum zusammenhält! Und doch muss sie vor jener Wirklichkeit dahinschwinden, in deren Licht der Mensch seine Vergangenheit und Zukunft in der richtigen Perspektive sehen wird. Allah verdankt er sein Leben und alles Gute, was ihm widerfährt. Will er denn nicht einsehen, dass seine Zukunft auf Recht und Gerechtigkeit gebaut wird? Aufrichtigkeit wird ihren Lohn finden, ebenso wie Uneinigkeit und Auflehnung. Der Tag wird kommen, an dem alle Uneinigkeit aufhört und der Frieden Allahs und Sein Gebot alles beherrschen wird. (Juusuf `Allii)

 

Das Auseinanderstreben

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Wenn der Himmel (gespalten) auseinander strebt,

2. Und wenn die Sterne sich zerstreuen,1

1. Die Zerstreuung der Sterne erfolgt, nachdem sie sich möglicherweise Millionen von Jahren auf einer festen Umlaufbahn befanden. Auf dieser Umlaufbahn bewegen sie sich mit einer enormen Geschwindigkeit und irren nicht ziellos im All umher, dessen Ende keiner kennt. Sollten sie sich aber zerstreuen - was geschehen wird, wenn ihre Zeit um ist - und dem festen unsichtbaren Band entschlüpfen, das sie bewahrt und festhält, werden sie unweigerlich in den Tiefen des Alls verloren gehen. (Qutb)

 

3. Und wenn die Meere über die Ufer treten,

4. Und wenn die Gräber aufgewühlt werden,2

2. Dies ist ein Hinweis auf die letzte Stunde, wenn die Welt, wie der Mensch sie kennt, ihr Ende erreicht haben wird und die letztendliche Wirklichkeit des Jenseits beginnt. (Asad)

 

5. (Dann) wird jede Seele wissen, was sie vorausgeschickt und hinterlassen hat.3

3. Hiermit kann gemeint sein, was man getan und unterlassen hat in diesem Leben, oder aber auch das, was man vorausgeschickt und hinterlassen hat, nämlich die geistigen Möglichkeiten, die unsere Seele vorausgeschickt hat, und die materiellen Dinge, auf die sie in diesem Leben stolz war, die sie aber zurücklassen musste. Oder was man vorausgeschickt hat an Taten und die Spuren, die unsere Taten hinterlassen. Oder aber es bezieht sich auf das, dem man Vorrang gegeben hat und das man hintenangestellt hat, das in der neuen Welt der Wirklichkeit aber womöglich genau den umgekehrten Platz einnimmt - "die Ersten werden die letzten sein und die Letzen die ersten." (Juusuf `Allii)

 

6. O Mensch! Was hat dich von deinem gnadenreichen Herrn abwendig gemacht?4

4. Was hat dich so irregeführt, dass du deine Verpflichtungen deinem Herrn gegenüber vernachlässigst und dich Ihm gegenüber widerspenstig zeigst, obwohl Er der Herr ist, Der dich mit Seinem Edelmut reich beschenkte. Eine dieser Gaben, mit denen Er dich ausstattete, ist deine Menschlichkeit die dich über Seine anderen Geschöpfe erhebt, die dir auch erlaubt zu begreifen und zu unterscheiden zwischen dem was Ihm gebührt und was Ihm nicht gebührt. (Qutb)

 

7. Der dich erschaffen und dich (in Vollkommenheit) geformt5 und dir Ebenmaß gegeben hat,6

5. Allah hat den Menschen nicht nur erschaffen, sondern ihn auch in Vollkommenheit geformt, indem Er ihm Fähigkeiten mitgegeben hat, durch die er seiner hohen Bestimmung gerecht zu werden vermag. (Juusuf `Allii)

6. Das heißt so, dass der Mensch physischen Bedürfnissen und emotionalen Trieben unterworfen und gleichzeitig mit intellektuellem und geistigem Wahrnehmungsvermögen begabt ist, also ein Wesen, in dem es keinen unvermeidlichen Konflikt zwischen den Forderungen des "Geistes und des Fleisches" gibt, da diese beiden Aspekte des menschlichen Wesens gottgewollt sind, wie auch im nächsten Aja noch besonders betont, und daher ethisch durchaus gerechtfertigt werden können. (Asad)

 

8. Und dich in der Gestalt,7 die Er wollte, zusammengefügt hat?

7. Oder Form, worunter meiner Meinung nach die allgemeinen Lebensbedingungen, unter denen ein bestimmter Mensch zu leben hat, zu verstehen sind, und zwar einschließlich der physischen und gesellschaftlichen Umgebung sowie seiner Geistesgaben. All das zusammengenommen macht das äußere und innere Leben aus. Die Gnade Allahs zeigt sich in all dem, denn Sein Wille entspringt vollkommenem Wissen und unendlicher Weisheit und Güte. (Juusuf `Allii)

 

9. Doch nein! Ihr verwerft das (bevorstehende) Gericht als Lüge.8

8. Da dies alles an den "Menschen" oder die "Menschen" ganz allgemein gerichtet ist, und nicht an die, die die Wahrheit bestreiten, bin ich der Ansicht, dass das Verwerfen des Jüngsten Gerichts nicht unbedingt ein bewusstes Ableugnen des Gerichts Allahs bedeuten muss, sondern eher die Neigung des Menschen, gelegentlich oder ständig die Augen davor zu verschließen, dass er dereinst Allah gegenüber Rechenschaft abzulegen hat für sein Tun. (Asad)

 

10. Wahrlich, über euch sind Hüter eingesetzt,

11. Ehrwürdige, die (eure Taten) niederschreiben,

12. Sie wissen, was ihr tut.9

9. Die klassischen Kommentatoren meinen, dass es sich hier um die Schutzengel handelt, die - allegorisch - alle Taten der Menschen aufschreiben. Eine andere Erklärung könnte aber auch sein, dass der Hüter und Wächter, der über jeden Menschen gesetzt ist, sein eigenes Gewissen ist, das alle seine Beweggründe und Handlungen im Unterbewusstsein verzeichnet. Da dies das kostbarste Element der menschlichen Psyche ist, wird es im vorangehenden Aja als "ehrwürdig" oder edel bezeichnet. (Asad)

 

13. Wahrlich, die Rechtschaffenen werden in Gnadenfülle weilen,

14. Und wahrlich, die Frevler werden im Höllenfeuer sein,

15. In dem sie am Tag des Gerichts Qualen erleiden werden,

16. Und ohne dass sie daraus entrinnen können.10

10. Das Ende ist gewiss. Dass die Rechtschaffenen in Glückseligkeit schwelgen und die Frevler in der Hölle enden werden, ist bereits bestimmt. Ein Rechtschaffener ist jemand, der unermüdlich das Rechte tut, das heißt gute Taten jeder Art, bis deren Vollbringung zu einer nicht mehr wegzudenkenden Eigenschaft bei ihm wird. Im Gegensatz dazu ist die Hölle der angemessene Aufenthaltsort für die Frevler, aus dem sie nicht entfliehen können, nicht einmal für eine kurze Weile. (Qutb)

 

17. Weißt du denn, was der Tag des Gerichts ist?

18. Und abermals, weißt du denn, was der Tag des Gerichts ist?11

11. Der Qur’an verwendet oft die Ausdrucksform der Frage, um die Wichtigkeit einer Sache hervorzuheben. Die Wiederholung derselben Frage soll dieses zusätzlich betonen. (Qutb)

 

19. Es ist ein Tag, an dem keine Seele irgend etwas für eine andere Seele zu tun vermag. Und die Herrschaft gehört an jenem Tag (einzig) Allah.12

12. Er besitzt die höchste Herrschaftsgewalt, sowohl in diesem Leben wie im künftigen. Diese Tatsache wird jedem so klar an jenem Tag, dass sie niemand mehr übersehen kann, wie es die Unwissenden und Selbstbetrüger in diesem Leben tun. Die Suura schließt mit einem Anflug von Furcht und sprachloser Erwartung, die dem Schreckensbild des Anfangs entsprechen. Dazwischen wird dem Menschen sein Verhalten so vor Augen geführt, dass er von einem Gefühl der Scham überwältigt wird. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 83

Die Offenbarung dieser Suura dürfte zeitlich nahe an die vorausgegangene und nachfolgende heranreichen. Betrug in jeder Form wird hier aufs schärfste verurteilt, sei es nun in Alltagsangelegenheiten, in religiösen Dingen oder in Bezug auf das höhere geistige Leben. (Juusuf `Allii)

 

Die Betrügenden

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Wehe den Betrügenden,1

1. Der Offenbarungszeitpunkt dieser Suura, der in die makkanische Periode fällt, als die Muslime selbst arm und machtlos waren, weist darauf hin, dass mit den Betrügenden die reichen, skrupellosen Angehörigen der Oberschicht von Mekka gemeint waren. Hierdurch bekommt man Einsicht in die wahren Motive hinter der hartnäckigen Gegnerschaft, die dem Islam entgegengebracht wurde. Denn bei dem, wozu Muchammad, Friede sei mit ihm, aufrief, handelt es sich nicht nur um eine persönliche Überzeugung, die nichts weiter als eine mündliche Bestätigung der Einheit des Prophetentums Muchammads, Friede sei mit ihm, erforderte. Es war eine Form des Gebets, das sich von da ab an und nicht mehr Allah an Götzen richtete. Vielmehr waren sich die Mekkaner darüber klar, dass der neue Diin eine Lebensform mit sich bringen musste, die ihre Stellung und ihre Interessen ins Wanken bringen würde. Sie begriffen, dass die reine, aufrichtige islamische Lebensweise ihre ungerechten Machenschaften unterminieren musste. Die tyrannischen Betrüger sind diejenigen, die den Aufstieg des Islam und die Einführung seiner gerechten Lebensformen am meisten zu fürchten haben. (Qutb)

 

2. Jenen, die, wenn sie sich von den Menschen etwas zuteilen lassen, volles Maß verlangen.

3. Doch wenn sie ihnen etwas zuteilen oder auswiegen, geben sie zu wenig!2

2. Betrügende im weitesten Sinn. Dazu gehört, beim Messen und Wiegen zu wenig zu geben, aber noch viel mehr ist eingeschlossen. In den nächsten beiden Versen wird klar, dass es Ungerechtigkeit in jeglicher Form ist, die verdammt wird - zu wenig zu geben und zu viel zu fordern. Das mag den Handel betreffen, wo man sich selbst mehr zugesteht, als man zu geben bereit ist; häusliche oder gesellschaftliche Angelegenheiten, wo man mehr Achtung oder Leistung beansprucht, als man selbst aufzubringen gewillt ist. Das alles ist schlimmer als einseitiger Egoismus, ist doppelte Ungerechtigkeit. Am ärgsten ist es aber in Dingen der Religion und des geistigen Lebens. Wie kann man Allahs Barmherzigkeit und Liebe erbitten, wenn man dies selbst den Mitmenschen vorenthält? Hier gilt die goldene Regel: Geben und Nehmen müssen ausgewogen sein. Doch eigentlich geht es darum, dass man in vollem Umfang geben muss, was von einem erwartet wird, ob man nun von den anderen dasselbe erwartet und wünscht oder nicht. Würde man sich sonst nicht selbst erniedrigen? (Juusuf `Allii)

 

4. Bedenken diese (Menschen) denn nicht, dass sie wieder auferweckt werden?

5. An einem gewaltigen Tag,

6. Einem Tag, an dem die Menschen vor dem Herrn der Welten stehen werden.

7. Doch nein! Das Verzeichnis der Frevler ist in sidschdschiin.3

3. Das Wort "sidschdschiin" سِجِّين entstammt derselben Wurzel, wie "sidschn", das heißt Gefängnis, Kerker. Manche Kommentatoren meinen, damit solle der Ort bezeichnet werden, wo die Missetäter zwischen ihrem Tod und ihrem Erscheinen am Tag des Jüngsten Gerichts festgehalten werden. Andere halten "sidschdschiin" für den Platz, an dem die Aufzeichnungen der menschlichen Taten aufbewahrt werden, wieder andere meinen, es sei die Benennung für diese Aufzeichnungen. Auch in diesem Fall wäre die anklingende Bedeutung des unentrinnbaren Gefangenseins durchaus einleuchtend. Denn nichts, was einmal in diesen Aufzeichnungen festgehalten ist, wird gelöscht werden, die Sünde hat es eingeätzt mit allen Einzelheiten: dem Beweggrund, der Art und Weise und der Gelegenheit, bei der es begangen wurde. (Juusuf `Allii)

 

8. Und weißt du denn, was sidschdschiin in ist?

9. Ein allumfassendes Verzeichnis.

10. Wehe an diesem Tag den Leugnern!

11. Jenen, die den Tag des Gerichts verleugnen!

12. Und nur jeder Übertreter und Sünder leugnet ihn.

13. Wenn ihm unsere Zeichen vorgetragen werden, sagt er: „Fabeln der Alten!"4

4. Zur Beschreibung des Kaafir sind der Eigenschaften des Kaafir erfahren wir, dass diese vor allem den Tag des Jüngsten Gerichts ableugnen, dass so aber nur Übertreter und Sünder handeln können, die es schließlich sogar so weit treiben, dass sie den Qur’an als Fabeln früherer Generationen abtun. (Qutb)

 

14. Doch nein! Wie Rost liegt auf ihren Herzen, was sie erworben haben.5

5. Das Herz des Menschen, wie es geschaffen hat, ist rein und unbefleckt. Jedesmal, wenn der Mensch eine schlechte Tat begeht, bleibt dadurch etwas wie ein Rostfleck auf seinem Herzen zurück. Durch Reue und Vergebung wird ein solcher Flecken wieder gelöscht. Bleiben Reue und Vergebung aus, dann frisst sich der Rost immer tiefer ein und der Fleck vergrößert sich, bis der Mensch schließlich geistig abstirbt. Solche Verunreinigungen sind es, die verhindern, dass der Mensch die Wahrheit erkennt, die anderen so klar vor Augen steht. So macht sich der Mensch also über die Wahrheit lustig und wirft sich dem Falschen förmlich in die Arme. (Juusuf `Allii)

 

15. Doch nein!6 Wahrlich, an jenem Tag werden sie von ihrem Herrn fern gehalten sein7.

6. Das Wort "kallaa"  كَلَّا  steht hier als Tadel - wie schon in Aja 14 - für jene Leugner und als strenger Befehl an die Übertreter, von der Verleugnung der Wahrheit abzulassen. (Qutb)

7. Vor Allah verhüllt zu sein, von Ihm ferngehalten zu werden, ist die schmerzlichste Strafe. (Qutb)

 

16. Dann werden sie wahrlich die Qualen der Hölle erleiden.8

8. Die Befleckung durch ihre schlechten Taten macht den Spiegel ihrer Herzen trübe, so dass sie kein Licht empfangen können. Am Tag des Jüngsten Gerichts wird das wahre Licht der Herrlichkeit das den Aufrichtigen zur Glückseligkeit gereicht, durch Schleier vor ihren sündigen Augen verhüllt sein. Stattdessen wird das Feuer der Bestrafung die einzige Wirklichkeit sein, die sie wahrzunehmen vermögen. (Juusuf `Allii)

 

17. Daraufhin wird zu ihnen gesagt werden: „Das ist, was ihr als Lüge zu verwerfen pflegtet."

18. Doch nein! Wahrlich, das Verzeichnis (der guten Taten) der Rechtschaffenen ist in `illijuun.9

9. "'Illiyun", das Gegenstück zu "sidschdschin", bedeutet wörtlich "hohe Plätze"; möglicherweise ist darunter der Ort zu verstehen, an dem die Aufzeichnungen der Rechtschaffenen aufbewahrt werden. (Juusuf `Allii)

 

19. Und weißt du denn, was `illiyuun ist?

20. Ein allumfassendes Verzeichnis,

21. Das jene, die Allah nahe stehen, zu sehen bekommen.10

10. Dieses Verzeichnis ist von so hohem Rang, dass es nur von den von Allah bevorzugten Engeln gesehen wird. Die edlen Taten und Eigenschaften, die darin aufgeführt sind, werden sie ohne Zweifel erfreuen. (Qutb)

 

22. Wahrlich, die Rechtschaffenen werden in der Gnadenfülle (Allahs) sein,

23. Auf Ehrensitzen werden sie um sich blicken.11

11. Was für ein Gegensatz zu den Höllenqualen, die die Übertreter zu erleiden haben werden! Auf  ihren Ehrensitzen dürfen die Rechtschaffenen umherblicken wie es ihnen beliebt. Sie müssen nicht mit gesenkten Blicken ausharren. (Qutb)

 

24. Du erkennst in ihren Gesichtern den Widerschein der Gnadenfülle.

25. Ihr Durst wird gestillt mit einem versiegelten Nektar,12

12. Der "reine Wein" (oder Nektar) des Jenseits, der im Gegensatz zum Wein in dieser Welt "das Siegel", das heißt die Zustimmung Allah besitzt, weil man davon "weder Kopfschmerzen bekommt noch betrunken wird" (37:47), ist ein weiteres von jenen Symbolen des Paradieses, mit deren Hilfe die unbeschreiblichen Freuden des Jenseits wenigstens angedeutet werden sollen, die die Rechts

Rechtschaffenen erwarten. Einige große muslimische Mystiker sehen im "reinen Wein" eine Anspielung auf die geistige Vision Allahs. (Asad)

 

26. Dessen Siegel wird aus Moschus sein - darum mögen jene wetteifern, die von Wetteifer erfüllt sind.13

13. Jene, die nach den Dingen dieser Welt streben, wie großartig oder achtungsgebietend diese auch immer sein mögen, streben in Wirklichkeit nach Nichtigem, Vergänglichem. Die ganze Welt ist vor dem Angesicht Allahs nicht so viel wert wie er Flügel einer Mücke. Das Jenseits ist, was bei Ihm zählt. Darum sollte man all seine Bestrebungen darauf ausrichten. Allah sagt: „Ich habe die Dschinn und Menschen nur geschaffen, damit sie Mir dienen." 51:56) Wer dies bedenkt, wird weit über diese endliche, kleine Welt hinausblicken können, um seine Aufgabe als Allahs Statthalter auf Erden zu erfüllen. (Qutb)

 

27. Dem (Nektar) wird "tasnim"14 beigemischt,

14. "Tasnim" steht wörtlich für Höhe, Fülle, Überfluss. Hier ist es der Name einer himmlischen Quelle, deren Wohlgeschmack den des reinsten Weins übertrifft. Es ist der Nektar, den die nahe stehenden trinken, die den höchsten Rang geistiger Würde einnehmen. Eine Kostprobe davon sollen alle erhalten, je nach ihrer geistigen Aufnahmefähigkeit. (Juusuf `Allii)

 

28. Aus einer Quelle, aus der die trinken, die (Allah) nahe sind.

29. Wahrlich, die Sündigen pflegten über jene zu lachen, die mu'min sind,

30. Und wenn sie an ihnen vorbeikamen, zwinkerten sie einander zu.

31. Und wenn sie zu ihren eigenen Leuten zurückkehrten, frohlockten sie,15

15. Die Missetäter lachen in vielfältiger Hinsicht die Rechtschaffenen aus:

1. Sie lachen innerlich über deren , weil sie sich selbst so überlegen fühlen.

2. In der Öffentlichkeit zwinkern sie einander zu, wenn die Rechtschaffenen vorübergehen und machen verletzende Bemerkungen.

3. In ihren eigenen Häusern setzen sie sie herab.

4. Wo und wann immer sie sie sehen, werfen sie ihnen vor, Dummköpfe zu sein, die irregegangen sind, obwohl es sich doch gerade umgekehrt verhält. Im Jenseits werden all diese Machenschaften und falschen Anschuldigungen in ihrem wahren Licht erscheinen und dann wird sich die Kehrseite der Medaille zeigen. (Juusuf `Allii)

 

32. Und wenn sie sie sahen, sagten sie: „Wahrlich, das sind diejenigen, die irregehen!"

33. Doch sie sind nicht als Hüter für sie entsandt worden.16

16. Damit soll gesagt werden, dass niemand, der selbst keinen Glauben besitzt, das Recht hat, den Glauben seiner Mitmenschen zu kritisieren. (Asad)

 

34. An jenem Tag aber werden die, die mu'min sind, über die Kaafirs lachen,

35. Auf Ehrensitzen werden sie um sich blicken.

36. Wurde den Kaafirs nicht gelohnt, was sie getan haben?17

17. Die "Belohnung" ist alles andere als gut, wie wir aus den vorangegangenen Versen erfahren. Der Trost, den Allah den Mu'mins bietet, die Grausamkeiten und schmerzlichen Spott zu erdulden hatten, ist das s Paradies für die und die Hölle für die . Das war auch das einzige Versprechen, das der Prophet jenen gab, die ihr Vermögen und ihr Leben für die Sache des Islam hinzugeben bereit waren. Sieg in diesem Leben wird in den makkanischen Suuras des Qur’an nirgends erwähnt als Trost und Ansporn zum Durchhalten. Die Anhänger des Propheten sollten nur das Jenseits und das Wohlgefallen Allahs erstreben. Sie sollten bereitwillig diese Lebensreise mit all ihren Leiden und Schwierigkeiten und Entbehrungen unternehmen, ohne mit irgendeiner Belohnung in diesem Leben zu rechnen, nicht einmal mit dem Sieg für die Sache des Islam. Eine solche Gemeinschaft von y muss erst entstehen. Geschieht es aber und Allah weiß, dass sie aufrichtig und entschlossen sind, das zu tun, was sie sich vorgenommen und was sie versprochen haben, dann wird Er ihnen auch in diesem Leben Sieg zuteil werden lassen. Der Sieg wird aber nicht eine persönliche Belohnung für sie sein. Ihnen wird nur die Macht verliehen, Treuhänder für die Verwirklichung der islamischen Lebensweise zu sein. Sie werden vertrauenswürdige Treuhänder sein, denn ihnen wurde weder weltlicher Gewinn versprochen noch erwarteten sie ihn. Sie haben sich ganz und gar Allah verschrieben zu einer Zeit, als ihnen kein anderer Vorteil winkte außer dem, dass sie das Wohlgefallen Allahs erlangen würden. Alle Verse im Qur’an, in denen v n Sieg die Rede ist, wurden in Medina offenbart, als die Dinge bereits ganz anders lagen. Der Sieg wurde den zuteil, weil Allah wollte, dass den nachfolgenden Generationen ein wirkliches, eindeutiges und praktisches Vorbild der islamischen Lebensweise zur Verfügung stehe. Er war nicht der Lohn für dargebrachte Opfer oder erlittene Schwierigkeiten. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 84

In chronologischer Reihenfolge ist diese Suura eng mit der letzten verbunden. Thematisch ähnelt sie mehr den Suuras 82 und 81, mit denen sie verglichen werden sollte. Durch eine Reihe mystischer Metaphern wird uns vor Augen geführt, dass die gegenwärtige Welt mit ihren Naturerscheinungen nicht von bleibender Dauer sein und dass das göttliche Gericht mit Gewissheit kommen wird. Der Mensch sollte daher all seine Bemühungen auf die Welt der ewigwährenden, wahren Werte ausrichten. (Juusuf `Allii)

 

Die Spaltung

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Wenn der Himmel sich spaltet,

2. Und seinem Herrn gehorcht, wie es seine Pflicht ist,1

1. Diese kraftvolle Eröffnung der Suura, die vor allem die Unterwerfung unter den Willen Allahs betont, ist eine Art von Einstimmung auf das, was dann dem Menschen gesagt wird, damit er Demut vor Gott empfindet, erkennt, in welcher Lage er sich befindet, und sich seiner letztendlichen Bestimmung bewusst wird, die ihn zu Gott zurückführt. (Qutb) Wir mögen den Eindruck haben, als sei der Himmel, wie wir ihn über uns sehen - unendlich hoch, weit und grenzenlos, ewig und zeitlos - etwas Ungeschaffenes. Doch Gott hat ihn entstehen lassen und solange es Sein Wille ist, wird er bestehen bleiben, keinen Augenblick länger. Wenn Sein Befehl ergeht, wird er gehorchen und sich auflösen und verschwinden und seine Geheimnisse werden offenbar. Die Gehorsamkeitspflicht geht sogar so weit, dass sie die eigene Vernichtung mit einschließt. (Juusuf `Allii)

 

3. Und wenn die Erde geebnet wird,

4. Und alles preisgibt, was in ihr ist und völlig leer wird,

5. Und ihrem Herrn gehorcht, wie es ihre Pflicht ist,2 -

2. Die Erde ist eine Kugel, die in sich viele Geheimnisse birgt - Gold und Diamanten, Erze, Hitze, magnetische Kräfte und die Leiber von unzähligen Menschengenerationen, die in ihr begraben sind. All das wird eines Tages entleert werden. Die Erde, die wir für etwas sehr Festes und Wirkliches halten, wird ebenso wie alles andere aufgelöst und in eine wahrhaftige Wirklichkeit übergehen. (Juusuf `Allii)

 

6. O du Mensch! Du mühst dich wahrlich bis zum äußersten, bis du zu deinem Herrn zurückkehrst, und du wirst Ihm mit Sicherheit begegnen.3

3. Du Mensch, du kannst deine Lebensbedürfnisse auf der Erde nur mit harter Arbeit befriedigen. Die Art der Anstrengung kann körperlich, kann geistig und seelisch sein, sie bleibt aber immer eine Mühe. Der Abschluss aller Mühen ist aber immer der gleiche, nämlich die Rückkehr zu Gott. (Qutb)


7. Dann wird der, dem seine Aufzeichnungen in seine rechte Hand gegeben werden,

8. Bald in leichter Abrechnung zur Rechenschaft gezogen werden,

9. Und er wird froh zu seinen eigenen Leuten zurückkehren.4

4. Die Glücklichen, die ihr Leben in Güte und Wahrhaftigkeit zugebracht haben, werden eine leichte Abrechnung haben und durch Allahs Gnade weit mehr empfangen, als ihnen zusteht. Sie werden freudestrahlend zu denen zurückkehren, die im weitesten Sinne ihre Familie darstellen, das heißt zu den Rechtschaffenen, zu welcher Zeit diese auch gelebt haben mögen. (Juusuf `Allii)

 

10. Doch der, dem seine Aufzeichnungen hinter seinem Rücken gegeben werden,

11. Der wird (seine eigene) Vernichtung herbeiwünschen,5

5. Üblicherweise wird im Qur'an der Unterschied gemacht zwischen denen, die ihr Buch (der Aufzeichnungen) in die rechte oder linke Hand gegeben bekommen. Hier ist bildlich die Rede davon, dass das Buch hinter dem Rücken ausgehändigt wird, wie bei jemandem, der sich unsagbar seiner Taten schämt und dem es äußerst zuwider ist, mit ihnen konfrontiert zu werden. Für ihn ist seine eigene Vernichtung die einzige Möglichkeit der Errettung vor dem, was ihn aufgrund seiner vorausgeschickten Taten erwartet. Wenn der Mensch Zuflucht in seiner eigenen Vernichtung sucht, befindet er sich wahrlich in einer verzweifelt hilflosen Lage. Sein eigenes Nichtsein wird sein sehnsüchtigster Wunsch. (Qutb)

 

12. Und er wird in der Feuerglut brennen.

13. Denn er lebte wahrlich unbekümmert unter seinen Leuten.6

6. Ohne auch nur im geringsten ans Jenseits zu denken. (Darjabaadi)

 

14. Er dachte (wohl) nie daran, dass er überhaupt zurückkehren würde7.

7. Zu Allah. (Asad)

 

15. Doch nein! Sein Herr hat ihn sehr wohl gesehen!8

8. Allah hat ständig seine Gedanken, Taten und Gefühle beobachtet. Dieses Bild von dem Elenden, der sich während seins kurzen Erdendaseins im Kreis der Seinen allen Vergnügungen hingab und nun so großen Qualen ausgesetzt ist, hat sein Gegenstück im Glückseligen, der leichten Herzens zu seinen Leuten zurückkehrt und ein Dasein in Freuden und von ewiger Dauer, frei von jeglichen Schwierigkeiten, genießen kann. (Qutb)

 

16. O nein! Ich schwöre bei der Abenddämmerung,

17. Und bei der Nacht und dem, was sie umhüllt,

18. Und dem Mond, wenn er voll wird!9

9. Nichts in Allahs Schöpfung befindet sich im Stillstand, alles geht von einem Stadium in das andere über, wobei sich die Bedingungen und Umstände dauernd verändern, wie es schon der Grieche Heraclius in das Philosophenwort panta rhei - alles ist in Bewegung - fasste. (Asad)

 

19. Ihr werdet wahrlich von einem Zustand in den anderen übergehen.10

10. Wörtlich: ihr werdet gewiss von Etappe zu Etappe reiten, das heißt von einem Zustand des Leidens in den nächsten, so wie es euch bestimmt ist. Der Begriff "reiten" wird im Qur’an häufig verwendet, um den Übergang von einem Leidensstadium in ein anderes zu beschreiben. Überhaupt wird Reiten in Arabisch oft als Durchqueren von Gefahren und Schwierigkeiten verstanden. Diese Gefahren und Schwierigkeiten sind wie Pferde oder Maultiere zu betrachten, die es zu reiten gilt und die den Reiter in ein ihm neues, aber vorherbestimmtes Stadium tragen, so wie die Stadien im Universum, also das Zwielicht, die Nacht, der Vollmond vorherbestimmt sind, bis es schließlich zur Begegnung mit Gott kommt - einer der stilistisch so großartigen Vergleiche des Qur’an. (Qutb)

 

20. Was ist also mit ihnen, dass sie nicht den Imaan verinnerlichen?11

11. Angesichts der hohen Bestimmung des Menschen und der Tatsache, dass dieses Leben nur ein Stadium oder eine Zwischenstation in seinem Dasein ist, wäre zu erwarten, dass er begierig jede Gelegenheit wahrnehmen würde, Allahs Offenbarung entgegenzunehmen und mit Hilfe des Imaans die Höhen geistiger Weisheit zu erklimmen. Irgend etwas stimmt nicht mit seiner freien Willensentscheidung, wenn er das nicht tut. (Juusuf `Allii)

 

21. Und wenn ihnen der Qur’an vorgetragen wird, sich nicht (in Anbetung) niederwerfen?12

12. Aus Ehrfurcht und demütiger Dankbarkeit Allah gegenüber. (Juusuf `Allii)

 

22. Doch nein! Jene, die kaafir sind, verwerfen (ihn sogar) als Lüge.

23. Und Allah weiß, was sie (in ihren Herzen) hegen.

24. So verkünde ihnen eine schmerzliche Strafe,

25. Außer denjenigen, die den Imaan verinnerlichen und gute Werke tun! Ihnen wird unendlicher Lohn zuteil.

 

Einführung zu Suura 85

Dies ist eine frühe makkanische Suura, offenbart nach Suura 91 (Die Sonne). Sie befasst sich mit der Verfolgung derjenigen, die sich Allah verschrieben haben. Allah hat ein wachsames Auge auf die Seinen und - mit den Feinden der Wahrheit so verfahren, wie Er es in der Vergangenheit bereits getan hat. (Juusuf'

 

Die Tierkreiszeichen

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Beim Himmel mit den Tierkreiszeichen,l

1. Hier wird der herrliche Himmel mit seinem breiten Gürtel von Tierkreiszeichen angerufen, die, wie andere Sternbilder auch, so etwas wie die Augen der Nacht darstellen. Verbrechen mögen im Schutz der Nacht begangen werden. Doch wachen - bildlich gesprochen - zahllose Augen ständig darüber, und jeder, der Böses tut, wird für seine Missetat zur Verantwortung gezogen. (Juusuf `Allii)

Eine andere Möglichkeit der Übersetzung wäre: "Beim Himmel und seinen Burgen ..." Diese Burgen könnten die gewaltigen Himmelskörper sein, die wie große Burgen oder Paläste erscheinen. Die Bezeichnung der Himmelskörper als Burgen würde auf ihre enorme Größe und Wichtigkeit hinweisen. (Qutb)

 

2. Und dem verheißenen Tag,2

2. Dem Tag des Gerichts und der Vergeltung. Das Eintreffen dieses Tages ist nichts, worüber man irgendwelche persönliche Meinungen hegen kann, sondern etwas, das von Allah fest verheißen worden ist. (Darjabaadi)

 

3. Und beim Zeugen und Bezeugten,3

3. Abgesehen von der wörtlichen Bedeutung haben die Kommentatoren eine Reihe von Erklärungen im übertragenen Sinn angeführt, die alle im Zusammenhang mit dem Tag des Gerichts verstanden werden sollten. Bei den Zeugen kann es sich handeln um Propheten (3:81); Allah selbst (3:81 und 10:61); die Engel, die die Taten der Menschen aufschreiben (50:21); die missbrauchten Gliedmaßen der Sünder (24:24); die Aufzeichnungen der Taten (17:14) oder die Sünder selbst (17:14). Das Bezeugte können die Taten oder Verbrechen sein oder der Sünder, gegen den Zeugnis abgelegt wird. Die Anrufung all dessen bedeutet, dass der Sünder vor den Folgen seiner Taten nicht entfliehen kann. Er sollte also bereuen, Allah um Vergebung anflehen und seine Lebensweise ändern. (Juusuf `Allii)

 

4. Wehe den Gefährten der (Feuer-)Grube,4

4. Die Kommentatoren haben zur Interpretation dieser Stelle eine Reihe höchst widersprüchlicher Legenden herangezogen, um die Übeltäter geschichtlich "zu identifizieren", was ich für unnötig halte. Daraus entstand eine Sammlung von Geschichten, die von Ibraahiims, Allahs Segen und Frieden auf ihm, Erfahrung mit seinen der Götzenanbetung verschriebenen Zeitgenossen reicht (siehe 21:68-70), über die biblische Legende von Nebukadnezar, der versuchte, drei fromme Israeliten zu verbrennen, bis hin zur Verfolgung der Christen von "Nadschraan durch den König von Jemen im 6. Jahrhundert und der apokryphen Erzählung über den zoroastrischen König, der jene seiner Untertanen verbrennen ließ, die seinem Erlag, Allah erlaube die Heirat zwischen Bruder und Schwester, Widerspruch entgegensetzten. Gerade die Anonymität der Übeltäter, um die es in dem Aja geht, beweist, dass es sich hier um eine Parabel und nicht um geschichtliche oder legendäre Ereignisse handelt. Die Verfolger sind Leute, die selbst überhaupt keinen Imaan besitzen und denen es äußerst zuwider ist, Menschen mit mu’min Herzen vor sich zu sehen. Die "Feuergrube" ist ein Sinnbild der Verfolgung, wie sie bis zum heutigen Tag in verschiedenen Formen immer wieder auftritt. (Asad)

 

5. Des Feuers, voll mit Brennstoff,

6. Als sie um es herumsaßen,5

5. Die Verfolger saßen seelenruhig da und weideten sich an den Qualen ihrer Opfer, die im reichlich mit Brennstoff versorgten Feuer litten. (Juusuf `Allii)

 

7. Und sie waren Zeugen dessen, was sie den Mu’mins antaten.

8. Und sie brachten ihnen nur deshalb feindliche Gefühle entgegen, weil sie an Allah, den Allmächtigen, den Hochzupreisenden den Imaan verinnerlichten,

9. Den, Dem die Herrschaft über die Himmel und die Erde gehört. Und Allah ist Zeuge über alle Dinge.6

6. Die Mu’mins hatten keinerlei Verbrechen gegen diese Leute begangen. Sie verinnerlichten lediglich den Imaan an Allah, Dem alles Lob gebührt, Der Zeuge über das ist, was die Bereiter der Feuergrube den Mu’mins angetan haben. Dieser Aja ist ein starker Trost für die Mu’mins und eine Warnung für die hochmütigen Unterdrücker. Allah ist Zeuge und Er genügt als Zeuge. Wir fühlen, wie sich die Mu’mins über irdisches Leid hinwegheben, indem sie sich aus den Fängen menschlicher Sehnsüchte und weltlicher Versuchungen befreien. Sie hätten ohne weiteres ihr Leben retten können, indem sie sich den Bedingungen ihrer Verfolger unterwarfen. Doch welch ein Verlust wäre das gewesen, hätten sie in sich das Gefühl abgetötet für die Wertlosigkeit eines Lebens ohne Imaan, für die Hässlichkeit und Niedrigkeit eines Lebens ohne Freiheit; sofern es den Unterdrückern gelungen wäre, ihre Herrschaft über die Seelen so zu errichten, wie es über die Leiber möglich war! Doch während ihre Körper vom Feuer verzehrt wurden, gewannen sie etwas überaus Kostbares. Ihr Lohn bei Allah ist ihnen gewiss, so wie den Feinden die Vergeltung. Das erfahren wir in dieser Suura. (Qutb)

 

10. Wahrlich, jene die die mu’min Männer und Frauen in Versuchung geführt haben und sich dann nicht (Gott) reuevoll wieder zuwenden, denen wird die Strafe der Hölle zuteil, und die Strafe des brennenden Feuers7.

7. Die Verfolger verdienen die Strafe der Hölle sehr wohl, wobei das brennende Feuer sinnbildlich als brennendes Schamgefühl im Herzen bereits hier auf Erden für die begangenen Sünden und Missetaten verstanden werden könnte, als Feuer des Hasses und der Gier und des Kummers. (Juusuf `Allii)

Der Text benützt den Ausdruck "Feuer" noch zusätzlich, obwohl er im Begriff "Hölle" eigentlich enthalten ist, um es möglicherweise als diesseitigen Ausgleich für das "Feuer des Grabes" herauszustellen. Aber was für ein Ausgleich! Denn während das Feuer im Diesseits von vergleichsweise kurzer Dauer ist, dauert das Feuer des Jenseits ewig. Durch das Feuer des Diesseits, das die Mu’mins erleiden, erlangen sie Gottes Wohlwollen im Jenseits, ihre Peiniger aber kosten die Früchte ihrer bösen Saat, nämlich den Unwillen und die Strafe Allahs. (Qutb)

 

11. Wahrlich, jene die den Imaan verinnerlicht haben und gute Werke getan haben, denen werden Gärten zuteil, durch dies Ströme fließen8. Das ist die große Glückseligkeit.

8. Wörtlich: unter denen. (Anm. d. Übers.)

 

12. Wahrlich, der Zugriff9 deines Herrn ist stark.

9. Der Zugriff Allahs ist ungleich mächtiger als der irgendwelcher Menschen, das sollten die Muslime, die Leiden ausgesetzt sind, stets bedenken. (Qutb)

 

13. Er ist es wahrlich, Der erschafft und Der wiedererstehen lässt.10

10. Es besteht ein ständiger Zyklus des Erschaffenwerdens, Vergehens und Wiedererstehens, im Universum wie auf Erden. (Qutb)

 

14. Und Er ist der Verzeihende, der Liebevolle,

15. Der Herr des ruhmreichen Throns,

16. Der (stets) tut, was Ihm beliebt,11

11. Allahs Wille ist zugleich Wort und Tat. Es gibt keine Zwischenzeit zwischen beiden. Auch ändert Er Seinen Plan nicht. Nichts in dieser Welt kann Seinen Willen und dessen Durchsetzung in irgendeiner Weise beeinflussen. Das ist auf Seine Allmacht und Seinen Ruhm zurückzuführen. (Juusuf `Allii)

 

17. Ist dir die Geschichte (zu Ohren) gekommen von den Heerscharen

18. Pharaos und der Samuud?12

12. Im Gegensatz zur absoluten Allmacht Allahs werden hier zwei Beispiele menschlicher Unzulänglichkeit angeführt, nämlich Pharao, der stolze Herrscher über ein mächtiges Reich, der wegen seiner Auflehnung gegen Gott mitsamt seinen Heerscharen unterging (siehe 79:15-26); und die Samuud, die große Baumeister waren und einen hohen Zivilisationsstand erreicht hatten, sich aber gegen Allahs Gesetz vergingen und darum vernichtet wurden (siehe 7:73-79). (Juusuf `Allii)

 

19. Doch jene, die kaafir sind, verwerfen (die Botschaft Allahs) als Lüge.13

13. Sie bezeichneten den Qur’an selbst als Lüge. Wie hätten sie also aus seinen Berichten Nutzen ziehen können? (Darjabaadi)

 

20. Aber Allah wird sie von hinten erfassen.14

14. Die Kaafirs, die ständig herausschreien, dass alles Lüge sei, sind sich der Allmacht Allahs überhaupt nicht bewusst, bis diese sie umfasst und sie völlig machtlos macht. (Qutb)

Das kann auch bedeuten: "Und sie bedenken nicht, dass Allah über das, was sie verbergen, umfassend Bescheid weiß." Denn Allahs Macht und Wissen ist allseits umfassend. (Anm. d. Übers.)

 

21. Doch es ist ein ruhmreicher Qur’an,

22. Auf wohlbewahrter Tafel.15

15. Diese Beschreibung des Qur’an findet sich nur an dieser einen Stelle. Obwohl einige Kommentatoren sie wörtlich nehmen und darunter eine wirkliche "himmlische Tafel" verstehen, auf der der Qur’an für alle Zeiten niedergeschrieben ist, begreifen andere diese Stelle sinnbildlich als Anspielung auf die Unzerstörbarkeit der Schrift Allahs. Tabari und ibn Kasir sowie andere meinen, dass sich die "wohlbewahrten Tafeln" auf Allahs versprochene Worte beziehen, denenzufolge der Qur'an niemals verfälscht werden und frei bleiben wird von jeglichen Hinzufügungen, Weglassungen oder textlichen Veränderungen. Siehe auch 15:9. (Asad)

 

Einführung zu Suura 86

Diese Suura gehört der frühen makkanischen Zeit an, möglicherweise fand ihre Offenbarung nicht allzu lange nach oder vor der letzten Suura statt. Thematisch befasst sich diese Suura mit dem Schutz, der jeder Seele in den finstersten Momenten ihrer geistigen Entwicklungsgeschichte zuteil wird. Die physische Beschaffenheit des Menschen mag nebensächlich sein, doch die Seele, die Allah ihm mitgegeben hat, muss sich schließlich zu einer ruhmreichen Zukunft vorkämpfen. (Juusuf `Allii)

 

Der nächtliche Besucher

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Beim Himmel und dem nächtlichen Besucher.1

1. Manche Kommentatoren meinen, dass das, was hier als der "nächtliche Besucher" beschrieben wird, der Morgenstern ist, weil er zum Ende der Nacht erscheint, andere halten ihn für "den Stern" im Sinn einer Gattung. Wenn wir den Ursprung des hier verwendeten Wortes untersuchen, sehen wir, dass es vom Verb "taraqa" abstammt, das vornehmlich "er klopfte an" bedeutet. Im übertragenen Sinn ist es dann jemand, der nachts kommt, denn wer in der Nacht zu einem Haus kommt, von dem ist zu erwarten, dass er anklopft. In der Ausdrucksweise im Qur’an ist "At-Taariq" offensichtlich ein Sinnbild für den himmlischen Trost, der manchmal einem in tiefster Finsternis von Leid und Anfechtung umfangenen Menschen zuteil wird; oder für eine plötzliche intuitive Erleuchtung, die die Finsternis der Ungewissheit durchdringt; oder schließlich für die Offenbarung Allahs, die gleichsam an die Herzen der Menschen klopft und damit sowohl Trost wie Erleuchtung vermittelt. (Asad)

 

2. Und was lässt dich wissen, was der nächtliche Besucher ist?

3. (Es ist) der Stern von strahlender, durchdringender Helligkeit.

4. Wahrlich, jede Seele hat einen Hüter (als Schutz) über sich.2

2. Wenn der Mensch geistige Einsicht besitzt, hat er nichts zu fürchten. Er wird von Allah auf vielfältige Weise beschützt, um die er selbst nicht einmal weiß. Er mag ein unbedeutendes Geschöpf, nichts weiter als ein Lebewesen sein, doch seine Seele erhebt ihn zu einer Würde über die übrige Schöpfung hinaus. Und alle Arten von göttlichen Kräften bewachen und beschützen ihn. (Juusuf `Allii)

 

5. Darum soll der Mensch (doch einmal) betrachten, woraus er erschaffen wurde:

6. Er wurde erschaffen aus einer sich ergießenden Flüssigkeit,

7. Die hervorkommt zwischen Lende und Rippen.3

3. Allahs Schöpfungsweise ist stets dieselbe, sei es im Hinblick auf die Seele des Menschen oder die weiten Horizonte Was die menschliche Seele und das Universum verbindet, wird hier durch den Hinweis auf die planende Schöpfung Allahs, beschworen beim Himmel und dem nächtlichen Besucher, unterstrichen. Die frühen Stadien der Erschaffung des Menschen stellen einen Beweis dafür dar. Dadurch ergibt sich, dass der Mensch keineswegs etwas Vergessenes, Verlorenes, Unbedeutendes ist. So möge denn der Mensch bedenken, woher er kommt und was aus ihm geworden ist: aus der sich ergießenden Flüssigkeit wird ein intelligentes, vernunftbegabtes Wesen mit einem höchst komplizierten Organismus. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es eine Kraft gibt außerhalb des menschlichen Bereichs, die die formlose, ohnmächtige Flüssigkeit zu ihrer bemerkenswerten Reise antreibt, bis sie ihre großartige Endgestalt erreicht. All das trägt den Stempel der überwachenden, helfenden, lenkenden Hand Allahs und führt hin zur Tatsache der Wiederauferstehung. (Qutb)

 

8. Wahrlich, Er hat die Macht, ihn zurückzubringen,4

4. Allah, Der den Menschen erschaffen hat und so sehr für ihn sorgt, kann ihn gewiss wieder zum Leben bringen nach seinem Tod. Die erste Erschaffung ist ein Beweis Seiner Allmacht und Seiner wunderbaren Planung. Wenn es keine Rückkehr und Prüfung aller geheimen Beweggründe gäbe, damit jedem Gerechtigkeit widerfährt, dann wäre damit die so wunderbare, weise Erschaffung vergeblich. (Qutb)

 

9. An einem Tag, an dem das Verheimlichte geprüft wird,

10. Da wird der Mensch5 weder Macht noch Helfer haben.6

5. Wörtlich: er. (Anm. d. Übers.)

6. In dieser neuen Welt werden alle unsere Taten, Beweggründe, Gedanken und Einbildungen, denen wir in diesem Leben angehangen haben, mögen sie auch noch so gut verheimlicht worden sein ofengelegt und einer Prüfung anhand der absoluten Wahrheit unterzogen werden, nicht aufgrund verkehrter Normen, die auf Sitten beruhen oder Vorurteilen oder besonderer Vorliebe für irgend etwas. Bei dieser strengen Überprüfung werden keinerlei zufällige Vorteile dieses Erdendaseins in irgendeiner Weise zählen oder hilfreich sein. (Juusuf `Allii)

 

11. Beim Himmel (und) und der Wiederkehr,7

7. "Wiederkehr des Himmels" ist im arabischen Sprachgebrauch die Bezeichnung für den Regen, der in einem wiederkehrenden Vorgang vom Himmel herabfällt. (Qutb)

Das Firmament über uns ist stets dasselbe, und doch vollzieht sich dort ein täglicher Kreislauf, ruhig und pünktlich. Ebenso zeigt die Offenbarung die Wahrheit auf, die wie ein Kreis ihrem Mittelpunkt doch treu bleibt, die ständig dieselbe bleibt, obwohl sie unablässig sich ändernde Gegebenheiten unseres gegenwärtigen Lebens durchzieht. (Juusuf `Allii)

 

12. Und der Erde, die aufbricht,8

8. Die Erde ist hart, doch aus ihr können Quellen hervorbrechen und Pflanzen sprießen, die sie grün und weich machen. So verhält es sich auch mit der Wahrheit: mag sie oft auch hart sein für uns Sterbliche, so lässt sie es doch zu, dass unter der belebenden Offenbarung die innere Persönlichkeit heranwächst und Blüten treibt. (Juusuf `Allii)

 

13. Wahrlich, dies ist ein Wort der Unterscheidung,9

9. Zwischen dem, was gut ist und was falsch ist. (Darjabaadi)

Allah schwört bei diesen beiden Schöpfungen, bei Himmel und Erde und den Wundern, die sie beinhalten, dass der Qur’an das entscheidende Wort ist, das jedem Disput und Zweifel ein Ende setzt. Er ist das letzte Wort in einer langen Reihe von herabgesandten Ermahnungen. (Qutb)

 

14. Und es ist nicht zum Spaß.10

10. Die Offenbarung – Allahs Wahrheit - kann durch die härtesten Verkrustungen dringen, und uns jederzeit zurückbringen zum Mittelpunkt und Ziel unseres geistigen Lebens, denn sie scheidet eindeutig das Gute vom Bösen. Sie dient keinesfalls zu Spiel und Spaß, ebenso wenig wie der Himmel und die Erde. Sie hilft uns zur höchsten geistigen Selbstverwirklichung in unserem Leben. (Juusuf `Allii)

 

15. Wahrlich, sie schmieden (ihre) Pläne;

16. Doch (auch) Ich schmiede (Meine) Pläne.11

11. Diese Menschen, die aus einer sich ergießenden Flüssigkeit, hervorkommend zwischen Lende und Rippen, geschaffen werden, die zunächst einmal ohne eigene Kraft, Fähigkeiten oder Willen sind und dann durch göttliche Macht auf ihren Lebensweg geleitet werden und denen es bestimmt ist, dereinst zu ihrem Schöpfer zurückzukehren, wo alles Verheimlichte untersucht und beurteilt wird und sie weder eigene Kraft noch Unterstützung haben werden - sie also schmieden Pläne gegen unseren Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und die Muslime! Ich, der Schöpfer, Der leitet, bewahrt, gebietet und zum Leben zurückbringt und der Prüfung unterwirft, der Allmächtige, Siegreiche, Der den Himmel und den nächtlichen Besucher, die sich ergießende Flüssigkeit und den Menschen hervorgebracht hat, der Erschaffer des mit seinen ständig wiederkehrenden Gestirnen und der durch den Pflanzenwuchs aufbrechenden Erde - Ich, Firmaments Allah, schmiede Meine Eigenen Pläne. Es gibt also zweierlei Arten von Planung und einen Kampf. Doch in Wirklichkeit ist es ein einseitiger Kampf, auch wenn er hier als von zwei Seiten ausgehend beschrieben wird, wohl um uns unsere eigene Lächerlichkeit vor Augen zu führen. (Qutb)

 

17. Darum gewähre den Kaafirs getrost ein wenig Aufschub.12

12. Geduld, vertrauensvolle Hinnahme des Bösen ist ein Beweis dafür, dass wir uns in und Seinen Plan ergeben, denn er kann niemals zunichte gemacht werden. Das bedeutet nicht, dass wir das Böse unterstützen und Kompromisse damit eingehen sollten, oder dass wir es nicht niederkämpfen müssten, wo wir dazu fähig sind. Vielmehr ist es ein Zeichen für unsere Standhaftigkeit und Demut, wo uns keine offensichtliche Macht gegeben ist, das Böse zu verhindern. (Juusuf `Allii)

Begebt euch nicht überstürzt in den Kampf, wenn ihr dessen wahren Ursprung erkannt habt. Es liegt tiefe Weisheit verborgen in dem Aufschub, der ja selbst dann nur kurz ist, wenn er die gesamte Spanne des ersten Lebens andauert; denn wie kurz ist dieses Leben im Vergleich mit dem Leben von ewiger Dauer! (Qutb)

 

Einführung zu Suura 87

Dies ist eine der frühesten makkanischen Suuras, vermutlich die achte in chronologischer Reihenfolge, offenbart unmittelbar nach Suura 81.

Sie führt uns vor Augen, dass der Mensch zur geistigen Entfaltung in wohl ausgewogenen Schritten fähig ist und dass die Offenbarung Allahs ihn der Läuterung und Vervollkommnung immer näher zu bringen vermag. (Juusuf `Allii)

 

Der Allerhöchste

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Preise den Namen deines Herrn, des Allerhöchsten,1

1. Das Wort "Herr" allein ist hier eigentlich ungenügend für eine Übersetzung von "rabb".* Denn darin ist Fürsorge, Beschützen vor Schaden, Erhalten, das Gewähren von allen Mitteln und Möglichkeiten für die Entwicklung eingeschlossen (siehe auch Suura 1 Aja 2 und Fußnote 6 dazu). Man sollte also eigentlich sagen: "Preise den Namen deines beschützenden Herrn". (Juusuf `Allii)

 

2. Der erschafft und in (Vollkommenheit) ausformt,2

2. Alles was Allah geschaffen hat, ist wohlproportioniert und vollkommen. Jedem Geschöpf ist seine besondere Rolle und Rechtleitung zugeteilt, so dass es um diese Rolle weiß und sie übernehmen kann. Der Sinn seiner Erschaffung wird ihm bewusst gemacht, es bekommt, was es zu seiner Erhaltung benötigt und wird entsprechend geführt. Das sehen wir in allem um uns herum, groß oder klein, wichtig oder unbedeutend. Alles ist aber auch kollektiv vervollkommnet, damit es seine Rolle in der Gemeinschaft spielen kann. Das einzelne Atom befindet sich wohl ausgewogen zwischen Elektronen und Protonen, so wie im Sonnensystem die Sonne, die Planeten und deren Satelliten ihren wohl ausgewogenen Platz haben. Die einzelne lebende Zelle kennt die ihr zugedachte Rolle genauso wie die am großartigsten entwickelte Spezies. Das menschliche Herz erkennt diese Tatsachen, für die es überall im Universum Beweise gibt, indem es über das nachdenkt, was dort vorhanden ist. Diese Erkenntnis ist jedem Menschen unabhängig von der Zeit, in der er lebt, oder von seinem Bildungsstand durchaus zugänglich. Wachsendes Verständnis aber bestätigt die grundlegenden Wahrheiten. (Qutb)

 

3. Der Sinn gibt und rechtleitet,3

3. Er bestimmte für jedes Geschöpf seine Aufgabe, seinen Weg und sein Ziel. (Qutb)

Im Fall von rationalen Dingen geschieht die Rechtleitung durch den Verstand und durch Offenbarungen, bei nicht verstandesmäßig Erfassbarem durch Instinkt. Dies bezieht sich auch auf die dem Menschen mitgegebenen besonderen geistigen Fähigkeiten. (Darjabaadi)

 

4. Und Der das Weideland hervorbringt4

4. Siehe oben Fußnote 22 zu Suura 79 Aja 31. (Anm. d. Übers.)

 

5. Und es (dann) zu grauer Spreu macht.5

5. Im übertragenen Sinn: "Der Leben hervorbringt und den Tod herbeiführt." (Asad)

 

6. Wir werden dich lehren, (Unsere Offenbarung) vorzutragen und du wirst nichts vergessen,6

6. Wie üblicherweise gibt es auch hier zwei parallellaufende Bedeutungen:

1. Die im Hinblick auf die unmittelbare Eingebung, die dem Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, zuteil wurde, und

2. die, dass es sich um eine allgemein gültige Botschaft an die Menschheit für alle Zeiten handelt. jeder der diese Botschaft versteht, muss sie in Worten verkünden, mehr aber noch durch sein Verhalten. Dem Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, wird hier gesagt, dass - obwohl er weder lesen noch schreiben konnte - die ihm offenbarte Botschaft in seinem Herzen und in den Herzen der Menschen bewahrt werden würde. (Juusuf `Allii)

 

7. Außer was Allah will7. Wahrlich, Er weiß, was offenbar ist und was verborgen.8

7. Obwohl sich dies anscheinend an den Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, richtet, ist damit der Mensch ganz allgemein angesprochen. Gemeint ist damit, so denke ich, der kumulative Erwerb empirischen und rationalen Wissens, das von Generation zu Generation und von einem Kulturkreis zum anderen weitergereicht wird. Es wird uns gesagt, dass Allah den Mensch nach Seinem Willen gestaltet und ihm Rechtleitung versprochen hat, ihn dazu befähigen wird, jenes Wissen zu erwerben (es ihm also "einzugeben"), das die Menschheit ansammeln, überliefern und gemeinsam im Gedächtnis bewahren wird - außer dem, was Allah ihn "vergessen" (also "ablegen") lassen wird, weil es aufgrund neuer Erfahrungen und Erkenntnisse überflüssig geworden ist. (Asad)

Siehe auch 2:106 mit Fußnoten 170 und 180. (Anm. d. Übers.)

8. Auf Allahs allumfassendes Wissen wird hier hingewiesen, um das zu begründen, was geschehen ist: das Lehren des (Qur’an-)Vortrags, das Versprechen, dass nichts in Vergessenheit geraten wird und die Ausnahmen davon. All das wird in Einklang mit der Weisheit des Einen entschieden, Der das Offenbare und Verborgene kennt. Er betrachtet alles von sämtlichen Blickwinkeln aus und trifft die Entscheidung jeweils auf der Grundlage Seines unfehlbaren Wissens. (Qutb)

 

8. Und Wir werden dir den leichten (Weg) leicht machen.9

9. Der Weg des Islam ist einfach und leicht. Er beruht weder auf unerklärlichen Mysterien noch auf unnützer Selbstverleugnung, so ein auf gradlinigem, menschenwürdigen Verhalten in Übereinstimmung mit den Gesetzen der menschlichen Natur, wie `sie uns mitgegeben hat. Andererseits kann geistige Vollkommenheit überaus schwer zu erlangen sein, weil sie unsere völlige Ergebung in all unseren Angelegenheiten, unserem Denken und unseren Wünschen in voraussetzt; nach dieser Ergebung jedoch wird Allahs Gnade uns diesen Weg ganz leicht machen. (Juusuf `Allii)

Wenn der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, vor der Wahl stand, dann entschied er sich stets für die leichtere Alternative. Und wenn er mit seiner Familie zusammen war, war er der umgänglichste Mensch, stets lächelnd und scherzend. Untersucht man den Islam sorgfältig, so wird man finden, dass er für alle leicht zu befolgen ist und niemanden überfordert. (Qutb)

 

9. Darum ermahne, wenn immer die Ermahnung von Nutzen ist.

10. Ermahnen ,wird sich (aber nur) lassen, wer (Allah) fürchtet.10

10. Nutzen zu ziehen aus der Ermahnung vermag aber nur der Mutaqi. (Darjabaadi)

 

Einführung zu Suura 88

Diese Suura wurde wahrscheinlich um die Mitte der makkanischen Zeit offenbart. Sie befasst sich vornehmlich mit den schicksalhaften Folgen von Gut und Böse im Jenseits - an dem Tag, wenn das tatsächliche Gleichgewicht wieder hergestellt wird. Die Zeichen Allahs, die uns bereits hier auf Erden zuteil werden, sollten uns den Tag der Abrechnung ständig in Erinnerung bringen, denn Allah ist gut und gerecht und Seiner Schöpfung liegt ein gerechter Zweck zugrunde. (Juusuf `Allii)

 

Die Verhüllende

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Ist dir (nicht) die Geschichte der verhüllenden (Stunde zu Ohren) gekommen?1

1. Das Ding oder Ereignis, das überschattet oder überwältigt, das verhüllt oder die Menschen in Ohnmacht versetzt; in 12:107 wird es als "verhüllender Schleier des Zorns ALlahs" bezeichnet. Das alles bezieht sich auf den Tag des Jüngsten Gerichts, da dies ein Ereignis von überwältigender Bedeutung ist, in dessen Verlauf all unsere lächerlichen Meinungsverschiedenheiten in dieser unvollkommenen Welt eingehüllt und überwältigt sein werden von einer neuen Welt der vollkommenen Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. (Juusuf `Allii)

 

2. (Manche) Gesichter werden an jenem Tag den Ausdruck der Demütigung tragen.2

2. Es wird uns gesagt, dass an diesem Tag manche Gesichter demütig, abgemüht und von Anstrengung gezeichnet sein werden, weil deren Besitzer sich zwar abgemüht haben, ohne aber zu befriedigenden Ergebnissen zu gelangen, weil sie sich für etwas anderes abgeplagt haben als die Sache Allahs. All ihr Wirken galt ihnen selbst, ihren Familien und ihren weltlichen Bestrebungen. Wenn sie die Früchte ihrer Anstrengungen zu ernten hoffen, wird ihnen klar, dass sie keinerlei Vorsorge für das künftige Leben getroffen haben. So sehen sie ihrem Ende mit einem Gemisch aus Gefühlen der Demütigung, Erschöpfung, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit entgegen. (Qutb)

 

3. Sich abmühend und von Anstrengung gezeichnet,

4. Werden sie im glühenden Feuer brennen.

5. Zu trinken bekommen sie aus einer siedenden Quelle.

6. Keine andere Speise werden sie dort haben außer bitterem Dornenkraut,3

3. Diese Art von höllischen Getränken und Speisen steht sinnbildlich für völlige Hoffnungslosigkeit und Erniedrigung. (Asad)

 

7. Das weder nahrhaft ist noch den Hunger stillt.4

4. Es liegt auf der Hand, dass wir, die wir in dieser Welt leben, die Leiden und Qualen des Jenseits nicht voll begreifen können. Diese Beschreibungen werden gegeben, um unserem menschlichen Vorstellungsvermögen das Gefühl des größtmöglichen Schmerzes zu vermitteln, das aus einer Kombination besteht von Erniedrigung, Schwäche, Misserfolg, glühend heißem Feuer, Trinken und Baden in kochendem Wasser und Essen von Nahrung, die selbst für Kamele unbekömmlich ist. Aus all dem formt sich vor unserem geistigen Auge das Gefühl der äußersten Heimsuchung. Doch die Heimsuchung des Jenseits ist noch viel größer. Was sie wirklich bedeutet, lernen nur die begreifen, die sie tatsächlich erfahren müssen. Mögen wir nie zu jenen gehören! (Qutb)

 

8. (Andere) Gesichter werden an jenem Tag freudig sein,

9. Wohl zufrieden mit ihren Bemühungen,5

5. Man beachte den Gegensatz zwischen dem Schicksal der Sünder und dem der Rechtschaffenen, zwischen den von Demütigung gezeichneten Gesichtern und denen, die vor Freude strahlen! (Juusuf `Allii)

 

10. In einem hochgelegenen Garten.

11. Kein unnützes Gerede werden sie dort hören.6

6. Die Glückseligen erfreuen sich des wunderbaren Gefühls der Zufriedenheit mit dem, was sie auf Erden getan haben. Dass sie in ihrem herrlichen Garten kein unnützes Gerede mit anhören müssen, vermittelt ein Gefühl der Ruhe und Geborgenheit, des Friedens und der Zuneigung unter den dort Weilenden. In Erinnerung an das ständige Geschwätz, die immer größere Ausmaße annehmenden Streitereien auf Erden, können sie sich nun endlich in Ruhe und Frieden völlig entspannen. (Qutb)

 

12. Dort wird eine sprudelnde Quelle sein.

13. Dort werden erhöhte Ruhelager sein,

14. Und bereitgestellt Pokale,

15. Und Kissen in Reihen,

16. Und hingebreitete (feine) Teppiche.

17. Und schauen sie nicht auf die regenbeladenen Wolken7, wie sie erschaffen sind,

7. Das Wort "Al-Ibil" الْإِبِل bedeutet in der Regel Kamele; es ist ein Pluralwort, das keine Singularform besitzt. Aber es bedeutet auch Wolken, die Regenwasser mit sich führen, was hier vorzuziehen ist, weil sich sonst dieser Vers vornehmlich an die arabischen Zeitgenossen des Propheten richten würde, für die das Kamel stets ein bewunderungswürdiges Geschöpf war wegen seiner außerordentlichen Ausdauer und des vielfältigen anderen Nutzens, der sich aus ihm ziehen lässt (Reiten, Beladen, Melken, Wollgewinnung). Der Qur’an wendet sich aber an die Menschen zu allen Zeiten und überall auf der Welt. Überdies passt in diesem Zusammenhang das Wort Wolken weitaus besser, weil es sich als Anspielung verstehen lässt auf den wunderbaren ewigen Kreislauf des Wassers. (Asad)

 

18. Und auf den Himmel, wie er erhöht ist,

19. Und auf die Berge, wie sie aufgerichtet sind,

20. Und auf die Erde, wie sie ausgebreitet ist?8

8. Wir sollten wenigstens einmal kurz innehalten, um darüber nachzudenken, in welcher Vollkommenheit uns hier das Universum und unsere Erde vor Augen geführt wird. Der Qur’an wendet sich an das religiöse Bewusstsein des Menschen in einer Sprache von überwältigender Schönheit. Er lenkt unsere Aufmerksamkeit vom hohen Himmel zur ausgebreiteten Erde, vor deren grenzenlosem Horizont die Berge fest gefügt sind. Nachsinnen über all dies regt den Geist an und bewegt die Seele dazu, ihren Schöpfer anzuerkennen. (Qutb)

 

21. Darum warne, denn du bist wahrlich ein Warner,

22. (Doch) du hast keine Gewalt über sie.9

9. Der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, hat keine Gewalt über die Herzen der Menschen und kann sie nicht zum Islam zwingen. Die Herzen der Menschen sind allein in der Hand Allahs, des Barmherzigen. Der Dschihaad, der Kampf für die Sache Allahs, der später dem Propheten und allen Muslimen zur Pflicht gemacht worden ist, hatte nicht die gewaltsame Bekehrung der Menschen zum Ziel. Sein einziger Zweck ist, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, so dass der Ruf des Islam frei übermittelt werden kann und die Menschen nicht davon abgehalten werden, ihn zu hören, oder Verfolgung ausgesetzt sind, wenn sie es tun. Jene, die den Aufruf des Islam verbreiten, haben nicht die Verantwortung dafür zu tragen, ob er befolgt wird. (Qutb)

 

23. Nur wer sich abgewendet und (Allah) verleugnet hat,

24. Den wird Allah mit einer gewaltigen Strafe belegen.

25. Wahrlich, zu Uns wird ihre Rückkehr sein,

26. Dann obliegt es fürwahr Uns, sie zur Rechenschaft zu ziehen.

 

Einführung zu Suura 89

Dies ist eine der frühesten offenbarten Suuras, sie gehört wahrscheinlich zu den ersten zehn in chronologischer Reihenfolge.

Ihre mystische Bedeutung spiegelt sich in Gegensätzen wider - Gegensätzen in der Natur und der langen Geschichte des Menschen. So ermahnt sie "jene, die begreifen" zum Glauben ans Jenseits. Die Geschichte des Menschen und die legendären Überlieferungen zeigen, dass Größe nicht von Dauer ist und dass der Stolze zu Fall gebracht wird. Um geistige und ethische Wahrheiten herauszustellen, ist die genaueste Geschichtsschreibung auch nicht besser als Legenden. Kunstfertig gestaltete Geschichte ist eigentlich Legende, weil sie stets von einem bestimmten Gesichtspunkt aus verfasst wird. Der Mensch lässt sich nur allzu leicht durch wechselnde Geschicke entmutigen, und doch ist er unfähig,,, daraus Geduld und Nachsicht mit anderen zu lernen, was schließlich zu einem Ehrenplatz im Jenseits führen muss. Wenn all das, woran er hier auf Erden sein Herz gehängt hat, zunichte geworden ist, dann wird er die wahre Herrlichkeit und Macht, Liebe und Schönheit Gottes erkennen, die das Licht des Paradiesgartens ausmachen. (Juusuf `Allii)

 

Die Morgendämmerung

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Bei der Morgendämmerung1,

1. Vier stark ins Auge fallende Gegensätze werden hier angeführt, um Allahs Allmacht und Gerechtigkeit aufzuzeigen und jene zu mahnen, "die begreifen". Der erste ist das großartige Wunder des Tagesanbruchs. Er folgt unmittelbar auf die finsterste Nacht, wenn die ersten Lichtstrahlen hervorbrechen. Wenige Menschen, nur die, die mit der Natur ganz eng verbunden sind, vermögen diese überwältigende Kraft zu spüren. Was sowohl die Schönheit wie den Schrecken, die Hoffnung und die Eingebung, die Plötzlichkeit und die ständige Zunahme an Licht und Freude angeht, mag diese "geheiligte Zeit" der Nacht für eine Art des geistigen Erwachens aus der Finsternis zum Glauben, vom Tod zur Wiederauferstehung stehen. (Juusuf `Allii)

 

2. Und bei den zehn Nächten,2

2. Der Qur’an legt nicht fest, um welche Nächte es sich hier handelt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. So könnten es die ersten Tage des Pilgermonats oder Tage im Mucharram, oder aber die letzten zehn Tage des Ramadaan sein. (Qutb)

Der Tagesanbruch steht offenbar symbolisch für das geistige Erwachen des Menschen. Daher beziehen sich die "zehn Nächte" (wahrscheinlich) auf das letzte Drittel des Monats Ramadaan im Jahr 12 vor der Hidschra, in deren Verlauf Muchammad, Friede sei mit ihm, seine erste Offenbarung erhielt und so zum geistigen Erwachen der Menschheit beitrug. (Asad)

 

3. Und beim Geraden und Ungeraden,3

3. Der Gegensatz zwischen Gerade und Ungerade wird häufig in gelehrsamen Diskussionen unter denen erörtert, die sich mit der mystischen Bedeutung von Zahlen befassen. Jedenfalls folgen gerade und ungerade regelmäßig aufeinander, jedes ist unabhängig und doch ist keines ohne das andere vollständig. Letzten Endes bildet jede gerade Zahl ein Paar zusammen mit einer ungeraden. Und alles ist paarweise vorhanden. Siehe auch 36:36. In der Welt des Lebewesen sind beide zwar Einzelgeschöpfe, doch ergänzen sie sich gegenseitig. Sowohl abstrakte wie konkrete Dinge werden oft erst aus einem Vergleich mit ihrem Gegensatz oder Gegenteil verstanden. Warum sollten also nicht auch wir in geistigen Dingen dieses Leben besser verstehen, wenn wir es dem Jenseits gegenüberstellen, und warum sollten wir ans Jenseits nicht glauben ganz einfach weil wir uns nichts anderes als unser gegenwärtiges Leben vorstellen können? (Juusuf `Allii)

 

4. Und bei der Nacht, wenn sie vergeht,4

4. Dies bezieht sich auf den letzten Seil der Nacht, unmittelbar bevor das volle Tageslicht anbricht. Man beachte die Abstufungen geistigen Erwachens und ihre Symbole: erstens das Ende der Nacht, wenn die ersten Strahlen des Tageslichts sich bemerkbar machen; zweitens die sozialen und institutionellen religiösen Riten wie jene der zehn Nächte während der Pilgerfahrt; drittens der Zeitpunkt, wenn der gewohnte Gegensatz zwischen dem Diesseits und Jenseits verschwindet und wir den Himmel sogar hier erblicken können; und schließlich wenn diese Welt untergeht, das volle Tageslicht erscheint und wir uns der Wirklichkeit von Angesicht zu Angesicht gegenübersehen. (Juusuf `Allii)

 

5. Liegt nicht in all dem eine Beschwörung für den, der Verstand hat?5

5. Alle diese mystischen Symbole lenken wie Beschwörungen unsere Aufmerksamkeit auf das größte Mysterium unseres Innenlebens: wie wir aus den tiefsten Tiefen der Finsternis - nämlich der Unwissenheit oder gar der Verdorbenheit - durch Allahs wunderbares Licht - nämlich Seine Offenbarung - in den herrlichsten Sonnenschein des geistigen Tages geführt werden können. Aber das Aufzeigen der Gegensätze deutet auch an, dass ein umgekehrter Prozess stattfinden kann, indem wir durch Widerstand gegen Allahs Licht uns selbst völlig der Zerstörung preisgeben und es zulassen, dass unsere menschliche Größe verloren geht, so wie es mit dem Volk der `Ad und der Samuud in der arabischen Frühgeschichte geschehen ist und mit mächtigen, aber anmaßenden und kaafir Herrschern wie dem Pharao von Ägypten. Wie jemand mit eingeengtem Horizont begreift der Durchschnittsmensch diese tiefen Geheimnisse des Lebens nicht. Darum können wir nur darum beten, dass wir unter jenen sein mögen, die Verstand haben. (Juusuf `Allii)

 

6. Hast du nicht gesehen, wie dein Herr mit (dem Volk der) 'Ad verfuhr -

7. Aus (der Stadt) Iram voll von Säulenbauten,

8. Derengleichen nirgendwo im Land errichtet worden ist?

9. Und mit (dem Volk der) Samuud, die in (ihrem) Tal die Felsen aushöhlten,

10. Und mit Pharao, dem Herrn der Pfähle?

11. Die (alle) im Lande das Maß Allahs überschritten haben,

12. Und viel Unheil darin gestiftet haben,

13. Darum hat dein Herr sie mit geißelnder Strafe überschüttet,

14. Denn dein Herr ist wahrlich ständig auf der Wacht.6

6. Die Frageform ist in diesem Zusammenhang besser dazu geeignet, die Aufmerksamkeit des Angesprochenen zu wecken, das heilst in erster Linie die unseres Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, doch dann die all jener, die über das Schicksal jener Völker der Vergangenheit nachzudenken bereit sind. Die Menschen zu Zeiten des Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, an die sich der Qur’an zunächst wandte, wussten sehr wohl, was mit diesen Völkern geschehen war, denn es gab zahlreiche Berichte und Geschichte darüber, die von Generation zu Generation erklärt und weitergegeben worden waren. Diese Beschreibungen über ihr von Allah herbeigeführtes Schicksal waren ein Trost für die Muslime, insbesondere für die aus Mekka, die zu der Zeit, als diese Suura offenbart wurde, von gnadenloser Verfolgung und Heimsuchung durch die Kaafirs gepeinigt wurden. Diese kurzen Ajas befassen sich mit dem Schicksal der mächtigen und despotischen Völker der Frühgeschichte. Es ist die Rede von einem ganz frühen Stamm der `Ad von Iram, einem Zweig der ausgestorbenen Araber. Sie bewohnten die Gegend von Achqaf, einer Sandwüste im südlichen Arabien, auf dem halben Weg zwischen dem Jemen und Hadramaut. Die 'Ad waren ein Nomadenvolk, das Pfosten und Pfähle zur Errichtung seiner Zelte benutzte. An anderer Stelle im Qur’an werden die `Ad als überaus mächtig und angriffslustig beschrieben. Sie waren auch in der Tat der mächtigste und angesehenste Stamm unter den zeitgenössischen Arabern. "Derengleichen nirgendwo im Land errichtet worden sind", das heißt nicht zu jener Zeit. Die Samuud lebten im felsigen Al-Hitr im nördlichen Arabien, an der Strasse von Medina nach Syrien. Sie taten sich besonders dadurch hervor, dass sie ihre Paläste und Häuser unter Verwendung von Felsen erbauten und Höhlen in die Berge gruben. "Und Pharao, der Herr der Pfähle" - dabei beziehen sich die Pfähle wohl auf die Pyramiden, weil diese so fest waren in ihrer Struktur wie ganz tief in den Boden getriebene Pfähle. Der Pharao, um den es hier geht, ist der zu Muusas, Allahs Segen und Frieden auf ihm, Zeiten lebende Despot. Sie alle überschritten im Lande das von Gott vorgegebene Mass und führten als unvermeidliche Folge ihrer Tyrannei den Verfall herbei. Denn Unterdrückung macht alle menschlichen Bande zunichte und bringt so Verderben sowohl über den Tyrannen, wie über seine Untertanen. Als Folge dieser Untaten kam harte Strafe über die Missetäter. Der Muslim, der zu irgendeiner Zeit der Tyrannei ausgesetzt ist, erfährt große Beruhigung und Trost, wenn er Kenntnis erhält vom Schicksal jener Völker und bedenkt, dass sein Herr alles beobachtet. Diese Berichte haben einen tiefen Sinn, nämlich die Muslime zu erziehen und darauf vorzubereiten, das geduldig hinzunehmen, was Allah für sie vorgesehen hat. (Qutb)

 

15. Und der Mensch, wenn ihn sein Herr geprüft hat und Er ihm Ehre und Gnade zuteil werden ließ, spricht dann: „Mein Herr hat mir Ehre erwiesen."7

7. Man vergleiche Allahs Gerechtigkeit und aufmerksame Fürsorge mit der Selbstsucht und Kleinlichkeit des Menschen. Allah prüft sowohl durch Wohlergehen wie durch ein missliches Geschick. Dabei sollen wir im einen Fall Demut und Freundlichkeit an den Sag legen, im anderen Geduld und Imaan. Doch genau das Gegenteil tritt ein. Wenn es uns wohl ergeht, werden wir stolz und anmaßend, geht es uns aber schlecht, stellt sich tiefe Niedergeschlagenheit ein. So messen wir den guten Dingen der Welt einen völlig falschen Wert bei. (Juusuf `Allii)

 

16. Doch wenn Er ihn prüft und ihm seine Nahrung knapp bemisst, dann spricht er: „Mein Herr hat mich erniedrigt."8

8. Der Mensch betrachtet das Nichtvorhandensein oder den Verlust von Überfluss nicht als Prüfung, sondern als Beweis göttlicher "Ungerechtigkeit" - wodurch er sich womöglich dazu hinreißen lässt, Allahs Existenz überhaupt zu leugnen. (Asad)

"Nahrung" kann im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinn verstanden werden. Allah versorgt alle, doch die Menschen beklagen sich, wenn ihre Versorgung knapp bemessen oder auf ihre Bedürfnisse und Lebensumstände beschränkt wird und sich dadurch verringert oder nicht ihren Wünschen oder Erwartungen entspricht, beziehungsweise sich von der der anderen. die in unterschiedlichen Verhältnissen leben, unterscheidet. (Juusuf `Allii)

 

17. Doch nein, keineswegs! Ihr haltet die Waisen nicht in Ehren,

18. Und ermutigt einander nicht dazu, den Bedürftigen zu speisen,9

9. Doch selbst wenn wir unsere eigenen Wertmassstäbe anlegen: Sind wir bereit, sofern wir im Überfluss leben, an die vaterlosen Kinder oder die ums Überleben kämpfenden Armen zu denken? Ganz im Gegenteil, allzu viele Menschen sind bereit, das Erbe der hilflosen Waisen zu unterschlagen und ihre eigene Versorgung in Ausschweifungen zu verschwenden, anstatt damit die tatsächlichen Bedürfnisse anderer zu stillen. (Juusuf `Allii)

 

19. Und zehrt das (euch anvertraute) Erbe ganz und gar auf,10

10. Erbe kann auf zweierlei Art missbraucht werden.

1. Beschützer und Treuhänder des Erbes von Minderjährigen oder Menschen, die ihre eigenen Interessen nicht wahrnehmen können, sollten das ihnen Anvertraute noch sorgfältiger hüten als ihren eigenen Besitz. Stattdessen jedoch verschlingen sie das Eigentum ihrer Schutzbefohlenen selbstsüchtig.

2. Aber auch jene, die selbst erben, sollten sich dessen erinnern, dass das Erbe ein geheiligtes Vermächtnis darstellt. Sie müssen es für die Zwecke, Absichten und Aufgaben verwenden, die sie ja eigentlich mitgeerbt haben. Sie haben keineswegs das Recht, das

Ererbte in Untätigkeit zu verprassen. (Juusuf `Allii)

 

20. Und ihr liebt (euren) Besitz mit unmäßiger Liebe.

21. Doch nein! Wenn die Erde zu Staub zermalmt wird,

22. Und dein Herr kommt und die Engel, Reihe um Reihe,

23. Und (vor Augen) gebracht wird an diesem Tage die Hölle, dann wird sich an jenem Tage der Mensch erinnern, doch was nützt ihm dann die Erinnerung?

24. Er wird sagen: "Wehe mir! Hätte ich doch (Gutes) für mein (künftiges) Leben vorausgeschickt!"

 25. Denn niemand bestraft so, wie Er an diesem Tage bestrafen wird,

26. Und niemand bindet so fest, wie Er festbinden wird.11

11. Nach der Bloßlegung der völlig verkehrten Auffassung von der Prüfung durch Reichtum oder Armut folgt eine furchtbare Warnung vor dem Sag des Jüngsten Gerichts, wenn die Prüfungsergebnisse bekannt sein werden. Die vollkommene Vernichtung all dessen, was auf Erden ist und die unaufhaltsame Einebnung gehören zu den umwälzenden Ereignissen, die am Sag der Auferstehung im Universum stattfinden werden. Obwohl es keine Erklärung für das Kommen Allahs und der Engel gibt, vermittelt diese Ankündigung Ehrfurcht und ängstliche Erwartung. Dies trifft ebenso auf die Hölle zu, die dann ihren künftigen Bewohnern ganz nahe sein wird. Was tatsächlich geschehen wird und wie es geschieht, ist Bestandteil des Wissens Allahs, das Allah bis zu diesem Tag zurückzuhalten wünscht. Mit all dem vor dem geistigen Auge - der eingeebneten Erde, Allah auf dem Richterstuhl, die Engel in Reihen aufgereiht und der Hölle in Sichtweite - erinnert sich der Mensch nun plötzlich. Der Mensch, der nie darüber nachgedacht hat, was für eine Prüfung in weltlichen Gütern liegen könnte oder in auferlegten Entbehrungen, der gierig das Erbe von Waisen verschlang, der sich in dem Wunsch nach Geld verzehrte, ohne sich um die Bedürfnisse der Waisen und Armen zu kümmern, der unterdrückte, Unordnung stiftete und sich von der Rechtleitung Allahs abwandte, dieser Mensch wird sich nun der Wahrheit erinnern und erkennen, was vor ihm liegt. Doch dann wird es zu spät sein. Denn die Zeit des sich Erinnerns ist vorbei - die Erinnerung am Tag der Auferstehung nützt überhaupt nichts mehr. Sie wird nur noch die Scham darüber vergrößern, dass eine dargebotene Chance zu Lebzeiten nicht ergriffen worden ist. Wenn der Mensch sich dann so vollkommen klar ist über seine tatsächliche Lage, wird er sich verzweifelt fragen, warum er nicht für das Leben im Jenseits vorgesorgt hat, das ja doch das wahre Leben ist. Aber jetzt bleibt ihm nur Kummer und Bedauern. Die Bezugnahme auf die Strafe Allahs, darauf, dass niemand so festbindet wie Er, mag eine Anspielung sein auf menschliche Tyrannei, wie sie uns am Beispiel der `Ad und Samuud und Pharaos vor Augen geführt worden ist. Denn was sie den Untertanen antaten, welches Unheil sie anrichteten, einschließlich der Verhängung von Folterungen, der Fesselung durch Ketten und Stricke, ist gar nichts im Vergleich zu dem, was der Schöpfer Seinen ungehorsamen Geschöpfen ankündigt. So mögen also die Tyrannen fortfahren in ihren Grausamkeiten - dereinst werden sie Strafen zu erleiden haben, die ganz und gar unvorstellbar sind. (Qutb)

 

27. (Du aber), o Seele in Ruhe (und Frieden),

28. Kehre zurück zu deinem Herrn, wohl zufrieden, (weil) Er (mit dir) zufrieden ist.

29. So tritt ein unter Meine Diener,

30. Und tritt ein in Mein Paradies.12

12. Wie sanft, liebevoll und tröstlich wird hier die im Frieden ihrer irdischen Taqwa Seele willkommen geheißen und aufgefordert, mit jenen Dienern Allahs, denen Gnade zuteil wird, in das Paradies Allahs einzutreten. Es ist die Seele, die mit glücklichen Lebensumständen auf Erden ebenso zufrieden war wie mit Prüfungen. Nun sonnt sie sich im majestätischen Angesicht Allahs.. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 90

Dies ist eine frühe makkanische Offenbarung. Sie behandelt die mystische Verbindung des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, mit der Stadt Mekka. Er wurde in einer Stadt geboren, die schon seit ewigen Zeiten als heilig galt. Er wurde n dieser Stadt großgezogen und konnte sich dort frei bewegen, weil er einer vornehmen Familie entstammte, in deren Händen die Überwachung der heiligen Stätten lag. Andererseits war er ein Waisenknabe und Waisen hatten es besonders schwer zu dieser Zeit. Er hatte sich Dingen Allahs zugewandt, begehrte auf gegen den vorherrschenden Götzendienst und die Sündhaftigkeit und die Bewohner seiner Vaterstadt verfolgten ihn deshalb und vertrieben ihn schließlich. So machte er Jatrib zu seiner Stadt - der "Madinat - Un-Nabi", der Stadt des Propheten. Bis heute heißt sie Medina, man spricht davon, dass sie das "Kind" des Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sei. Doch in seinem Herzen blieb der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, seiner Vaterstadt in Liebe verbunden und als die Zeit reif war, wurde ihm dort ein triumphaler Einzug bereitet. Er reinigte die Stadt von sämtlichen Götzen und Verwerflichkeiten und setzte stattdessen erneut die Anbetung des Einen Wahren Gottes ein. Er entthronte die selbstsüchtige, materialistisch ausgerichtete Autokratie und übergab das Zepter wieder den Rechtschaffenen, sorgte für die Befreiung der Sklaven und die Rechte der Armen und Unterdrückten. Was für eine wunderbare Entwicklung hat diese Stadt durchgemacht! Sie wurde damit zum Symbol der geistigen Geschichte dieser Welt. (Juusuf `Allii)

 

Die Stadt

Im Namen Allahs , des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Nein! Ich schwöre bei dieser Stadt,1

1. Die Suura beginnt mit einer machtvollen Beschwörung. Dabei ist die Stadt Mekka mit dem geheiligten Haus Allahs gemeint, das auf Erden errichtet wurde als Ort des Friedens, wo die Menschen ihre Waffen niederlegen und ihre Streitigkeiten vergessen können, wo selbst Pflanzen, Vögel und alle anderen Geschöpfe in Sicherheit sind. (Qutb)

 

2. Und du bist ein freier Bürger2 dieser Stadt,

2. Die klassischen Kommentatoren vertreten die Ansicht, dass damit Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, gemeint ist, der in der Stadt Mekka als freier Bürger ansässig war. Doch scheint mir gleichzeitig eine noch umfassendere Bedeutung angezeigt: Man könnte nämlich durchaus anstelle von "dieser Stadt" auch übersetzen "dieses Landes" oder "dieser Erde". Dann würde sich das "du" auf den Menschen ganz allgemein beziehen und somit würde die Beschwörung die gesamte irdische Umwelt des Menschen mit einschließen. (Asad)

 

3. Und bei dem Vater und dem, was er zeugt,3

3. Dies könnte ein besonderer Hinweis sein auf Ibraahiim und Ismaa'iil (Allahs Friede sei mit ihnen) und ein Zusatz zu der Beschwörung der Stadt und des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, der sie bewohnte, also auf ihren ersten Erbauer und seinen Nachkommen. (Qutb)

Nach Tabari betrifft der Aja jeden Elternteil und dessen Nachkommenschaft, das heißt das Menschengeschlecht von Anbeginn bis zum Ende, wobei der "Zeugende" sowohl für den männlichen wie für den weiblichen Elternteil steht. (Asad)

 

4. Wir haben wahrlich den Menschen zum Erdulden erschaffen.

5. Meint er denn, dass niemand Macht über ihn habe?4

4. Der Mensch ist geboren, um sich abzumühen und zu kämpfen. Wenn er Härten zu erdulden hat, muss er sie in Geduld ertragen; dann wird Allah ihm den Weg ebnen. Besitzt der Mensch dagegen Reichtum, Einfluss und Macht, dann sollte er sich nicht benehmen, als sei ihm dies alles auf ewig zugedacht, als trage er keine Verantwortung für sein Handeln und könne tun, was ihm beliebt. Alle Gaben sind eine Prüfung für ihn. Allah, Der sie ihm verliehen hat, kann sie ihm wieder entziehen, und Er wird dies tun, wenn der Mensch seine Prüfung nicht besteht. (Juusuf `Allii)

 

6. Er (mag) sagen: „Ich habe Besitz in Unmengen verschwendet."5

5. Womit gesagt werden soll, dass er seine Mittel und damit auch seine Möglichkeiten für unerschöpflich hält. "Er" steht hier für den Menschen ganz allgemein, also für die Menschheit. Das großsprecherische Gehabe ist charakteristisch für den weit verbreiteten Diin, insbesondere zu Zeiten des religiösen Niedergangs, dass dem menschlichen Machtstreben keine Grenzen gesetzt sind und dass daher seine weltlichen "Interessen" das einzige Kriterium für richtig oder falsch sind. (Asad)

 

7. Meint er denn, dass niemand ihn sieht?6

6. Meint er also, dass er einzig und allein sich selbst gegenüber verantwortlich ist? (Asad)

 

8. Haben Wir denn nicht für ihn zwei Augen gemacht,

9. Und eine Zunge und zwei Lippen,7

7. Die Augen verleihen uns die Fähigkeit zu sehen, im wörtlichen ebenso wie im übertragenen Sinn. Auf gleiche Weise können wir mit der Zunge schmecken; zusammen mit den Lippen vermögen wir auch mit ihr zu sprechen, um Auskunft zu bitten und Rechtleitung zu suchen, sowie Allah zu lobpreisen. (Juusuf `Allii)

 

10. Und ihm die beiden wichtigen Wege aufgezeigt?8

8. Die beiden wichtigen Wege oder "Hauptstraßen" des Lebens sind

1. der steile und schwierige Pfad der Tugend, der in den folgenden Ajas noch genauer beschrieben wird, und

2. der bequeme Weg des sich Gehenlassens und der Lasterhaftigkeit, also der Abwendung von Allah, über dessen Konsequenzen in den Ajas 19 und 20 noch weiter nachzulesen ist. Allah hat uns nicht nur die Fähigkeiten mitgegeben, die im Gebrauch der Augen, der Zunge und der Lippen liegen, sondern uns auch Urteilskraft verliehen, mit deren Hilfe wir unseren Weg wählen können. Und Er hat uns Lehrer und Begleiter für unsere Lebensreise geschickt, denen Er Offenbarungen zuteil werden ließ, damit sie uns den richtigen, wenn auch schwierigen Weg zeigen können. (Juusuf `Allii)

 

11. Doch er hat nicht den steilen Weg eingeschlagen.

12. Und was lässt dich wissen, was der steile Weg ist?9

9. Der steile Weg, den der Mensch - mit Ausnahme jener, die sich gegenseitig im Imaan unterstützen - gar nicht erst versucht zu erklimmen, so dass er vom Paradies getrennt bleibt. Schlägt er ihn aber ein, so führt er ihn geradewegs dorthin. Eine solche Erklärung dient als starker Ansporn für das menschliche Herz, die Herausforderung anzunehmen, da ihm der steile Weg ja durchaus vorgezeichnet ist. Wie wichtig es ist, diesen Weg im Angesicht Allahs in Angriff zu nehmen, sollte er begreifen, denn abmühen muss er sich in jedem Fall im Leben. Müht er sich jedoch auf diese Weise ab, dann wird die Anstrengung letztendlich nicht umsonst sein, sondern zu einem großartigen Ergebnis führen. (Qutb)

 

13. Die Befreiung eines Sklaven,10

10. Was die Befreiung angeht, so bezieht sich dies nicht nur auf legale Sklaverei, die glücklicherweise in allen zivilisierten Ländern abgeschafft ist, sondern auf die vielen anderen Formen von Versklavung, die sich insbesondere in so genannten fortschrittlichen Gesellschaftssystemen finden lassen. So gibt es beispielsweise politische Sklaverei, industrielle Versklavung, gesellschaftliche Sklaverei. Doch auch die Versklavung durch Konventionen, Unwissenheit und Aberglauben darf nicht übersehen werden, ebenso wenig wie die Versklavung durch Geld, Leidenschaften oder Macht. Der gute Mensch bemüht sich darum, Männer, Frauen und Kinder aus der Sklaverei zu befreien, oft indem er sich selbst großen Gefahren aussetzt. Doch er beginnt, indem er sich zunächst selbst aus der Versklavung befreit. (Juusuf `Allii)

 

14. Oder die Speisung an einem Tag der Hungersnot,11

11. Speisung derjenigen, die ihrer bedürfen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn; dies aber insbesondere zu einer Zeit zu tun, wo ebenfalls im wörtlichen wie im übertragenen Sinn Entbehrung herrscht, wo die Quellen der physischen wie der spirituellen Nahrung am Versiegen sind. (Juusuf `Allii)

 

15. Eines Waisenkindes, zu dem Verwandtschaftsbande bestehen,

16. Oder eines Bedürftigen im Staube.12

12. Die Hilfe für einen Bedürftigen im Staube erfolgt aus einem echten Mitgefühl heraus, da von ihm keinerlei Dank oder Lohn zu erwarten ist. (Juusuf `Allii)

 

17. Dann wird er zu denen gehören, die den Imaan verinnerlichen13 und zur Geduld14 aufrufen und zu (Güte und) Barmherzigkeit aufrufen.

13. Was nützt es, Versklavte zu befreien oder Hungrige zu speisen, wenn dahinter kein Imaan steht? Nur der Glaube verleiht solchen Taten ihren Wert vor dem Angesicht Gottes. (Qutb)

14. Das arabische Wort für Geduld schließt auch Standhaftigkeit und mitfühlende Güte mit ein. Diese Tugenden sind nicht nur ein Prüfstein für den Imaan, sondern sie sind auch die Früchte, die der Imaan ständig hervorbringt. (Juusuf `Allii)

 

18. Das sind die Gefährten der rechten Hand.15

15. Sie sind es, die Errettung erlangen. (Juusuf `Allii)

 

19. Doch die, die nicht an Unsere Zeichen den Imaan verinnerlichen, das sind die Gefährten der linken Hand.

 

20. Über ihnen wird das Feuer zusammenschlagen.16

16. Diejenigen, die Allahs Zeichen verleugnen, deren Taten sind wertlos. Wenn sie als Gefährten der linken Hand bezeichnet werden, deutet dies auf ihre Erniedrigung und Schande hin. Den steilen Weg können sie niemals erklimmen. Das Feuer, das sich über ihnen schließt, hält sie gefangen oder wird auf ewig ihr Aufenthaltsort sein. Sie haben keine Möglichkeit, daraus zu entrinnen. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 91

Dies ist eine Offenbarung aus der frühen makkanischen Zeit. Sie beginnt mit einer wunderbaren Naturbeschreibung, führt dem Menschen vor Augen, dass er seine spirituelle Verantwortung zu tragen hat und warnt schließlich vor den furchtbaren Folgen für jene, die den Jüngsten Tag nicht fürchten. (Juusuf `Allii)

 

Die Sonne

Im Namen Allahs, des Erbarmers des Barmherzigen.

1. Bei der Sonne und ihrem morgendlichen Glanz,1

1. Sechs Dinge werden hier paarweise aus dem machtvollen Wirken Allahs in der Natur herausgegriffen, die sich trotz ihrer Gegensätzlichkeit in kosmischer Harmonie befinden. Dadurch wird uns Seine Vorsehung vor Augen geführt. (Juusuf `Allii)

 

2. Und beim Mond, wenn er ihr folgt,2

2. Das erste Paar sind die wunderbare Sonne, der Quell unseres Lichts und unseres physischen Lebens, und der Mond, der ihr folgt und ihr sozusagen hilft, die Welt zu erleuchten. Wenn der Mond gleichzeitig mit der Sonne am Himmel steht, ist er blass und unscheinbar. In Abwesenheit der Sonne scheint er, indem er ihr Licht reflektiert und könnte also im übertragenen Sinn als ihr Statthalter bezeichnet werden. Ebenso verhält es sich mit den Offenbarungen und den großen Propheten, die sie überbracht haben, und den in ihren Spuren folgenden Lehrern, die ihr Licht reflektiert oder sogar doppelt reflektiert aus der ursprünglichen Quelle beziehen. (Juusuf `Allii)

 

3. Und beim Tag, wenn er sie in ihrer Pracht enthüllt,

4. Und bei der Nacht, wenn sie sie verhüllt,3

3. Hier handelt es sich um Zeitabstände, Tag und Nacht, die die Sonne in ihrem Glanz enthüllen oder vor unseren Blicken verhüllen. Ähnlich mag es sich mit unserer subjektiven Aufnahmefähigkeit für das göttliche Licht verhalten, die unterschiedlich sein kann, aber doch stets vorhanden ist. (Juusuf `Allii)

 

5. Und beim Himmel und was ihn gebaut hat,

6. Und bei der Erde und ihrer Ausbreitung,4

4. Himmel und Erde - vom Himmel kommt der Regen, aus der Erde erhalten wir unsere Nahrung. Sie wirken zusammen, denn der Regen ist ja nichts anderes als von der Erde aufgenommene Feuchtigkeit, und ohne Regen, Licht und Wärme gibt es keine Nahrung auf der Erde für uns. (Juusuf `Allii)

 

7. Und bei der Seele und ihrer Ausformung in Vollkommenheit,5

5. Allah hat den Menschen, sowohl was seine Natur wie seine Fähigkeit angeht, aus zwei Bereichen geschaffen - nämlich aus dem Staub der Erde und dem Göttlichen Geist. Er besitzt zweierlei gleich starke Neigungen, zum Guten und zum Bösen, der Rechtleitung Allahs zu folgen oder irrezugehen. Der Mensch vermag in allem, was ihm begegnet, das Gute ebenso genau zu erkennen wie das Schlechte, und sich davon abzuwenden oder ihm zuzuwenden. Alle äußeren Einflüsse wie beispielsweise die Offenbarungen Allahs dienen nur dazu, seine potenziellen Kräfte zu wecken und ihm bei der Wahl des richtigen Weges zu helfen. (Qutb)

 

8. Und ihr Sinn gegeben hat dafür, was für sie unrecht und was für sie recht ist.6

6. Es muss also Verantwortlichkeit liegen in der dem Menschen bewussten Fähigkeit der freien Willensentscheidung. Im Verhältnis zu seinen Möglichkeiten wird ihm eine ganz bestimmte Aufgabe auferlegt. Doch Allah der Barmherzige überlässt den Menschen nicht hilflos seinen natürlichen Impulsen, sondern gibt ihm Offenbarungen mit ewiggültigen Kriterien, so dass er seinen Weg klar vor sich liegen sieht und ihn einschlagen kann - das ist Allahs Wille, den es zu erfüllen gilt. (Qutb)

 

9. Wahrlich, der wird erfolgreich sein, der sie rein hält7,

7. Das heißt, wer sie durch gute Werke läutert und von seiner freien Willensentscheidung richtigen Gebrauch macht. (Darjabaadi)

 

10. Und der wird wahrlich Misserfolg haben, der sie verderben lässt.

11. Die Samuud erklärten (ihren Propheten) zum Lügner in ihrer Maßlosigkeit.8

8. Die Bezugnahme auf die Geschichte der Samuud lässt sich besser verstehen, wenn man in Suura 7 die Ajas 73-79 liest. Ihr Prophet war Saalich, Allahs Segen und Frieden auf ihm, der es mit einem sehr anmaßenden Volk zu tun hatte, das die Armen unterdrückte und ihnen das Recht auf Wasser und Weide für ihr Vieh verweigerte. (Juusuf `Allii)

 

12. (Gedenke der Zeit) als sich der Unseligste unter ihnen erhob.

13. Da sagte der Gesandte Allahs zu ihnen:  „Dies ist eine Kamelstute Allahs und ihre Tränke."9

9. Wie hier beschrieben, bestand die Übertretung des Maßes Allahs, der sich die Samuud schuldig machten, darin, dass der Unseligste unter ihnen einer Kamelstute die Beinsehnen durchtrennte, obwohl eine Warnung Allahs vor diesem Verbrechen ergangen war. Die übrigen spendeten ihm auch noch Beifall dafür. Ein grundlegendes Prinzip im Islam besagt, dass die Gesellschaft kollektiv Verantwortung trägt in diesem Leben, was allerdings nichts am Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit im Jenseits ändert, wo jeder für seine eigenen Taten zur Verantwortung gezogen wird. Es ist jedoch eine Sünde, sich nicht gegenseitig zu beraten und zum Guten aufzurufen und das Böse sowie Übertretungen nicht zu bestrafen. (Qutb)

 

14. Doch sie erklärten ihn zum Lügner und schnitten ihr die Sehnen an den Beinen durch.10 Und ihr Herr gab sie wegen ihrer Schuld der Vernichtung preis und machte sie (dem Erdboden) gleich.

10. Durch das vollkommene Fehlen ihres Mitgefühls für Allahs Geschöpfe zeigten die Samuud, dass sie Seine Bestrafung nicht fürchteten, folglich also überhaupt nicht an Ihn den Imaan verinnerlichten. (Asad)

 

15. Und Er fürchtet nicht die Folgen.11

11. Dieser Aja ist verschieden interpretiert worden. Ich habe mich der allgemeinen Auffassung angeschlossen, dass das Pronomen "Er" sich auf "ihren Herrn" (also Allah) bezieht und dass unter den Folgen die Bestrafung zu verstehen ist, die alle erfasste, einerlei ob es sich um große oder kleine Leute handelte. In diesem Fall würde es bedeuten: Allah hat die völlige Vernichtung der Samuud beschlossen; was die Geschöpfe anbelangt, so könnte eine solche Vernichtung ihnen Verlust einbringen und sie könnten die Folgen eines solchen Verlustes und einer solchen Vernichtung sehr wohl fürchten. Doch Allah hat erschaffen und kann erschaffen, wie es Ihm gefällt, so erhebt sich also die Frage eines Bedauerns in Seinem Fall überhaupt nicht. Eine alternative Meinung könnte sein, dass unter "Er" der Prophet Saalich, Allahs Segen und Frieden auf ihm, der in Aja 13 erwähnt wurde, zu verstehen ist. Das würde dann heißen, dass Saalich sich keineswegs wegen der Folgen für sich selbst fürchtete. Er hatte die Übeltäter entsprechend seinem Auftrag gewarnt; durch Allahs Barmherzigkeit wurde er errettet, da er ein aufrichtiger und rechtschaffener Mensch war, und so wandte er sich mit Bedauern von ihnen ab., Eine weitere Alternative wäre denkbar, wobei sich "Er" auf den Unseligsten (der in Aja 12 erwähnt wird) bezieht, der die Beinsehnen der Kamelstute durchschnitt: er fürchtete nicht die Folgen seiner Tat. (Juusuf `Allii)

 

Einführung zu Suura 92

Diese Suura gehört zu den ersten zehn, die offenbart wurden. Sie mag zwischen den Suuras 89 und 93 liegen. Man beachte, dass in all diesen drei Suuras das Geheimnis und der Gegensatz zwischen Nacht und Tag hervorgehoben wird, um den Menschen in seinen spirituellen Sehnsüchten zu trösten. In dieser Suura wird uns gesagt, dass wir mit allen Kräften auf Allah zustreben sollen. Dann wird Er uns jede Hilfe und vor allem Zufriedenheit zuteil werden lassen. (Juusuf `Allii)

 

Die Nacht

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Bei der Nacht, wenn sie verhüllt,

2. Und beim Tag, wenn er sich in Pracht enthüllt,

3. Und bei der Erschaffung von Mann und Frau!1

1. Wenn man über die Gegensätze zwischen Nacht und Tag und die Unterschiede zwischen Mann und Frau nachdenkt - Dinge, über die der Mensch keinerlei Gewalt hat, - dann kann man nicht umhin, zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass es eine über jede Fehlbarkeit erhabene Macht geben muss, die das alles in vollkommener Abstimmung aufeinander hervorbringt: nämlich Allah. Und Allah wacht auch über das Leben der Menschen. Er hat sie nicht umsonst erschaffen und Er überlässt sie nicht sich selbst, so dass sie in Sinnlosigkeit dahinvegetieren. (Qutb)

 

4. Wahrlich, euer Bemühen ist unterschiedlich.2

2. Es gibt riesengroße Unterschiede in den Zielen, nach denen die Menschen streben. Grob genommen lassen sie sich unterteilen in gut und schlecht. So wie die Nacht aufgrund bestimmter astronomischer Vorgänge an die Stelle des Tages tritt, ohne ihn dadurch abzuschaffen, so kann das Schlechte für eine gewisse Zeit das Gute verfinstern, ohne es dadurch auszulöschen. Auch ist die Nacht unter bestimmten Umständen ein Segen, so etwa zum Ausruhen, ebenso wie manche Dinge, die uns schlecht erscheinen, in Wirklichkeit eine noch im Verborgenen liegende Wohltat für uns sein können. Welche Ziele wir auch immer vor Augen haben mögen - wir müssen uns stets darum bemühen, die höchste Wahrheit im Lichte Allahs ausfindig zu machen. Beim Nachdenken über die Unterschiede sollten wir also nicht erstaunt oder niedergeschlagen sein. Die unmittelbaren Ziele des Menschen mögen verschieden sein. Ihrer aller Pflicht ist es jedoch, nach dem einen wahren Licht zu suchen. (Juusuf `Allii)

 

5. Wer also gibt und mutaqi ist,

6. Und das Beste für wahrhaftig hält,3

3. Der gute Mensch zeichnet sich durch dreierlei aus:

1. durch großmütige Opferbereitschaft für die Sache Allahs und der Menschen,

2. durch Taqwa, die sich im rechten Handeln widerspiegelt, und

3. durch Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit, indem er stets das, was ethisch wertvoll ist, erkennt und fördert. (Juusuf `Allii)

 

7. Dem werden Wir den Weg zum Heil leicht begehbar machen.4

4. Wenn Allah einem bestimmten Menschen den Weg ebnet, dann kommt ihm alles in seinem Leben leicht vor, denn er wird sich mit dem gesamten, unvorstellbar weiten Universum, das sich durch seine vollkommene Harmonie auszeichnet, auf Allah zubewegen. Dadurch wird er auch nicht mit jenen zusammenstoßen, die auf Abwege geraten sind, denn sie sind ohne Bedeutung für ihn im Vergleich zu den Weiten des Universums. Sein ganzes Leben wird mit Leichtigkeit erfüllt sein. Das wird sich zeigen an seiner Hand, seiner Zunge, seinen Bewegungen, seiner Arbeit, seinen Ansichten, Gedankengängen und seinem Verhalten sowie in der Behandlung all seiner Angelegenheiten. Er wird es leicht haben mit sich selbst und mit anderen. Aus einer von Bucharii und Muslim übermittelten Überlieferung aus dem Munde `A'ischas wissen wir, dass sich unser Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, vor die Wahl gestellt, stets für die leichtere von zwei Alternativen zu entscheiden pflegte. (Qutb)

 

8. Wer also geizig ist und sich selbst genug ist,

9. Und das Beste als Lüge verwirft,

10. Dem werden Wir (den Weg ins) Unheil leicht machen,

11. Und sein Vermögen wird ihm nichts helfen, wenn er zugrunde geht.5

5. Der schlechte Mensch hat vor allem drei Merkmale:

1. in seinem selbstsüchtigen Geiz verweigert er anderen, was ihnen zusteht,

2. er ist hochmütig und meint, er sei sich selbst genug, und

3. er tritt wissentlich die Wahrheit mit Füssen und sieht in seiner Boshaftigkeit Hässliches, wo in Wirklichkeit Schönes ist.

Der Weg nach unten beschleunigt sich bei solchen Menschen immer mehr und kann nur im Elend enden. Wo wird dann all der Reichtum einmal sein, auf den sie so stolz waren, und ihr Besitz, vor allem aber ihr "Selbstvertrauen"? (Juusuf `Allii)

 

12. Wahrlich, Uns obliegt die Rechtleitung,6

6. Ein Aspekt der Gnade und Barmherzigkeit Allahs Seinen Dienern gegenüber ist, dass Er zugesagt hat, klare Rechtleitung ergehen zu lassen, die die menschliche Natur auch wirklich anzunehmen vermag, und zwar durch Seine Botschaft und Seine Gesandten mit Hilfe der Zeichen, denen wir überall begegnen. Darum kann niemand gültige Argumente für seine Abweichung vom rechten Weg vorbringen und niemandem wird unrecht getan werden. (Qutb)

 

13. Und wahrlich Uns gehört das Jenseits und diese Welt.7

7. Am Ende wird der Mensch zu Allah zurückkehren, doch schon vom Beginn des menschlichen Lebens an überhäuft Allah ihn mit Seiner liebevollen Fürsorge. Während der Prüfungszeit seines Lebens besitzt der Mensch eine begrenzte freie Willensentscheidung, wobei von ihm erwartet wird, dass er sein ganzes Dasein in Einklang bringt mit dem universalen Willen und Gesetz. Denn er wird Rechenschaft ablegen müssen über den rechten Gebrauch seiner Talente und Möglichkeiten. Wenn der Wille des Menschen irgendeine Bedeutung hat, dann steht ihm die Wahl frei, Allahs Rechtleitung anzunehmen oder zurückzuweisen. Entscheidet er sich für die Zurückweisung, so hat er selbst die Folgen zu tragen. Darum die Warnung vor dem künftigen Feuer im nächsten Vers. (Juusuf `Allii)

 

14. Darum warne Ich euch vor einem lodernden Feuer.

15. Niemand soll dort brennen, außer dem Unseligsten,8

8. Die Strafe des Feuers wird nur über jene kommen, die absichtlich gegen ihr Gewissen gesündigt und Allahs Wahrheit abgelehnt haben. Auch im Christentum findet sich bei Matthäus 12:31 derselbe Gedanke: "Darum sage ich euch: Jede Sünde und Lästerung wird dem Menschen vergeben; aber die Lästerung wider den Geist wird nicht vergeben werden." Die weniger schlimmen Sünder werden leichtere Bestrafung erfahren und nicht unter "loderndem Feuer" zu leiden haben. (Juusuf `Allii)

 

16. Der (Wahres) als Lüge verwirft und sich abwendet.

17. Doch meiden wird es den Mutaqi,

18. Der sein Vermögen hingibt,9 um sich zu reinigen,10

9. Spenden können für mildtätige Zwecke, für Nützliches wie die Förderung von Wissen und Wissenschaften oder für idealistische Vorhaben gegeben werden. Unter Vermögen ist auch nicht unbedingt nur Geld oder Materielles zu verstehen, sondern auch irgendwelche Vorzüge oder Möglichkeiten, die sich einem Menschen bieten und die er im Dienste seiner Mitmenschen einzusetzen vermag. (Juusuf `Allii)

10. Das hier für "rein" verwendete arabische Wort deutet auf eine immer mehr zunehmende Reinheit hin. Vermögen sowohl im wörtlichen wie im übertragenen Sinn ist nicht für selbstsüchtige Vergnügungen oder zum Prahlen gedacht. Es ist ein treuhänderisch überlassenes Gut. Möglicherweise stellt es eine Art Prüfung dar, aus der jener, der sie erfolgreich ablegt, um so reiner hervorgeht. Und selbst wenn er schon vorher ein guter Mensch war, erhöht eine richtige Verwendung seines Vermögens seine Stellung und seine Würde in der ethischen und geistigen Welt. (Juusuf `Allii)

 

 19. Ohne dass er einem anderen eine Wohltat abzugelten hätte,11

11. Die Hingabe des Vermögens erfolgt nur zum Wohlgefallen Allahs, nicht als Abgeltung für irgendwelche empfangenen Gefälligkeiten oder in Erwartung künftiger Belohnung. (Darjabaadi)

 

20. Sondern nur aus Verlangen nach dem Angesicht seines Herrn, des Allerhöchsten,

21. Und gewiss wird er wohlzufrieden sein.12

12. Was kann ein aufrichtiger Mensch dafür erwarten, dass er sein Geld ausgibt, um sich selbst zu läutern und das Wohlgefallen seines Herrn zu erlangen? Die Belohnung, die im Qur’an erwähnt wird, ist in der Tat erstaunlich: "Gewiss wird er wohlzufrieden sein." Es ist die Zufriedenheit, die Herz und Seele des Muslims erfüllt, alles in seinem Dasein belebt und von ihm ausstrahlt. Was für eine Belohnung und was für eine Gnade! "Gewiss wird er wohlzufrieden sein." Er wird zufrieden sein mit seinem Islam, seinem Herrn und seinem Schicksal. Er wird sich in das fügen, was ihm zuteil wird, sei es nun Angenehmes oder Unangenehmes, sei er arm oder reich. Er wird weder Rastlosigkeit noch böse Gedanken kennen. Er macht sich keine Sorgen darüber, dass ihm womöglich zu viel aufgebürdet werden könnte oder dass die ihm vorschwebenden Ziele allzu fern sind. Seine Zufriedenheit ist in sich selbst eine Belohnung, deren Tragweite sich gär nicht in Worte fassen lässt. Nur derjenige, der sich selbst und sein Vermögen opfert und sich zu läutern bestrebt ist und nach dem Wohlgefallen Allahs trachtet, verdient diese Belohnung. Es ist Allah allein, Der eine solche Belohnung in die Herzen jener zu legen vermag, die sich Ihm in aller Aufrichtigkeit und reiner Hingabe unterwerfen. Wenn er diesen Preis entrichtet hat, dann wird der Muslim "gewiss bald wohlzufrieden sein". An diesem Punkt wird die Belohnung zu einer Überraschung, doch es ist eine Überraschung, die von jenem erwartet wird, der den Rang der Rechtschaffenen erreicht hat, deren wichtigste Merkmale sind, dass sie spenden, um sich selbst zu läutern und das Wohlgefallen Allahs zu erlangen. Ein solcher Mensch wird glücklich und wohlzufrieden sein. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 93

Es wird gesagt, dass nach der Offenbarung der Suura 89 Al-Fadschr einige Zeit verging, während der der Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, keine Offenbarung empfing und dass seine Gegner in Mekka ihn wegen dieser Unterbrechung verhöhnten, indem sie sagten: „Dein Herr hat dich verlassen und verabscheut dich!" - woraufhin diese Suura offenbart wurde. Ob wir diese nicht ganz abgesicherte Geschichte nun akzeptieren oder nicht, fest steht, dass dieser Suura - obwohl in erster Linie an den Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, gerichtet - eine noch viel umfassendere Bedeutung zukommt: Sie betrifft nämlich, und ist ein Trost für alle muslimische Männer und Frauen, die unter den Kümmernissen und Nöten zu leiden haben, welche so oft die Guten und Unschuldigen heimsuchen und die selbst die Aufrichtigen dazu veranlassen, die transzendentale Gerechtigkeit Allahs in Frage zu stellen. (Asad)

 

Der morgendliche Glanz

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Beim morgendlichen Glanz,1

1. Gemeint ist das volle Morgenlicht der Sonne, wenn es in seinem Glanz erscheint, im Gegensatz zur Nacht, die vergangen ist. Die heraufziehenden Stunden des Morgenlichts, vom Sonnenaufgang bis zum Mittag, stehen für die Entfaltung des geistigen Lebens und Wirkens, während die Stille der Nacht für jene, die wissend sind, nur eine Vorbereitung darauf ist. Wir dürfen nicht meinen, dass die nächtliche Stille Stagnation in unserem geistigen Leben bedeutet. Die Stille mag uns einsam vorkommen, doch wir sind nicht allein und auch keineswegs verlassen von Allah. Auch ist die Vorbereitung, selbst wenn sie keine sichtbaren Ergebnisse zeitigt, niemals ein Zeichen für Allahs Unzufriedenheit. (Juusuf `Allii)

 

2. Und bei der Nacht, wenn sie am stillsten ist!

3. Dein Herr hat dich keineswegs verlassen und Er verabscheut dich nicht.2

2. Es kann auch heißen: "Das Ende wird für dich besser sein als der Anfang." (Anm. d. Übers.)

"Dein Herr hat dich nicht verlassen und Er verabscheut dich nicht," wie gedankenlose Menschen meinen mögen wegen der Leiden, die du nach Seinem Willen zu ertragen hattest. (Asad)

 

4. Und das Jenseits wird gewiss besser für dich sein als diese Welt.3

3. Für den ganz in den Dienst an Allah hingegebenen Menschen ist jeder folgende Augenblick besser als der vorausgegangene. (Juusuf `Allii)

 

5. Dein Herr wird dir bestimmt bald geben, und du wirst zufrieden sein.4

4. Allahs Wohlgefallen ist uns gewiss, wenn wir Ihm zu dienen bereit sind. Doch es wird uns gesagt, dass sogar unsere sämtlichen Zweifel und Leiden verschwinden werden und wir nur noch von Zufriedenheit und Freude erfüllt sein werden, wenn unser Wille mit dem Willen Allahs übereinstimmt. (Juusuf `Allii)

 

6. Hat Er dich nicht als Waise gefunden und dir Obdach gewährt,5

5. Dies mag eine Anspielung darauf sein, dass Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, einige Monate nach dem Tod seines Vaters geboren wurde und dass seine Mutter gestorben ist, als er sechs Jahre alt war. Doch abgesehen davon ist eigentlich jeder Mensch mehr oder weniger verwaist in dem Sinn, dass er allein und einsam erschaffen wurde (siehe 6:94) und am Auferstehungstag einzeln und allein vor Allah wird erscheinen müssen (siehe 19:95). (Asad)

 

7. Und dich herumirrend6 gefunden und rechtgeleitet7,

6. In dem Lebensabschnitt vor der Berufung zum Propheten. (Darjabaadi)

7. Und dich zur Quelle der Erleuchtung werden lassen, indem Er dich zum Empfänger der Botschaft Allahs machte? (Darjabaadi)

 

8. Und dich bedürftig gefunden und reich gemacht?8

8. Der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, hätte kein Vermögen geerbt und war arm. Die wahre, reine und aufrichtige Liebe Hadidschas entband ihn nicht nur der Bedürftigkeit, sondern machte ihn in materieller Hinsicht unabhängig, so dass er sich im späteren Leben ganz dem Dienst an Allah hingeben konnte. Ebenso fühlen auch wir uns in dieser oder jener Hinsicht bedürftig, doch wenn wir mit vollem Einsatz und aufrichtig dafür arbeiten, wird unser Bedürfnis durch Allahs Gnade gestillt. Haben wir schließlich den Weg gefunden, fällt es uns bei unserem dürftigen geistigen Rüstzeug unendlich schwer, ihn auch zu erklimmen. Doch Allah wird uns spirituellen Reichtum an Liebe und Wissen zuteil werden lassen. (Juusuf `Allii)

 

9. Was darum die Waise angeht, so tue ihr kein Unrecht,9

9. Diese Anweisungen spiegeln die Alltagsnöte wider, insbesondere in einer von Gier und Materialismus zersetzten Gesellschaft, wo die Schwachen nicht für ihre Rechte eintreten können und niemand sich ihrer annimmt. Der Islam ist gekommen, um deren Los durch Allahs Gesetz zu reformieren und der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. (Qutb)

 

10. Und was den Bittenden angeht, so weise ihn nicht ab,10

10. Der Bittende, oder wörtlich der Fragende, kann nicht nur ein Bettler sein, sondern jemand, der in einer schwierigen Lage um Hilfe bittet, sei es nun materiell, ideell oder nur zur Belehrung. (Asad)

 

11. Und was die Wohltaten deines Herrn angeht, so verkünde sie.11

11. Allahs Wohltaten zu verkünden, insbesondere was die Rechtleitung und den Glauben anbelangt, ist eine Art, seine Dankbarkeit Ihm gegenüber auszudrücken. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 94

Diese kurze Suura enthält eine Botschaft der Hoffnung und Ermutigung in einer Zeit der Finsternis und der Schwierigkeiten. Sie wurde dem Propheten bald nach der vorigen Suura (AD-DUHA) offenbart, deren Darlegungen sie ergänzt. (Juusuf `Allii)

 

Die Erweiterung

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Haben Wir dir nicht deine Brust erweitert?1

1. Die Brust ist symbolisch der Sitz des Wissens und der höchsten Gefühle der Liebe und Zuneigung, das Schatzhaus, in dem jene charakterlichen Juwelen aufbewahrt werden, die dem Göttlichen am nächsten kommen. Die menschliche Natur des Propheten war gereinigt, geweitet und erhöht worden, so dass er zu einer Barmherzigkeit für die gesamte Menschheit wurde. Eine solche Natur konnte sehr wohl die niederen Beweggründe der gewöhnlichen Menschheit unbeachtet lassen, die so schändliche Angriffe gegen ihn auslösten. Ihre Kraft und ihr Mut war auch in der Lage, die Last jener oft entmutigenden Aufgabe zu übernehmen, die darin bestand, die Sünde zu brandmarken, zu bezwingen und die Geschöpfe Gottes aus ihren Klauen zu befreien. (Juusuf `Allii)

 

2. Und deine Last von dir genommen?2

2. Dies scheint anzudeuten, dass unser Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sich in seinem Herzen große Sorgen machte wegen der ihm anvertrauten Sendung und der Hindernisse, die sich vor ihr auftürmten, sowie der Anschläge, die gegen sie geführt wurden. Da wurde ihm die schönste Hilfe in Form dieser Suura zuteil (Qutb)

 

3. Die dir den Rücken niederdrückte?

4. Und dir dein Ansehen erhöht?3

3. Wir haben ihn bei der himmlischen Schar erhöht, wie auch auf dieser Erde. Wir haben ihn erhöht und seinen Namen mit dem Namen Allahs untrennbar verbunden im Islambekenntnis des Muslims: "Es gibt keinen Gott außer Allah und Muchammad ist Allahs Gesandter." (Qutb)

Diese Suura wurde wahrscheinlich zu einer Zeit offenbart, als der Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, verlacht und verachtet wurde, nachdem ihm vorher Respekt und Höflichkeit entgegengebracht worden war. Wenn von dem erhöhten Ansehen die Rede ist, muss dies den Kaafirs besonders lächerlich erschienen sein zu einer Zeit der Demütigung und Verfolgung. Heute jedoch ertönt von jeder Moschee der Welt der Name des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, als Gesandtem Allahs fünfmal täglich anlässlich des Gebetsrufs und jeder Muslim bittet um Segen für ihn, wenn sein Name erwähnt wird. (Pickthall)

 

5. Und wahrlich, mit dem Schweren kommt die Erleichterung.

6. Wahrlich, mit dem Schweren kommt die Erleichterung.4

4. Es hat gewiss einen Sinn, dass dieser Aja wiederholt wird. Denn welche Schwierigkeiten und Sorgen man auch immer haben mag, Allah hält stets eine Lösung breit, einen Ausweg, eine Erleichterung, ja sogar eine Freude, sofern wir nur auf Seinem Pfad bleiben und unseren Imaan durch Geduld und gute Taten unter Beweis stellen. Die Lösung oder Erleichterung stellt sich nicht erst nach den Schwierigkeiten ein, sie wird gleichzeitig bereitgehalten. (Juusuf `Allii)

 

7. Und wenn du (etwas) zu Ende geführt hast, dann bemühe dich eifrig weiter,5

5. Oder: wenn du frei bist oder wenn du entlastet bist. Das kann bedeuten, wenn du deine unmittelbare Aufgabe erledigt hast, nämlich die, den Menschen zu predigen, die Sündhaftigkeit anzuprangern und zur Rechtschaffenheit zu ermutigen, oder aber: wenn du aus den Schwierigkeiten, denen du dich gegenübersiehst, befreit bist. Tritt das ein, so bedeutet dies keineswegs, dass die Bemühungen des auf Allah ausgerichteten Menschen beendet sind. Es ist lediglich ein Schritt in diese Richtung. Der Muslim muss ständig und sofort weitergehen. Wenn die Aufgabe des Belehrens der Welt gerade nicht durchzuführen ist, dann wird doch die Verbindung zum geistigen Reich fortgesetzt und tatsächlich wird sie dadurch umso vertraulicher und enger. (Juusuf `Allii)

 

8. Und deinem Herrn wende dich ganz und gar zu.6

6. Nur deinem Herrn sollst du dich mit allen Kräften widmen und dich durch nichts davon abbringen lassen. Lass dich nicht durch die Menschen, die du auf Seinen Weg rufst, ablenken-: Ein Reisender muss seinen Proviant bei sich haben und das ist die richtige Nahrung für deine Reise. Jemand, der für eine Sache kämpfen will, muss sein Rüstzeug mit sich führen, und das ist das benötigte Rüstzeug für dich. Dadurch wird sich ein Gefühl der Erleichterung bei allen Schwierigkeiten einstellen, die dir begegnen mögen, des Trostes in allen Heimsuchungen, die über dich kommen können. Diese Suura endet wie die vorausgegangene, DER MORGENDLICHE GLANZ. Sie hinterlässt bei uns zwei ineinander greifende Gefühle. Das erste ist das Bewußtwerden der großen, liebevollen Fürsorge, die dem Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, zuteil wurde und die ihn überwältigte, denn es war die Liebe seines Herrn, des Erbarmers, des Gnädigen. Das zweite ist ein starkes Mitfühlen mit dem Allahsgesandten. Wir können fast spüren, was ihn in seinem innersten Herzen zu jener Zeit bewegte, in der es so notwendig war, dass ihm die beglückende göttliche Liebe in Erinnerung gerufen wurde. Es ist dies die Botschaft des Islam: Sie zu verkünden ist eine schwere Verantwortung und Last, die den Rücken niederdrücken mag. Doch damit geht einher das Heraufziehen des Lichts Allahs, des Verbindungsglieds zwischen Sterblichkeit und Unendlichkeit, zwischen Dasein und Nichtsein. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 95

Dies ist ebenfalls eine ganz frühe makkanische Suura. Sie beschwört die heiligsten Symbole, um aufzuzeigen, dass der Mensch aufs Beste erschaffen worden ist, dass er aber auch fähig ist, in tiefste Erniedrigung abzusinken, wenn er nicht den Imaan verinnerlicht und ein gutes Leben führt. (Juusuf `Allii)

 

Die Feige

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Bei den Feigen1 und den Oliven2

1. Vier heilige Symbole werden hier beschworen. Über das Symbol der Feige gibt es eine Vielzahl von Meinungen. Wenn man die Feige - oder die Feigenbäume - wörtlich nimmt, kann sie als Symbol des menschlichen Schicksals in vieler Hinsicht stehen. Veredelt ist die Feige eine der feinsten, köstlichsten und bekömmlichsten Früchte, die es gibt. Unveredelt besteht sie aus nichts anderem als aus winzigen Samenkörnern und ist ungenießbar, oft voller Würmer und Maden. Der Mensch hat also, sofern er gut ist, eine edle Bestimmung. Tut er Böses, ist er der "Niederste der Niederen". Christus soll einen Feigenbaum verflucht haben, weil er nur Blätter trug und keine Früchte hervorbrachte:

"Als er aber am Morgen wieder in die Stadt ging, hungerte ihn. Und er sah einen Feigenbaum an dem Wege, ging hin und fand nichts daran als Blätter und sprach zu ihm: Nun wachse auf dir niemals mehr Frucht! Und der Feigenbaum verdorrte sogleich. Und als das die Jünger sahen, verwunderten sie sich und fragten: Wie ist der Feigenbaum so rasch verdorrt?" Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.  (siehe Matthäus 21:18-20), was die selbe Lehre beinhaltet. Weitere Parabeln über den Feigenbaum finden sich bei Matthäus 24:32-35 und bei Jeremias 24:1-10.

"An dem Feigenbaum lernt ein Gleichnis: wenn seine Zweige jetzt saftig werden und Blätter treiben, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Ebenso auch: wenn ihr das alles seht, so wisst, dass er nahe vor der Tür ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht."

Die zwei Feigenkörbe

"Siehe, der Herr zeigte mir zwei Feigenkörbe, aufgestellt vor dem Tempel des Herrn, nachdem Nebukadnezar, der König von Babel, den Jechonja, den Sohn Jojakims, den König von Juda, weggeführt hatte samt den Großen Judas und den Zimmerleuten und Schmieden und sie von Jerusalem nach Babel gebracht hatte. In dem einen Korbe waren sehr gute Feigen, wie die ersten reifen Feigen sind; im andern Korbe waren sehr schlechte Feigen, dass man sie nicht essen konnte, so schlecht waren sie. Und der Herr sprach zu mir: Jeremia, was siehst du? Ich sprach: Feigen; die guten Feigen sind sehr gut, und die schlechten sind sehr schlecht, dass man sie nicht essen kann, so schlecht sind sie.

Da geschah des Herrn Wort zu mir: So spricht der Herr, der Gott Israels: Wie auf diese guten Feigen, so will ich blicken auf die Weggeführten aus Juda, die ich von dieser Stätte habe fortziehen lassen in der Chaldäer Land. Ich will sie gnädig ansehen und sie wieder in dies Land bringen und will sie bauen und nicht verderben, ich will sie pflanzen und nicht ausreißen. Und ich will ihnen ein Herz geben, dass sie mich erkennen sollen, dass ich der Herr bin. Und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein; von ganzem Herzen werden sie sich zu mir bekehren.

Aber wie die schlechten Feigen, die so schlecht sind, dass man sie nicht essen kann, spricht der Herr, so will ich dahingeben Zedekia, den König von Juda, samt seinen Großen und allen, die übrig geblieben sind in Jerusalem und in diesem Lande und die in Ägyptenland wohnen. 9Ich will sie zum Bild des Entsetzens, ja des Unglücks machen für alle Königreiche auf Erden, zum Spott und zum Sprichwort, zum Hohn und zum Fluch an allen Orten, wohin ich sie verstoßen werde, und will Schwert, Hunger und Pest unter sie schicken, bis sie ganz vertilgt sind aus dem Lande, das ich ihnen und ihren Vätern gegeben habe." (Juusuf `Allii)

2. Die besten Oliven im arabischen Raum wachsen in der Gegend des Berges Sinai. Die Olive wird zur Herstellung medizinischer Salben und zur Salbung bei religiösen Zeremonien verwendet. Als Nahrungsmittel hat die Olive ein köstliches Aroma. Äußerlich ist der Olivenbaum nicht gerade eindrucksvoll. Doch das Öl des Baumes hat, eine wunderschöne Farbe, Zusammensetzung und Leuchtkraft. Siehe auch Suura 24:35 (Licht-Aja). mit Anmerkungen, wo das Gleichnis von Allahs Licht in Zusammenhang gebracht wird mit der Olive. Es ist aber auch möglich, dass hier Bezug genommen werden soll auf den Ölberg bei Jerusalem (siehe Suura 52:2), denn das ist der Ort, wo nach dem Neuen Testament (siehe Matthäus 24:3-4) Jesus eine Beschreibung des kommenden Gerichtstages abgegeben hat.

"Und als er auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger zu ihm und sprachen, als sie allein waren: Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für das Ende der Welt? Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Seht zu, dass euch nicht jemand verführe." (Juusuf `Allii)

 

2. Und beim Berge Sinai

3. Und bei dieser Stadt der Sicherheit.3

3. Die Feige und die Olive können in diesem Zusammenhang symbolisch für die Länder stehen, wo diese Bäume vorherrschen, nämlich die Länder um das östliche Mittelmeer herum, insbesondere Palästina und Syrien. Da es in diesen Ländern war, wo die meisten Propheten, die im Qur’an erwähnt werden, gelebt und gepredigt haben, mögen diese beiden Baumarten im übertragenen Sinn für die Lehren stehen, die von der langen Reihe der durch Eingebungen Allahs gesegneten Männer verkündet wurden, und die ihren Höhepunkt im letzten der judaischen Propheten, ’Isa, erreichte. Der "Berg Sinai" ` betont andererseits insbesondere die Sendung Allahs von Muusa, da das religiöse Gesetz, das vor und bis zum Auftreten Muhammads, Allahs Segen und Frieden auf ihnen allen, Gültigkeit besaß und das gerade auch für ’Isa bindend war, Muusa auf einem Berg in der Wüste Sinai offenbart wurde. Und schließlich bedeutet "diese Stadt in Sicherheit" ` zweifelsohne Mekka, wo der Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, geboren wurde und wo er seine Berufung Allahs erhielt. So machen uns die Ajas 1 bis 3 auf die grundlegende ethische Einheit aufmerksam, die allen Lehren - den wahren Lehren - der drei geschichtlichen Phasen der monotheistischen Religionen gemeinsam ist, metonymisch personifiziert' in Moses, Jesus und Muhammad. (Asad)

 

4. Wir haben den Menschen gewiss in schönster Gestalt erschaffen.4

4. Der Mensch als das höchststehende Geschöpf Allahs, wird rein und individuell vollkommen geboren, ohne dass irgendeine Kette von Reinkarnationen ihn zu ständigem Auf und Ab veranlassen würde und gewiss ohne das geringste Stigma der Erbsünde. (Darjabaadi)

 

5. Dann lassen Wir ihn in tiefste Erniedrigung absinken,5

5. Der Mensch besitzt allerdings auch die Möglichkeit, in so tiefe Erniedrigung abzusinken, wie sie kein anderes Geschöpf zu erreichen vermag. Dann sind ihm selbst die Tiere noch überlegen, weil sie ihre Natur nicht verderben. Sie lobpreisen ihren Herrn und erfüllen ihre Aufgabe auf Erden, wie es ihnen auferlegt ist. Doch der Mensch, der auf beste Weise veranlagt ist und die großartigsten Möglichkeiten besitzt, verleugnet seinen Herren und sinkt dadurch unendlich tief. (Qutb)

 

6. Außer denjenigen, die den Imaan verinnerlichen und gute Werke tun. Ihnen wird unendlicher Lohn zuteil.6

6. Denn dies sind gute Menschen, die an ihrer aufrechten Natur festhalten, sie in Einklang bringen mit dem Imaan durch gute Taten, sie auf die Ebene der Vollkommenheit erheben, die ihr bestimmt ist und schließlich ein Dasein in Vollkommenheit in einer Welt der Vollkommenheit erlangen sollen, wo "ihnen unendlicher Lohn zuteil wird". Jene aber, die ihre Natur absinken lassen, gleiten den glitschigen Pfad hinab, bis sie die niedrigste Ebene, nämlich die Hölle, erreicht haben, wo ihr Menschsein vergeht und sie vollkommen erniedrigt sind. Beide Endstationen sind das natürliche Ergebnis von zwei völlig verschiedenen Ausgangspositionen und Handlungsweisen. (Qutb)

 

7. Was also kann dich danach veranlassen, das (bevorstehende) Gericht als Lüge zu verwerfen?7

7. Was bringt dich, o Mensch, dazu, den Islam zu verleugnen, nachdem du diese Tatsache erkannt hast, nachdem dir die Bedeutung des Islams im Dasein der Menschheit klar geworden ist und nachdem du auch begriffen hast, welches Schicksal jene erwartet, die nicht den Imaan verinnerlichen wollen, sich vom Licht abwenden und sich weigern, den geraden Weg, der von Allah aufgezeigt worden ist, einzuschlagen? (Qutb)

 

8. Ist Allah nicht der gerechteste aller Richter?8

8. Allah ist weise und gerecht. Darum auch haben die Aufrichtigen nichts zu fürchten, während die Bösen der Bestrafung nicht entgehen können. (Juusuf `Allii)

 

Einführung zu Suura 96

Die Ajas 1 bis 5 dieser Suura waren die erste Offenbarung, die unserem Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, zuteil wurde. Es kam dann eine Unterbrechung, möglicherweise von einigen Monaten oder sogar mehr als einem Jahr. Es wird allgemein angenommen, dass große Teile von Suura 68 als nächstes offenbart wurden. Doch der Rest dieser Suura, die Ajas 6 bis 19, kam schon sehr bald nach der Unterbrechung und wurde an die Ajas 1 bis 5 angehängt, die die Aufforderung zur Verkündung enthalten, weil sie die wichtigsten Hindernisse bei der Verkündung der Botschaft erklären: Die Widerspenstigkeit des Menschen, seine Eitelkeit und seinen Hochmut. (Juusuf `Allii)

 

Das geronnene Blut

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Lies!1 Im Namen deines Herrn, Der erschaffen hat,

1. Dieser Befehl erging, darin stimmen alle Kommentatoren überein, in den letzten zehn Tagen des Monats Ramadaan 13 Jahre vor der Hidschra, der Auswanderung des Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, von Mekka nach Medina, das heißt nach christlicher Zeitrechnung im Juli oder August des Jahres 610. "Lies" oder "verkünde", wobei "lies" vorzuziehen ist, weil "verkünden" nichts weiter als eine mündliche Übermittlung - mit oder ohne Verständnis - von etwas bereits Niedergelegtem oder Auswendiggelerntem bedeutet, während "lesen" ` ein bewusstes Aufnehmen beinhaltet, mit oder ohne hörbarem Aussprechen, jedenfalls aber mit Verständnis, von Worten und Gedanken, die aus einer von außen kommenden Quelle stammen; in diesem Fall handelt es sich um die Botschaft des Qur’an. (Asad)

 

2. Erschaffen hat den Menschen aus geronnenem Blut.2

2. Er erschuf den Menschen aus geronnenem Blut, einer gewöhnlichen, ganz alltäglichen Substanz. Darin spiegelt sich jedoch die Gnade und Barmherzigkeit des Schöpfers ebenso wider wie Seine Macht. Aus Barmherzigkeit hat Er das geronnene Blut dazu auserwählt, Mensch zu werden, ein Mensch, der unterwiesen werden und lernen kann. (Qutb)

Einige Ausleger übersetzen "`alaq" عَلَق mit "Embryo", weil das Verb " `alaqa" festhängen bedeutet. Es wäre hier also die befruchtete Eizelle gemeint, die sich in der Gebärmutter eingenistet hat. (Anm. d. Übers.)

 

3. Lies! Und dein Herr ist der Allgütige,

4. Der gelehrt hat durch die Feder,3

3. Die arabischen Worte für "lehren" und "wissen" ` entstammen derselben Wurzel. Zusammen mit dem Wort für "Feder" entsteht eine vollkommene Harmonie von Worten, die lesen, schreiben, Bücher studieren Forschung mit einschließt, so wie das Wort "Wissen" Wissenschaft, Selbsterkenntnis und spirituelles Verständnis beinhaltet. Das Verkünden oder Lesen bzw. Vortragen bedeutet nicht nur die Verpflichtung, Allahs Botschaft nach besten Kräften bekannt zu machen, was prophetische Aufgabe ist, sondern auch die Pflicht zur Weiterverbreitung und Ausstreuung der Wahrheit durch alle, die sie lesen und verstehen können. (Juusuf `Allii)

 

5. Den Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste.4

4. Der Mensch hat die nur ihm zugedachte Fähigkeit, seine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen mit Hilfe geschriebener Texte von einem zum anderen, von einer Generation zur nächsten, von einem Kulturkreis zum anderen zu übermitteln, so dass alles menschliche Wissen kumulativen Charakter besitzt. Und da aufgrund seiner von Allah gegebenen Eigenschaften jeder Mensch an diesem Prozess der unablässigen Anhäufung menschlichen Wissens mehr oder weniger teil hat, sagt man von ihm, dass er durch Allah Dinge gelehrt werde, die der einzelne nicht aus sich selbst heraus weiß oder wissen kann. (Diese doppelte Betonung der völligen Abhängigkeit des Menschen von Allah, Der ihn als biologische Einheit erschaffen und ihm den Willen und die Fähigkeit, Wissen zu erwerben, eingegeben hat, bekommt noch einen zusätzlichen Akzent in den folgenden drei Ajas). Darüber hinaus bedeutet des Menschen Belehrung durch Allah einen Akt der Offenbarung durch die Propheten, im Hinblick auf spirituelle Wahrheiten und ethische Wertmaßstäbe, die sich durch menschliche Erfahrungen und Schlussfolgerungen allem nicht gewinnen lassen, womit das Phänomen der Offenbarung Allahs als solcher umschrieben wird. (Asad)

 

6. Doch nein, der Mensch überschreitet das Maß Allahs,

7. Indem er meint, er sei sich selbst genug.5

5. All unser Wissen und all unsere Fähigkeiten kommen als Geschenke von Allah. Doch der Mensch in seiner völlig unbegründeten Selbstherrlichkeit und Anmaßung betrachtet die Gaben Allahs als seine eigenen Errungenschaften. (Juusuf `Allii)

 

8. Wahrlich, zu deinem Herrn ist die Rückkehr.6

6. Der Mensch ist sich keineswegs selbst genug, weder als einzelner noch in der Gemeinschaft. Wenn er sich in seinem Hochmut Allahs Gaben als eigenen Verdienst zuschreibt, so wird ihm seinerseits seine recht geringe physische Abkunft (aus einem Samentropfen) sowie seine unvermeidliche Rückkehr zu Allah vor Augen gehalten. (Juusuf `Allii)

 

9. Hast du jenen gesehen, der verwehrt

10. Dem Gottesdiener, dass er betet?7

7. Wörtlich: du wehrst dem Diener, wenn er betet. Es wird berichtet, dass Abuu Dschachl dem Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, einst voll Hochmut drohte, er werde ihm den Fuß in den Nacken setzen, falls er ihn beim Beten antreffen sollte. Doch als der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sich beim nächsten Mal in Gebetshaltung befand und Abuu Dschachl zu ihm kam, kehrte er sich angsterfüllt ab und sagte, er habe ganz deutlich einen Feuergraben zwischen sich und dem Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, gesehen, mit furchterregenden Kämpfern, die ihn verteidigen sollten. (Darjabaadi)

Die Bedeutung geht hier gewiss noch über das geschichtliche Ereignis hinaus. Gemeint sind alle Versuche, zu welcher Zeit auch immer, der Religion (symbolisiert durch den Begriff "beten") ihr legitimes Recht auf Formung des gesellschaftlichen Lebens zu versagen. Versuche übrigens, die aus der Überzeugung entsprungen sein mögen, dass Religion "Privatsache" sei und daher im gesellschaftlichen Bereich nichts zu suchen habe, oder aber aus der Illusion, dass der Mensch über jegliches Bedürfnis nach metaphysischer Rechtleitung erhaben sei. (Asad)

 

11. Hast du gesehen, ob er auf dem Pfad der Rechtleitung ist?

12. Oder Taqwa gebietet?

13. Hast du gesehen, ob er (die Wahrheit) als Lüge verwirft und sich abwendet?

14. Weiß er denn nicht, dass Allah (alles) sieht?

15. Doch nein? Wenn er nicht aufhört, werden wir ihn gewiss an seiner Stirnlocke ergreifen,

16. Einer lügnerischen, sündigen Stirnlocke.8

8. Die Stirnlocke ist an der Stirn und steht so symbolisch für den höchsten Punkt oder die Krone des Menschen und seiner Macht oder Würde. Bei der Stirnlocke ergriffen (oder gezerrt) zu werden, bedeutet die tiefste Demütigung. (Juusuf `Allii)

 

17. So möge er denn seine Berater9 herbeirufen.

9. Nach den Kommentatoren, die dazu neigen, solche Ajas rein historisch zu interpretieren, bezieht sich dies auf den traditionellen Ältestenrat im kaafir Mekka. Mir kommt es jedoch wahrscheinlicher vor, dass Bezug genommen werden soll auf den Hochmut ganz allgemein, der den Menschen nur allzu oft zu der Meinung veranlasst, er sei sich selbst genug - siehe auch vorstehende Ajas 6 und 7. (Asad)

 

18. Wir werden die Wächter der Hölle herbeirufen.10

10. Alle vereinten Kräfte des Bösen, so mächtig und erfolgreich sie zeitweise auch erscheinen mögen, können gegen Allah überhaupt nichts ausrichten. Er muss nur Seine strafenden Mächte herbeirufen, so werden sie das Böse bezwingen, die Diener Allahs beschützen und dem Diin, für den die Gottesdiener leiden, wieder zum Sieg verhelfen. (Juusuf `Allii)

 

19. Doch nein! Höre nicht auf ihn, sondern wirf dich (in Demut) nieder und nähere dich (Allah immer mehr).11

11. Diese Suura bezieht sich auf jeden gehorsamen Muslim, der die Menschheit dazu auffordert, den Pfad Allahs einzuschlagen, und auf jeden Tyrannen, der das Gebet zu verhindern trachtet, die Muslime zu bestrafen droht und von Hochmut erfüllt ist. Darum die Anweisung Allahs: „Höre nicht auf ihn, sondern wirf dich (in Demut) nieder und nähere dich (immer mehr Allah)." (Qutb)

 

Einführung zu Suura 97

In dieser Suura geht es um die mystische Nacht der Allmacht, in der die Offenbarung in diese von Finsternis umfangene Welt kommt - vielleicht indem sie einem einzelnen zuteil wird und seinen inneren Konflikt, entstanden durch falsches Handeln, in Frieden und Harmonie umwandelt. Das geschieht mit Hilfe von Engelscharen, die die geistige Kraft der Barmherzigkeit Allahs darstellen. (Juusuf `Allii)

 

Die Allmacht

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen

1. Wir haben ihn1 wahrlich in der Nacht der Allmacht herabgesandt.2

1. Den Qur’an

2. In dieser Suura ist von der versprochenen Nacht der Allmacht die Rede, die das gesamte Universum mit Freude und Gebet erfüllt. Es ist die Nacht der vollkommenen Verbindung zwischen dieser Welt und der höheren. Es ist die Nacht, in der die Offenbarung des Qur’an ihren Anfang nahm, ein Ereignis ohne gleichen in seiner Großartigkeit und Bedeutung für das Dasein der gesamten Menschheit. (Qutb)

 

2. Und was lässt dich wissen, was die Nacht der Allmacht ist?3

3. Aufgrund mehrerer Überlieferungen kann angenommen werden, dass die Nacht der Allmacht eine der letzten zehn Nächte - möglicherweise die siebenundzwanzigste - des Monats Ramadaan dreizehn Jahre vor der Auswanderung unseres Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, von Mekka nach Medina war. (Asad)

 

3. Die Nacht der Allmacht ist besser als tausend Monate.4

4. Nacht der Allmacht schließt auch ein: Zuweisung, Bestimmung, Ordnung, oder es kann bedeuten Wert, Stellung und Rang. All diese Bedeutungen entsprechen dem großen, umfassenden Ereignis der Offenbarung des Qur’an und der Übertragung der Botschaft auf den Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm. Denn es ist das größte und kostbarste Ereignis, das das Universum je erlebte. Und es ist das Ereignis, das eindeutiger als jedes andere die Bestimmung und Ordnung des menschlichen Lebens darlegt. Diese Nacht ist besser als tausend Monate, wobei diese Zahl - wie auch an anderen Stellen im Qur’an - nicht eine exakte Anzahl zu bedeuten hat, sondern lediglich eine sehr große Zahl. Viele tausend Monate und viele tausend Jahre sind vorübergegangen, ohne dass auch nur ein Bruchteil von Veränderungen und Ergebnissen eingetreten ist, wie sie diese gesegnete Nacht für uns gebracht hat.

Diese Nacht ist zu gewaltig, zu geheimnisvoll, als dass sie unser Verstand wirklich begreifen könnte. Man sollte auch den vielen Legenden, die über diese Nacht unter dem Volk in Umlauf sind, kein Gewicht beimessen. Sie ist groß, weil Allah sie zur Offenbarung des Qur’an auserwählt hat, so dass sein Licht das Universum durchdringe und Friede Allahs im menschlichen Leben und Bewusstsein einziehe. Die Nacht ist groß wegen all dessen, was der Qur’an in sich einschließt: eine Weltanschauung, eine Grundlage für Wertmaßstäbe und einen allumfassenden Gesetzeskodex für ethisches und soziales Verhalten, alles Komponenten, die den Frieden in der menschlichen Seele und in der gesamten Welt fördern. Sie ist groß, weil die Engel, insbesondere Dschibriil, mit der Erlaubnis ihres Herrn herabgekommen sind, und den Qur’an mitgebracht haben, dessen erste Offenbarung in dieser Nacht stattfand. Wenn wir heute rückblickend nach dem Dahingehen von so vielen Generationen über diese herrliche, glückselige Nacht nachdenken und über den Kern der Offenbarung und ihre weit reichenden Auswirkungen auf das menschliche Leben und seinen Wert, dann können wir die Größe des Ereignisses erst richtig schätzen. In dieser Nacht ist alles, was von Bedeutung ist, klar und eindeutig dargelegt worden, neue Werte und Maßstäbe wurden errichtet, die Geschicke ganzer Völker wurden bestimmt. Aus Unwissenheit und zu ihrem Unglück mag die Menschheit die Bedeutung dieser Nacht und der in ihr eingesetzten neuen Wertmaßstäbe gar nicht wahrnehmen und damit die herrlichsten Segnungen, die größte Gnade, die Allah ihr zuteil werden ließ, verlieren. Sie verliert damit die wahre Glückseligkeit und den Frieden, der ihr durch den Islam angeboten wird: den Frieden, was das Gewissen, das Familienleben und die menschliche Gemeinschaft anbelangt. Was sie auf der anderen Seite an materiellen und zivilisatorischen Errungenschaften gewonnen haben mag, ist keinesfalls ein angemessener Ausgleich für diesen Verlust. Die Menschheit befindet sich in einem bedauernswerten Zustand, trotz wesentlich höherer Produktionsraten und besserer Lebensbedingungen. Das herrliche Licht, das einst ihre Seele erleuchtet hat, ist erloschen, die Glückseligkeit, die sie in höchste Höhen zu tragen vermochte, ist verebbt, der Friede, der Herzen und Verstand bis zum Überlaufen erfüllte, ist verschwunden. Nichts kann diese Glückseligkeit, das himmlische Licht und die Erhebung in höchste Regionen ersetzen.

Wir, die wir an den Islam den Imaan verinnerlichen, werden dazu aufgefordert, dieses Ereignis nicht zu vergessen. Der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, hat uns eine leicht nachzuvollziehende, beglückende Art und Weise gelehrt, wie wir diese Nacht begehen können, so dass unsere Herzen in enger Verbindung mit dem umfassenden Ereignis verbleiben, das in dieser Nacht stattfand. Er hat uns dazu ermahnt, diese Nacht alljährlich in Anbetung zu verbringen. Er hat gesagt: „Suche die Nacht der Allmacht in den letzten zehn Nächten des Ramadaan." „Derjenige, der die Nacht der Allmacht in Anbetung verbringt, aus Imaan und aufrichtiger Hingabe, dem werden seine vorherigen Sünden vergeben." Die islamische Art, den Charakter zu formen, verbindet die Anbetung mit dem Imaan und der Wahrheit, die sich im Herzen und Bewusstsein des einzelnen festsetzt. Nach dieser Methode wird die Anbetung als Mittel zur Erkenntnis der Wahrheit betrachtet, die auf diese Weise einen ständigen Einfluss auf das Gewissen des Menschen und sein Verhalten ausübt. Theoretisches Verständnis der Wahrheit allein und ohne Gebet vermag nicht den notwendigen Anstoß zu deren Verwirklichung im Leben des einzelnen und der Gesellschaft zu geben. Die Verbindung zwischen dem Begehen der Nacht der Allmacht und deren Umsetzung im Imaan -und Gebet ist ein Teil der erfolgreichen Erziehungsmethoden des Islam. (Qutb)

 

4. In ihr kommen die Engel herab und der Geist, mit Ermächtigung ihres Herrn, mit jeglichem Beschluss (Allahs),

5. Friede ist sie bis zum Anbruch der Morgendämmerung.5

5. Wenn die Nacht der geistigen Finsternis durch Allahs Herrlichkeit gebannt ist, zieht ein wunderbarer Friede und ein Gefühl der Sicherheit in die Seele ein. Und das hält an, bis dieses Leben zu Ende geht und der herrliche Tag einer neuen gestrigen Welt heraufdämmert, wo alles auf einer ganz anderen Ebene sein wird und die wildbewegten Erdentage nichts weiter als ein Traum sein werden. (Juusuf `Allii)

 

Einführung zu Suura 98

Dies ist möglicherweise eine frühe medinensischen Suura, sie kann aber auch noch in das Ende der Zeit von Mekka fallen.

Sie setzt den Gedankengang der letzten Suura fort. Die mystische Nacht der Offenbarung Allahs ist wahrlich voll Segen. Doch diejenigen, die den Islam zurückweisen, sind unzugänglich für Allahs Botschaft, auch wenn die Beweise für deren Untermauerung noch so klar sind. (Juusuf `Allii)

 

Der klare Beweis

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Nie können sich die, die kaafir sind von den Leuten der Schrift1 und die Götzendiener2 loslösen (aus ihrem Irrglauben)3, bis nicht der klare Beweis zu ihnen kommt.

1. Hier geht es unmittelbar um die Juden und Christen, die ihre Schriften aus derselben Kette von Propheten erhalten hatten, aus der auch der Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, hervorgegangen ist. Ihre Schriften hätten sie eigentlich vorbereiten sollen auf das Kommen des größten und letzten Gesandten Allahs. Denn die jüdischen Schriften versprachen den Juden, den Vettern und Brüdern der Araber, einen Propheten wie Muusa: „Einen Propheten wie mich wird dir Jahwe, dein Gott, aus der Mitte deiner Brüder erstehen lassen, auf ihn sollt ihr hören." (Deut., 5. Moses 18:15). Und 'Isa versprach einen Tröster, den er nahezu beim Namen nannte, (Joh. 14:16: "Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Helfer geben, damit er in Ewigkeit bei euch bleibe." Joh. 15:26: „Wenn der Tröster kommt, den ich euch vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird von mir Zeugnis ablegen."). Die Leute der Schrift fielen von der wahren, geraden und allgemein gültigen Religion ab und spalteten sich in zahlreiche Richtungen auf und waren nicht bereit, auf den rechten Pfad zurückzukehren, bis sie - wie sie selbst sagten, - durch das Kommen des versprochenen Propheten überzeugt sein würden. Als jedoch der versprochene Prophet in der Person Muchammads, Allahs Segen und Frieden auf ihm, kam, verleugneten sie ihn, weil sie in Wirklichkeit gar nicht nach der Wahrheit suchten, sondern nur ihren eigenen Wunschvorstellungen und Begierden folgten. (Juusuf `Allii)

2. Die Götzenanbeter, die Heiden, hatten vordem noch nicht an irgendwelche Offenbarungsschriften geglaubt. Als dann klare Beweise zu ihnen kamen, hätten sie den Imaan verinnerlichen sollen. Doch sie verleugneten den Propheten Muhammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, weil sie nicht wirklich nach der Wahrheit suchten, sondern, wie auch die Juden und die Christen, nur ihren eigenen Wunschvorstellungen und Begierden folgten. (Juusuf `Allii)

Die Leute der Schrift und die Götzenanbeter werden unter dem Begriff des Kufrs zusammengefasst, da sie beide an die letzte Offenbarung nicht den Imaan verinnerlichen und den Muslimen gegenüber nur Hass und Groll empfinden, wobei das, was sie ihnen am meisten missgönnen, diese Religion und dieser Qur’an ist. - Siehe auch 2:105. (Qutb)

3. Nach ibn Taymiija sollte "lam yakun munfakkin" anstatt durch "... konnten (sie) sich nicht (aus ihrem Irrglauben) befreien" übersetzt werden mit "werden sie nicht aufgegeben / im Stich gelassen / verlassen" das heißt von Allah verdammt, bevor ihnen nicht der rechte Weg durch einen von Allah entsandten Propheten gezeigt wird und sie sich daraufhin bewusst geweigert haben, ihn zu befolgen. Dies stimmt auch überein mit wiederholten Darlegungen im Qur’an, die besagen, dass Allah niemanden für falsche Aqida und schlechte Taten zur Rechenschaft zieht, bevor ihm nicht die wahre Bedeutung von Recht und Unrecht klargemacht worden ist. (Siehe 6:131-132 und der zweite Absatz von 17:15). Deshalb bezieht sich "der klare Beweis" nicht nur auf den Qur’an und den Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sondern auch auf alle vorausgegangenen Propheten und Offenbarungen (siehe 42:13), ebenso wie die "Anweisungen von ewiggültiger Wahrhaftigkeit und Klarheit" (siehe Aja 5) allen von Allah eingegebenen Botschaften, von denen der Qur’an die letzte und vollkommenste darstellt, gemeinsam sind. (Asad)

 

2. Ein Gesandter von Allah, der ihnen reine (unverfälschte) Schriftblätter vortrug.4

4. Der klare Beweis ist der Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, selbst, sein Leben seine Persönlichkeit und seine Lehre. (Qutb)

Siehe auch Suura 80 Ajas 13-16. (Juusuf 'Allii)

 

3. Darin sind Vorschriften von ewiggültiger Wahrhaftigkeit und Klarheit.5

5. Das Adjektiv "qayjim" sollte wegen seiner umfassenden Bedeutung durch mehrere Begriffe wiedergegeben werden. (Asad)

Das bedeutet "gerade" im Gegensatz zu. "krumm", "allgemeingültig" im Gegensatz zu "abweichend", "eindeutig" und "ewiggültig" im Gegensatz zu "zufällig" und "zeitlich begrenzt". (Juusuf `Allii)

 

4. Und jene, denen die Schrift gegeben worden ist, verfielen erst in Zwietracht, nachdem der klare Beweis zu ihnen gekommen war.6

6. Diese Suura behandelt auf positive Weise eine Reihe von Tatsachen, die sich auf die Geschichte und den Islam beziehen. Die erste Tatsache ist, dass die Entsendung des Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, unerlässliche Voraussetzung war für die, Umwandlung jener, die frühere Offenbarungen erhalten hatten und die Götzenanbeter, die dem Kufr verfallen waren. Sie vermochten sich ohne die Hilfe dieser prophetischen Sendung nicht aus ihrem Irrglauben zu befreien (siehe Aja 3). Die zweite Tatsache ist, dass religiöse Uneinigkeiten auf Streitereien unter den Empfängern früherer Offenbarungen nicht aufgrund ihrer Unwissenheit über ihre Religion oder wegen irgendwelcher Unklarheiten oder Zweideutigkeiten darin entstanden sind. Sie begannen mit ihrem Zank im Gegenteil erst, nachdem ihnen wahres Wissen und klare Beweise zuteil geworden waren (siehe Aja 4).

Die dritte Tatsache ist, dass die Religion einen einzigen Ursprung hat. Ihre Grundsätze sind einfach und klar und rechtfertigen daher Spaltungen und Streitigkeiten in keiner Weise- (siehe Aja 5).

Die vierte Tatsache ist, dass diejenigen, die den Islam verleugnen, nachdem sie klare Beweise erhalten haben, die schlimmsten Geschöpfe von allen sind, während die, die den Imaan verinnerlichen und gute Taten vollbringen, die besten aller Geschöpfe sind. Darum erhalten sie auch völlig unterschiedliche Belohnungen. Diese vier Tatsachen sind ebenso wertvoll für ein vollkommenes Verständnis der Rolle der islamischen Weltanschauung, die die abschließende Botschaft Allahs darstellt, wie auch für die Festlegung der eigenen Aqida (siehe Aja 6 bis 8). (Qutb)

 

5. Und es ist ihnen nichts anderes geboten worden7, als dass sie Allah dienen sollen, Aufrichtig Ihm gegenüber in der Religion und mu’min, und das Gebet verrichten und die Sakat8 geben; und das ist die rechte Diin.9

7. Die drei ewig-gültigen Grundsätze des Islams sind:

1. aufrichtige Hingabe an Allah;

2. Gebet und Lobpreisung, mit deren Hilfe man Allah und der geistigen Welt näher zu kommen vermag, und

3. der Dienst an Allahs Geschöpfen durch Taten der Nächstenliebe. (Juusuf8

8. Siehe 2:43 und Fußnote 58 dazu. (Anm. d. Übers.)

Da Sakat hier offenbar eine weitaus umfassendere Bedeutung hat als "Abgabe für Bedürftige", die den Muslimen zur Pflicht gemacht worden ist (wodurch ihre Einkünfte und ihr Besitz vom Makel der Selbstsucht gereinigt werden sollen), sollte es eigentlich heißen: die in Mildtätigkeit etwas hingeben, Gutes tun. (Asad)

9. Die grundsätzlichen Forderungen des Islams, der Wahrheit sind: Die Erkenntnis der Einheit und Einzigartigkeit  Allahs und darauf fußend die Verantwortung des Menschen Ihm gegenüber; das Abwenden von allen falschen Ansichten, Worten und Vorstellungen, von jeglicher Selbstüberschätzung und allem Aberglauben, und schließlich Güte und tätiges Mitgefühl für alle Geschöpfe Gottes. (Asad)

 

6. Wahrlich diejenigen, die kaafir waren unter den Leuten der Schrift und den Götzendienern, werden ins Feuer der Hölle kommen und dort verweilen. Sie sind die schlimmsten der Geschöpfe.10

10. Mit der Gabe der Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht versehen zu sein und dann die Wahrheit und das Rechte zu verleugnen, ist die schlimmste Art der Unvernunft, die ein mit freier Willensentscheidung begabtes Geschöpf begehen kann. Dies muss notwendigerweise eine Bestrafung nach sich ziehen, einerlei ob der Betreffende sich zu den "Kindern Ibraahiims" zählt oder zu denen, die durch Christus "erlöst" ` wurden, oder aber ob er sich nur von den "Naturgesetzen" und seinem Verstand leiten lässt wie ein Heide oder Atheist. Ehre gebührt vor dem Angesicht Allahs nicht einer bestimmten Rasse oder einem Bekenntnis, sondern nur dem aufrichtigen und rechtschaffenen Verhalten. (Juusuf `Allii)

 

7. Wahrlich, diejenigen, die den Imaan verinnerlichen und gute Werke tun, sie sind die besten der Geschöpfe.11

11. Man vergleiche das mit dem vorangegangenen Aja. Menschen, die ein Leben des Islams leben, rechtfertigen den Sinn ihrer Prüfungszeit hier auf Erden. Sie erlangen die Erfüllung ihrer höchsten Hoffnungen, nämlich das Paradies. (Juusuf `Allii)

 

8. Ihre Belohnung bei ihrem Herrn sind Gärten der Ewigkeit, unter denen Bäche fließen. Dort werden sie für immer verweilen. Allah wird wohl zufrieden sein mit ihnen,12 und sie werden wohl zufrieden sein mit Ihm.13 Dies ist jener, der seinen Herrn fürchtet.14

12. Wenn wir geistig Fortschritte machen und unser Wissen und unsere Liebe zu Allah immer mehr wächst, dann ist es unserem eigenen Willen nahezu unmöglich, an irgend etwas Vergnügen zu finden außer an dem, was Ihm gefällt. (Darjabaadi)

13. Die Zufriedenheit der letztendliche Segen der Errettung. Die Zufriedenheit ist wechselseitig. Der, der wahrlich errettet sein wird, ist jener, der in vollkommener Übereinstimmung mit Allahs allumfassendem Willen lebt. (Juusuf `Allii)

14. Die Furcht vor Allah ist jene Furcht, gegen Sein geheiligtes Gesetz zu verstoßen, die Furcht, etwas zu tun, was Seinem geheiligten Willen zuwiderläuft. Diese Art von Furcht ist noch höher einzustufen als die Liebe. Denn mit ihr erwacht das Bewusstwerden der liebevollen Fürsorge Allahs für alle Seine Geschöpfe. (Juusuf `Allii)

 

Einführung zu Suura 99

Diese Suura dürfte etwa zur selben Zeit offenbart worden sein wie die letzte. Sie behandelt die ungeheuerliche Umwälzung, die eintreten wird, wenn die jetzige Weltordnung verschwindet und eine neue geistige Welt der Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit deren Platz einnehmen wird. Das hier verwendete Symbol ist das Erdbeben, das unsere jetzige materielle Welt und deren Erscheinungsformen bis in die Grundfesten erschüttern wird. Die mystischen Begriffe, mit deren Hilfe das Erdbeben beschrieben wird, sind sowohl in ihrer Wortgewalt wie auch in ihrer beschreibenden Kraft äußerst bemerkenswert. Mit dem Beben werden alle verborgenen Geheimnisse ans Licht gebracht. (Juusuf `Allii)

 

Das Erdbeben

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Wenn die Erde von Erdbeben -erschüttert wird,1

1. Für den gewöhnlichen menschlichen Beobachter ist ein heftiges Erdbeben ein erschreckendes Naturereignis, sowohl was sein plötzliches Auftreten betrifft, wie auch wegen seines mysteriösen Ursprungs und seiner Urgewalt, durch die es die mächtigsten Gebäude zu zerstören und seltsame Dinge aus den Tiefen der Erde hervorzubringen vermag. Das überwältigende Ereignis, das den Tag des Jüngsten Gerichts einleitet, wird ein gewaltigeres und weiter reichendes Ereignis sein als irgendein Erdbeben, das uns bekannt ist. Doch die Begleitumstände eines Erdbebens können uns zumindest eine Vorstellung vermitteln von diesem allergrößten, welterschütternden Ereignis. (Juusuf ’Allii)

 

2. Und die Erde ihre Bürde herauswirft,

3. Und der Mensch (angsterfüllt) ruft: „Was ist mit ihr?"2

2. Das ist der Tag des Jüngsten Gerichts, wenn die fest gefügte Erde erzittert und heftig bebt, ihre lang getragene Bürde auswirft bestehend aus Toten und Bodenschätzen und anderem, das schwer auf ihr lastete. Es ist ein Ereignis, das alles Feste unter den Füßen der Anwesenden erschüttert und zum Beben bringt. Es ist eine Szene, die das Herz von allem trennt, an das es sich auf Erden gehängt hatte in der Annahme, es sei fest und ewigwährend. Das ist der erste Eindruck, den der Qur’an davon vermittelt. Doch diese Szene hinterlässt einen noch viel tieferen Eindruck durch die Reaktion des Menschen auf all das, in dem er voll Furcht ausruft: „Was ist mit ihr?" (Qutb)

 

4. An diesem Tag berichtet sie ihre Erlebnisse,

5. So wie dein Herr es ihr eingegeben hat.3

3. An dem Tag, wenn das Erdbeben eintritt und den Menschen bis ins Innerste erschüttert, wird die Erde berichten, was ihr Herr ihr eingegeben hat. Die Erde wird dann ihren Zustand beschreiben und sagen, was ihr alles zugestoßen ist. Und das alles wird geschehen, weil ihr Herr es ihr eingeben wird, weil Er ihr geboten hat, zu erbeben und ihre Bürde abzulegen. Sie gehorcht dem Gebot ihres Herrn in aufrichtiger Unterwerfung. (Qutb)

 

6. An diesem Tag treten die Menschen hervor in verschiedenen Gruppen,4 damit ihnen ihre Taten gezeigt werden,5

4. In dieser Welt sind Gut und Schlecht miteinander vermengt. Dann jedoch werden sie voneinander getrennt und nach Grad der Güte und der Schlechtigkeit einander zugeordnet werden. Dann werden die einzelnen Gruppen antreten, um vor Gericht gestellt zu werden. Und es wird ihnen gezeigt werden, welche Bedeutung alles tatsächlich hatte, was sie gedacht, getan oder gesagt haben in diesem Dasein der Prüfung, auch wenn sie es noch so sorgfältig geheim zu halten trachteten oder in einem anderen Licht darzustellen versuchten. Alles wird bei der Abrechnung in Betracht gezogen werden, und diese Abrechnung wird so sein, dass die Betroffenen selbst von ihrer Richtigkeit überzeugt sein werden. (Juusuf `Allii)

5. Das ist furchtbar und beängstigend - sie gehen dorthin, wo ihnen ihre Taten gezeigt werden, sie werden ihre Taten und ihre Belohnung oder Bestrafung vor sich sehen. Die eigenen Taten vor sich zu sehen kann manchmal ärger sein als die schlimmste Strafe. Der Mensch tut gelegentlich Dinge, über die er selbst dann nachzudenken vermeidet, wenn er ganz alleine ist. (Qutb)

 

7. Und wer Gutes im Gewicht eines Stäubchens getan hat, wird es sehen,

8. Und wer Schlechtes im Gewicht eines Stäubchens getan hat, wird es sehen.6

6. Es gibt nichts Unbestechlicheres unter den Gewichten in dieser Welt als ein mu’min Herz. Denn das mu'min Herz spürt selbst das Gewicht eines Stäubchens, sei es nun gut oder schlecht. Doch es gibt in dieser Welt manche Herzen, die selbst durch ganze Berge von Sünden und Verbrechen ungerührt bleiben, während sie alles Gute zurückzuhalten trachten. Diese Herzen mögen sich auf Erden alles mögliche einbilden, am Tag des Jüngsten Gerichts jedoch werden sie unter ihrer eigenen Bürde zusammenbrechen. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 100

Dies ist eine der frühesten makkanischen Suuras. Sie handelt von der Unwiderstehlichkeit geistiger Macht und geistigen Wissens im Gegensatz zur Undankbarkeit, Bedeutungslosigkeit, Hilflosigkeit und Unwis­senheit des durch Sündhaftigkeit verdorbenen Menschen. (Juusuf `Ali)

 

Die Dahinrennenden

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Bei den schnaubend dahinrennenden (Rossen),1

1. In diesen ersten fünf Ajas finden wir zumindest drei verschiedene Ebenen mystischer Bedeutung.

1. Schaut auf die dahin-rennenden Reittiere (Rosse oder Reitkamele), die sich auf Geheiß ihrer Herren schnaubend in die Schlacht werfen. Sie stür­men auf Befehl ihrer Reiter los, indem sie mit ihren Hufen Feuerfunken schlagen, die in der Nacht aufleuchten. Sie gehen in der Morgendämmerung zum Angriff über und räumen damit ritterlich dem Gegner die Möglichkeit der Verteidigung bei Tageslicht ein. Und ohne sich um den aufblitzenden Stahl und die Waffen der Feinde zu kümmern, stoßen sie mitten in die Reihen der Widersacher vor, setzen ihr Leben für die Sache ein. Zeigt der in seiner Sündhaftigkeit unverbesserliche Mensch seinem Herrn gegenüber ebensolche Treue? Ganz im Gegenteil, er ist voll Undankbarkeit gegen Allah: Dies beweist er durch seine Taten. Er ist ganz und gar dem Streben nach Geld und, vergänglichen Dingen erlegen.

2. Sinnbildlich verstanden mag die mutige Treue des Schlachtrosses für die Zuverlässigkeit jener tapferen Menschen stehen, die das Banner Allahs hochhalten und es dem Sieg entgegentragen, im Gegensatz zur Feigheit und Kleinlichkeit des sündigen Menschen.

3. Der ganze Streit, Kampf und Sieg mag sich auf die geistige Kriegsführung gegen jene beziehen, die sich vom Lager des Bösen haben einfangen und überwältigen lassen. (Juusuf ’Allii)

 

2. Die (mit ihren Hufen) Feuerfunken schlagen,

3. Und bei Morgendämmerung angestürmt kommen,

4. Und dabei Staubwolken aufwirbeln,

5. Und so inmitten (der Feinde) vordringen.2

2. Die meisten Kommentatoren gehen davon aus, dass die Reittiere symbolisch für den Kampf der Muslime für die Sache Allahs stehen und dass sie daher etwas überaus Lobenswertes darstellen. Dabei wird die Diskrepanz außer acht gelassen, die so zwischen einem so positiven Bild und den Ajas 6 bis 11 entsteht, in denen Verurteilung zum Ausdruck kommt, abgesehen davon, dass dann jegliche logische Verbindung zwischen den beiden Teilen der Suura fehlt. Da so eine logische Verbindung aber bestehen muss und die Ajas 6 bis 11 zweifelsohne verurteilenden Charakter besitzen, müssen wir zu dem Schluss gelangen, dass sie im selben oder zumindest ähnlichen Sinn auszulegen sind. So nehme ich an, dass von den dahinrennenden Reittieren keineswegs lobend gesprochen wird, sondern dass sie im Gegenteil für die irrende menschliche Seele stehen, eine Seele, die keine geistige Ausrichtung kennt, sondern völlig besessen ist von allen möglichen falschen, selbstsüchtigen Begierden, auf die sie sich wie wahnsinnig stürzt, ohne vom Gewissen oder Verstand in Zaum gehalten zu werden, mit Blindheit geschlagen durch die Staubwolken von wirren und verwirrenden Neigungen, sich in unlösbare Pro­bleme stürzend und so sich selbst der geistigen Vernichtung preisgebend. (Asad)

 

6. Wahrlich, der Mensch ist gegen seinen Herrn undankbar,

7. Und wahrlich, er ist selbst Zeuge dafür, 3

3. Es ist eine Tatsache, dass der Mensch mit Undankbarkeit auf all die Segnungen seines Herrn reagiert. Seine Undankbarkeit spiegelt sich in einer Unzahl von Taten und Worten wider, die am Tage des Gerichts gegen ihn Zeugnis ablegen werden, oder er wird vielmehr dann selbst Zeuge gegen sich sein. (Qutb)

 

8. Und er ist wahrlich von heftiger Liebe zu Reichtum besessen.4

4. Der Mensch liebt sich selbst leiden schaftlich.Für sich selbst liebt er leidenschaftlich nur, was er für gut hält: Reichtum, Macht und die weltlichen Freuden. Das ist seine Natur, es sei denn er besitzt Imaan, der einen völligen Wandel in ihm herbeiführt. Der Imaan wandelt Undankbarkeit in demütige Dankbarkeit, Gier und Geiz in Wohltätigkeit und Mitgefühl. Er macht, dass er wahre Werte erkennt, um die zu kämpfen sich tatsächlich lohnt und die weitaus höher stehen als Geld, Macht und Vergnügungen. (Qutb)

 

9. Weiß er denn nicht, wenn durchwühlt (und umhergestreut) wird, was in den Gräbern ist,

10. Und offenbar wird, was in den Herzens5 ist,6

5. Wörtlich: in den Brüsten. (Anm. d. Übers.)

6. Zum Schluss zeigt diese Suura das Heilmittel gegen Undankbarkeit, Gier und Geiz auf, indem sie an die Wiederauferstehung erinnert, wenn jede Seele zu Allah zurückgebracht wird, Der alles um sie weiß. (Qutb)

 

11. Dass ihr Herr an diesem Tag mit (all) dem wohl vertraut ist7

7. Tote, geheime Verschwörungen, böse Gedanken und Vorstellungen, die schon längst begraben zu sein schienen, werden dann vor dem Richterstuhl Allahs wieder hervorgebracht werden. Anstatt wohlversteckt oder ganz und gar ausgelöscht zu sein - so wie die Menschheit sie aus ihrem Bewusstsein zu verdrängen bestrebt war - werden sie nun vor Allahs Allwissenheit bloßgestellt dastehen, die alles umfasst und keinen Schlaf und keine Müdigkeit kennt. (Juusuf `Allii)


 

Einführung zu Suura 101

Diese makkanische Suura beschreibt den Tag des Jüngsten Gerichts als Tag des Wehklagens (oder des Ver­hängnisses), wenn der Mensch von Angst gequält und diese Welt verloren sein wird, wo jedoch jegliche Tat gerecht gewogen und ihr tatsächlicher Wert beigemessen wird. (Juusuf `Allii)

 

Das Verhängnis

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Das Verhängnis.

2. Was ist das Verhängnis?

3. Und was lässt dich wissen, was das Verhängnis ist?1

1. Das Verhängnis oder der Tag des Pochens, des Lärms und Tumults, das heißt der Tag des Jüngsten Gerichts, wenn die gegenwärtige Weltordnung in einer ungeheuerlichen Erschütterung eine völlige Umwälzung erfahren wird und jede mensch­liche Tat ihre wahren und gerechten Folgen nach sich ziehen wird, als ob sie in einer Waagschale gewogen würde. (Juusuf

 

4. Der Tag, an dem die Menschen wie verstreute Motten sein werden,2

2. Motten sind überaus zerbrechlich. Sie wie durch einen heftigen Sturm verstreut herumliegen zu sehen, vermittelt eine Vor­stellung von dem Durcheinander, der Furcht und Hoffnungslosigkeit, von denen der Mensch am Tag der Abrechnung über­wältigt sein wird. (Juusuf `Allii)

 

5. Und die Berge wie gerupfte Wollflocken sein werden.3

3. Die Berge sind so festgegründet, dass es scheint, als könnte nichts sie bewegen. Doch im Verlauf dieser furchtbaren Erschüt­terung werden sie wie gerupfte Wollflocken umhergewirbelt werden. Durch dieses Sinnbild wird uns vor Augen geführt, dass das, was wir in diesem Leben für sehr bedeutungsvoll halten, in der jenseitigen Welt wie nichts sein wird. (Juusuf `Allii)

 

6. Derjenige, dessen Waagschalen dann schwer sind,

7. Dem wird ein Leben der Zufriedenheit beschieden sein.

8. Und der, dessen Waagschalen leicht sind,

9. Dessen Heimstätte4 ist ein Abgrund.

4. Wörtlich: "Seine Mutter wird ein Abgrund sein", nämlich ein Abgrund an Leid und Verzweiflung. Der Begriff "Mutter" wird hier als arabische sprachliche Eigentümlichkeit verwendet, um das zu bezeichnen, was umhüllt und umschließt. (Asad)

 

10. Und was lässt dich wissen, was das ist?

11. Ein heiß brennendes Feuer.5

5. Es ist sehr nützlich für uns, über die Waagschalen nachzudenken und uns zu überlegen, ob sie schwer oder leicht sind. Das bedeutet nämlich, dass es Maßstäbe gibt, nach denen Allah beurteilt, was wertvoll und was wertlos ist. Das ist ganz allgemein, was Allah uns damit sagen will. Er weiß um diese "Waagschalen" und uns steht es nicht an, uns in vielschichtige logische und linguistische Diskussionen über den Begriff "Waagschale" einzulassen. Denn damit würden wir vom Geist des Qur’ans abweichen. Wenn es heißt, dass die Heimstätte oder Zuflucht, wörtlich die Mutter, der Abgrund_ ist, so bringt das folgende Überlegung mit sich: Es ist die Mutter, der sich das Kind um Hilfe und Schutz bittend zuwendet, so wie es zu Hause Zuflucht und Sicherheit sucht. Aber jene, deren Waagschalen leicht sind, können sich nur dem Abgrund zukehren. Die Wortwahl ist hier äußerst subtil und es klingt etwas Geheimnisvolles dabei an, wodurch die nachfolgende Frage beson­ders wirkungsvoll wird. Die Antwort darauf - ein glühend heißes Feuer - ist also im übertragenen Sinn die "Mutter" jener, deren Waagschalen leicht sind. Das ist es, wohin er sich um Hilfe und Schutz wendet, um Sicherheit und Trost! Nichts anderes als ein Abgrund und ein glühend heißes Feuer. Wie ein Schock wird uns hier die harte Realität klargemacht. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 102

Diese vermutlich in der frühen medinensischen Zeit offenbarte Suura soll eine Warnung vor Habgier sein, also vor der Leidenschaft, zu raffen und anzuhäufen, sei es nun weltliche Güter oder was immer der Grö­ßenwahn dem Menschen eingeben mag und was ihm dann keine Zeit oder Möglichkeit mehr lässt, sich mit den höheren Dingen des Lebens zu beschäftigen. (Juusuf `Allii)

 

Das streben nach mehr

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Das Streben nach immer mehr lenkt euch (von Höherem) ab,

2. Bis ihr die Gräber aufsucht.1

1. Diese Suura hat einen wahrhaftig majestätischen Rhythmus, sie erfüllt einen mit Furcht, als stehe der Warner auf erhöhtem Platz vor einem und ließe seine Stimme weithin erschallen. Er ruft Menschen an, die benommen, trunken, verwirrt sind, sie taumeln herum mit geschlossenen Augen und abgestumpften Gefühlen, so dass der Warner sie nur aufrütteln kann, indem er sie an ihre Gräber erinnert. (Qutb)

 

3. Doch nein! Ihr werdet es wissen.

4. Abermals nein! Ihr werdet es wissen.

5. Doch nein! Wenn ihr es nur mit Gewissheit wüsstet!2

2. Hätten die Menschen also gewusst, was sie eigentlich mit absoluter Gewissheit wissen sollten, dann hätten sie sich niemals auf einen so menschenunwürdigen Wettstreit um letztlich völlig unwichtigen Gewinn eingelassen. (Qutb)

 

6. Gewiss werdet ihr das Höllenfeuer sehen.

7. Dann werdet ihr es bestimmt mit dem Auge der Gewissheit sehen,

8. Dann werdet ihr an jenem Tag über die Gnaden befragt werden (die euch zuteil geworden sind).3

3. Wir werden nach allem befragt werden, nach jedem Vergnügen, in das wir uns eingelassen haben, ob es nun falscher war oder Freude an Wertlosem, ganz und gar Schlechtes oder Dinge, die uns erlaubt waren. (Juusuf `Allii)

Über alles müssen wir uns Fragen gefallen lassen: wie wir es erlangt haben, was wir damit gemacht haben, ob wir es für uns zulässigen Quellen schöpfen und auf erlaubte Weise ausgegeben haben oder nicht. Ob wir Allah für Seine gedankt haben, den Armen den ihnen zustehenden Anteil zukommen ließen, ob wir es womöglich ganz eifersüchtig für uns selbst verwendet haben. Auch über unseren Wettstreit beim Zusammenraffen von Reichtümern und auf was sonst wir so stolz waren. Das alles ist eine schwere Bürde für uns, an die wir überhaupt nicht denken, während wir all den fieberhaften Beschäftigungen und Vergnügungen unsere Zeit vertun. Eine schwere Verantwortung ruht auf uns. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 103

Diese frühe makkanische Suura enthält eine vollständige Lebensanweisung aus islamischer Sicht für die Menschen. Sie legt in klarer und überaus knapper Form die grundlegenden Glaubensbegriffe dar, ja charakterisiert die gesamte islamische Gesellschaft, indem sie das Volk der Muslime in den wichtigsten Eigenschaften beschreibt. Solcher Eloquenz in derart geraffter Form ist nur Gott mächtig. Die eine bedeutsame Tatsache, die diese Suura bestätigt ist, dass es im Verlauf der gesamten Menschheitsgeschichte nur einen lohnenden, unseres Vertrauens würdigen Pfad gegeben hat - den, den diese Suura aufzeigt - alle anderen mussten ins Verderben führen. (Qutb)

 

Die Zeit

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

 1. Bei der Zeit!1

1. "Al `Asr" الْعَصْر kann bedeuten:

1. Zeit im Verlauf der Jahrtausende oder langer Perioden. In diesem Fall entspricht es nahezu dem abstrakten Zeitbegriff "'dahr", der bei den kaafir Arabern manchmal sogar vergöttlicht wurde. Oder

2. der fortgeschrittene Nachmittag, von dem das vorgeschriebene 'Asr-Gebet seinen Namen bezieht (siehe auch Suura 2 Aja 238 und Fußnote 500 dazu). Hier ist in, beiden Fällen ein mystischer Gebrauch zu verstehen. Eine Beschwörung bei der Zeit als einer der Schöpfungen Allahs wird hier gemacht, über die jeder etwas weiß, deren volle Bedeutung aber niemand so recht erklären kann. Die Zeit erfasst und löscht schließlich alles Materielle aus. Nirgends in der weltlichen Literatur ist die Tyrannei der "rastlosen" Zeit besser beschrieben worden als in Shakespeares Sonetten. Wenn wir uns lediglich auf einen Wettlauf mit der Zeit einlassen, werden wir stets die Verlierer sein. Es ist die spirituelle Komponente in uns, die die Zeit zu besiegen vermag. (Juusuf `Allii)

 

2. Wahrlich, der Mensch ist zum Verderben (verurteilt),2

2. Wenn das Leben sinnbildlich als Handel betrachtet wird, wird der Mensch, der sich lediglich um materiellen Gewinn kümmert, unweigerlich verlieren. Zieht er am Nachmittag Bilanz aus den Tageseinnahmen, dann wird sie einen Verlust aufweisen. Gewinn wird es nur dann geben, wenn er Imaan besitzt, ein gutes Leben führt und seinen Beitrag leistet zum Wohlergehen der Gesellschaft, indem er, (selbst mit gutem Beispiel vorangehend) andere dazu ermutigt, den Pfad der Wahrhaftigkeit und Standhaftigkeit einzuschlagen. (Juusuf `Allii)

 

3. Außer denjenigen, die den Imaan verinnerlichen und gute Werke tun und sich (gegenseitig) zum Rechten aufrufen und sich (gegenseitig) zur Geduld (und Standhaftigkeit) aufrufen.3

3. Was bedeutet es, Imaan verinnerlichen? Imaan ist ein Charakteristikum, durch das der vergängliche Mensch dem absoluten und ewigwährenden Urheber des Universums und all dessen, was es enthält, nahe kommen kann. So stellt er eine Verbindung mit der gesamten Welt her, die demselben Ursprung entstammt, mit all den Kräften und Möglichkeiten, die in ihr geschaffen worden sind. Als Folge dessen löst er sich aus den engen Grenzen seines unbedeutenden Selbst und geht auf in der ganzen Weite des Universums, gelangt von seinen mangelhaften Kräften hin zu der Unermesslichkeit der noch unbekannten universalen Energien und von den Schranken seines kurzen Lebens zur "Ewigkeit", die Allah allein zu umfassen vermag. Diese Nähe verleiht dem Menschen einen unbegrenzten Rahmen, Kraft und Freiheit. Sie ermöglicht es ihm, das Leben wirklich zu genießen, seine Schönheit und die Gemeinsamkeit mit jenen "Seelen", die aufrichtige Freundschaft füreinander empfinden. Daraus erwächst ewigwährenden Glückseligkeit, die herrlichste Freude und wahres, hautnahes Begreifen des Lebens und aller Schöpfung. Das ist ein unermesslicher Gewinn, dessen nicht teilhaftig zu werden dagegen ein unbeschreiblicher Verlust. Imaan bedeutet auch Menschsein in wirklicher Würde, weil der hingebungsvolle Dienst an Allah den Muslim über jegliche Knechtschaft anderen gegenüber erhebt und echte Gleichheit unter allen Menschen herbeiführt, denn niemand verneigt sich vor anderen außer dem Einen, Absoluten Herren. Imaan bedeutet ferner, Allah allein zugewandt zu sein und nur von Ihm Gebote und Verbote anzunehmen; von Zufriedenheit und Vertrauen in Ihn erfüllt zu sein und dadurch einen tiefen Sinn im Erdendasein zu sehen; Geduld und Standhaftigkeit zu erlangen; stets der eigenen menschlichen Würde eingedenk zu sein; sich nur von reinen Beweggründen anspornen zu lassen; und schließlich, sich von der Habgier nach weltlichen Dingen zu befreien, weil die Entscheidung für Allahs Sache ungleich reicher macht. (Qutb)

Wenn der Mensch nur für sich selbst leben würde, würde das bedeuten, dass er seine Pflicht nicht ganz erfüllt hat. Was immer er an Gutem zu bieten hat, insbesondere auf ethischem und geistigem Gebiet, muss er seinen Mitmenschen zugänglich machen, so dass auch sie die Wahrheit erkennen und sich ihr in geduldiger Hoffnung und unerschütterlicher Standhaftigkeit ganz und gar verschreiben können, damit die Stürme und Anforderungen des äußerlichen Lebens sie nicht mehr anfechten können. Dann wird er, dann werden sie alle den inneren Frieden erreicht haben. (Juusuf `Allii)

Diese Suura zeigt auf unvergleichliche Weise den Pfad auf, der die Menschheit hinweg vom Verlust und hin zum Imaan und zu guten Taten führt. Wenn daher die Gefährten unseres Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, Allahs sich anschickten; Abschied voneinander zu nehmen, pflegten sie diese Suura zu rezitieren und sich dann die Hände zu schütteln. Damit besiegelten sie ihr Versprechen, die Ermahnungen dieser Suura nach besten Kräften in die Tat umzusetzen, am Islam festzuhalten und stets dazu bereit zu sein, sich gegenseitig zur Wahrhaftigkeit und Standhaftigkeit aufzurufen. Es war ein gegenseitiges Versprechen, innerhalb der islamischen Gemeinschaft gute Mitglieder sein zu wollen und so die Grundlagen dieser Gesellschaft zu erhalten. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 104

In dieser makkanischen Suura wird jegliche Form von öffentlichem Ärgernis, Verleumdung und selbstsüchtiger Anhäufung von Vermögen verurteilt, weil dies die Herzen der Menschen und die Zuneigung zwischen ihnen zerstört. (Juusuf `Allii)

 

Der Verleumder

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Wehe jedem lästernden Verleumder,1

1. Das heißt jeder, der in böser Absicht versucht, die tatsächlichen oder erfundenen Fehler anderer bloßzustellen. (Asad)

 

2. Der Vermögen zusammenträgt und es immer wieder nachzählt.2

2. Drei Untugenden werden hier auf das heftigste verurteilt:

1. Verleumdung durch Aussprechen oder Andeutung von Schlechtem über andere Männer und Frauen, hinter deren Rücken oder durch sarkastische und verletzende Äußerungen;

2. Üble Nachrede, selbst dann wenn das Angedeutete der Wahrheit entsprechen sollte, sofern niedere Beweggründe dabei im Spiel sind;

3. Anhäufung von Vermögen, nicht zum Gebrauch und zur Hilfe für diejenigen, die es nötig haben, sondern aus Habgier, als ob solch zusammengehamsterter Reichtum das Leben des Geizhalses verlängern oder ihm Unsterblichkeit verleihen könnte. Geiz ist in sich bereits ein großes Ärgernis. (Juusuf `Allii)

 

3. Er meint, dass sein Vermögen ihn unsterblich macht.3

3. Dadurch soll die Neigung des Menschen angeprangert werden, dem Erwerb und Besitz von materiellen Gütern und Annehmlichkeiten nahezu "religiösen" Wert beizumessen - eine Neigung, die den Menschen davon abhält, den geistigen Dingen ihre wirkliche Bedeutung einzuräumen. (Asad)

 

4. Doch nein! Er wird gewiss in die Zertrümmernde gestoßen werden.

5. Und was lässt dich wissen, was die Zertrümmernde ist?

6. Das Feuer Allahs, das angefachte,

7. Das über die Herzen aufsteigt.

8. Es wird sie wahrlich umschießen,

9. In lang gestreckten Säulen.4

4. Die Warnung wird uns in Form einer Szene vor Augen geführt, die sowohl die geistigen wie die physischen Folterqualen der Hölle auf höchst einprägsame Weise beschreibt. Verbrechen und Strafe werden miteinander in Verbindung gebracht: Einerseits haben wir den Verleumder und Lästerer, der sich darin ergeht, andere lächerlich zu machen, während er damit befasst ist, Besitz zusammenzuraffen, von dem er meint, er werde ihn unsterblich machen. Dieses Bild des zynischen Raffgierigen, der durch sein Vermögen an die Macht zu gelangen trachtet, wird dem des Erniedrigten, Elenden gegenübergestellt, der in die "Zertrümmernde" geschleudert wird, wo er ganz und gar samt seines Stolzes zerstückelt wird. Das "Feuer Allahs" wird dieses Instrument der Bestrafung genannt, als etwas weitaus Schrecklicheres also als alles, was wir uns bisher vorstellen können. Dieses Feuer wird über den Herzen zusammenschlagen, dem Ursprung, aus dem aller Sarkasmus, alle Lästerungen, Lügen und Eitelkeiten hervorgegangen sind. Die Feuersäulen werden die Verdammten so umschießen, dass niemand sie zu retten vermag, ja dass sie der Vergessenheit anheim fallen.

Zu jener Zeit, als der Qur’an offenbart wurde, folgte er den Ereignissen, denen sich der Aufruf zum Islam ausgesetzt sah, er erwies sich als unfehlbare Waffe, die sich bewährte gegen die Schliche der Verschwörer, die den Herzen der Feinde Furcht einzuflößen vermochte und die Gläubigen mit Mut und Standhaftigkeit rüstete. Es kristallisierten sich so zwei bedeutsame Tatsachen heraus, die Allahs Fürsorge widerspiegeln: zuerst wird uns die Hässlichkeit moralischen Niedergangs gezeigt, der die Menschen Völlig entwürdigt. Zweitens aber begreifen wir, dass Allah die Muslime beschützt und ihre Seelen vor den Angriffen ihrer Gegner bewahrt, dass Ihm verhaßt ist, was ihnen angetan wird und dass die Übeltäter aufs Furchtbarste bestraft werden. Das erhebt sie letztlich über jegliche Machenschaften hinaus. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 105

Diese frühe makkanische Suura bezieht sich auf ein Ereignis, das im Geburtsjahr des Propheten, etwa 570 nach 'Isa stattfand. Abraha, der christliche Statthalter des Jemen, der damals unter abessinischer Herrschaft stand, hätte eine riesige Kathedrale in San'a errichtet, weil er so hoffte, den alljährlichen Pilgerstrom der Araber von dem Heiligtum in Mekka, der Ka`ba, abzulenken. Als sich seine Erwartungen nicht erfüllten und die Pilger nicht seiner Kirche zustrebten, fasste er den Entschluss, die Ka`ba zu zerstören. An der Spitze einer großen Armee, zu der auch eine Anzahl von Kriegselefanten gehörte, von Machtrausch und Fanatismus beseelt, setzte er sich in Richtung Mekka in Bewegung. Das war etwas bis dahin völlig Unerhörtes und versetzte die Araber in höchste- Verwunderung. Deshalb wurde dieses Jahr sowohl von den Zeitgenossen wie von den Historikern das "Jahr des Elefanten" genannt. Die ganze Armee Abrahas wurde wie durch ein Wunder vernichtet, ohne dass die Beschützer der Ka`ba Widerstand geleistet hatten. Abraha selbst starb nach seiner Rückkehr nach San`ä'. (Asad/Juusuf `Allii)

 

Der Elefant

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Hast du nicht gesehen, wie dein Herr mit den Gefährten des Elefanten1 verfahren ist?

1. Das waren die Truppen des Abessiniers Abraha, die Mekka mit einer großen Armee angriffen, zu der auch einige Elefanten gehörten. (Juusuf `All)

 

2. Ließ Er nicht ihren heimtückischen Plan fehlschlagen,2

2. Das heißt, dass die Pläne der Gefährten des Elefanten überhaupt nichts fruchten konnten. Vielleicht sollten dadurch die Quraisch an die Barmherzigkeit Allahs erinnert werden, als Er sie beschützte und auch das Haus bewahrte zu einer Zeit, als sie sich zu schwach fühlten, um einem mächtigen Angreifer entgegenzutreten. Diese Erinnerung hätte ihnen ein Gefühl für die Schande vermitteln sollen, die es für sie bedeutete, wenn sie Allah, Der ihnen in ihrer Schwäche beigestanden hatte, nun hartnäckig verleugneten. (Qutb)

 

3. Indem Er gegen sie Scharen von Vögeln entsandte,3

3. Ob es sich bei "tair" (fliegenden Geschöpfen) um Vögel oder womöglich um Insekten handelte, die eine Infektionskrankheit - nämlich die Pocken - mit sich brachten, mag dahingestellt bleiben. Durch welche Art von Untergang die Armee Abrahas auch immer betroffen war, wunderbar war das Ereignis jedenfalls im wahrsten Sinn, denn es brachte eine plötzliche, völlig unerwartete Rettung für die angsterfüllten Bewohner von Mekka mit sich. (Asad)

 

4. Die sie mit Steinen aus hartem Ton bewarfen?4

4. Dasselbe Wort kommt auch in Suura 11 Aja 82 und in Suura 15 Aja 74 vor. Es bedeutet Steine aus hartem Ton oder Steine so hart wie trockener Ton. Sie sind Bestandteil der wunderbaren Errettungsgeschichte der Ka`ba. (Juusuf ’Allii)

 

5. Dann hat Er sie wie abgeweidete Stoppeln gemacht.5

5. Aus dieser Suura lässt sich eine zweifache Lehre ziehen: Für die kaafir Quraisch von Mekka lautete sie: Allah wird die Seinen beschützen. Wenn ihr den Propheten verfolgt, so bedenkt, dass er weitaus wichtiger ist als das Gebäude der Ka`ba. Wird Allah ihn also nicht vor euch bewahren? Für die Menschen zu allen Zeiten aber heißt die Lehre: ein machttrunkener Mensch mag ganze Armeen gegen Allah und Seinen allweisen Plan auf die Beine stellen - das Vorhaben eines solchen Menschen wird nur seinen eigenen Untergang herbeiführen. Gegen Allah vermag er nichts auszurichten. (Juusuf `Ali)

 

Einführung zu Suura 106

Diese makkanische Suura kann durchaus als Ergänzung zur letzten Suura angesehen werden. Wenn die Quraisch Mekka liebten und stolz auf die Stadt waren, wenn sie aus ihrer zentralen Lage und ihrer garantierten Sicherheit durch ihre Karawanen und den Handel profitierten, dann sollten sie dankbar sein und den Einen Wahren Gott anbeten und Seine Offenbarung annehmen. (Juusuf `Allii)

 

Die Quraisch

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Beim Brauch der Quraisch,1

1. Die Quraisch waren der vornehmste Stamm Arabiens, der Stamm, dem auch der Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, angehörte. Ihnen oblag der Schutz der Ka`ba, des zentralen Heiligtums von ganz Arabien. Der Besitz Mekkas brachte ihnen dreifachen Vorteil.

1. Er sicherte ihnen einen beherrschenden Einflug auf die anderen Stämme.

2. Durch die zentrale Lage wurden Handel und Verkehr entscheidend erleichtert, was ihnen sowohl Ehre wie auch Gewinn einbrachte.

3. Da das Gebiet von Mekka nach altem Brauch als unverletzlich galt und weder durch Überfälle noch durch Krieg und Stammesfehden bedroht war, genossen sie absolute Sicherheit und waren frei von Angst vor äußeren Gefahren.

Diese Ehre und Vorteile verdankten sie dem Umstand, dass sie Beschützer des Heiligtums Ka`ba waren und als deren Diener galten. Dies wiederum aber verdankten sie Allah. War es daher nicht recht und billig, dass sie den Einen Wahren Gott anbeten und auf Seine Botschaft der Einheit und Lauterkeit hören sollten, die ihnen vom Propheten überbracht worden war? (Juusuf ’Allii)

 

2. Ihrem Brauch der Karawanenreisen im Winter und Sommer,2

2. Gemeint sind die zwei jährlichen Handelskarawanen, die sie gewohnt waren, im Winter in den Jemen und im Sommer nach Syrien zu unternehmen und von denen der Wohlstand der Stadt Mekka abhing. (Asad)

 

3. So sollen sie dem Herrn dieses Hauses dienen,3

3. Wegen der Unfruchtbarkeit des Bodens wären die Mekkaner ständigen Hungersnöten ausgesetzt gewesen, hätte Allah ihnen nicht Versorgung durch Pilgerwesen und Handel bereitet. Da sie keineswegs übersehen konnten, welch großer Wert der ihnen eingeräumten Sicherheit durch das Haus Allahs beizumessen war, hätte sich ein tiefes Schamgefühl ihrer bemächtigen sollen, als sie durch diese Suura an all das erinnert wurden. In Momenten der Gefahr und Angst pflegten sie nur den "Herrn des Hauses" anzurufen und um Hilfe anzuflehen. So auch 'Abdal-Muttlib, der Großvater des Propheten und das damalige Oberhaupt der Quraisch, als Abraha mit seiner Armee vor Mekka aufzog und das Heiligtum zu zerstören drohte. Er bat nicht irgendwelche der Götzen um Hilfe, sondern sagte lediglich: "Ich bin nur der Herr (meiner) Kamele, doch das Haus hat seinen eigenen Herrn, Der es gewiss beschützen wird." Unwissenheit ist allerdings nicht bereit, auf logische Beweisgründe zu hören oder das anzuerkennen, was recht und billig ist. (Qutb)

 

4. Der sie mit Nahrung versorgt gegen den Hunger und ihnen Sicherheit vor Furcht gewährt hat.

 

Einführung zu Suura 107

Diese Suura - oder zumindest die erste Hälfte - gehört in die frühe makkanische Zeit. Es geht darin um die Bedeutung des wahren ’Ibaada der Imaan und praktische, hilfreiche Liebe für jene erfordert, die bedürftig sind. Sowie um Aufrichtigkeit in der Hingabe an Allah und Mildtätigkeit, nicht Zurschaustellung. (Juusuf `Allii)

 

Die Hilfeleistung

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Hast du denjenigen gesehen, der die Religion1 verleugnet?2

1. Das kann heißen,

1. den Tag des Jüngsten Gerichtes, der kommen wird, und damit die Verantwortung auf ethischem und geistigem Gebiet für alles, was die, Menschen getan haben, oder

2. den Imaan, die Religion, die Grundsätze des Guten und Schlechten in geistigen Dingen, die oft im Widerstreit liegen mit den eigensüchtigen Neigungen und Zielsetzungen. Es sind Menschen, die den Imaan oder die künftige Verantwortung leugnen, die die Hilflosen mit Verachtung behandeln und hochmütig und egoistisch sind. (Juusuf `Allii)

2. Sowohl durch seine Worte wie durch seine Taten. (Darjabaadi)

 

2. Er ist derjenige, der das Waisenkind schroff abweist,3

3. Eine überraschende Definition des Kaafir, und doch ist sie überaus treffend. Der den Islam verleugnet ist genau jener, der das Waisenkind zurückstößt, es demütigt und seine Gefühle verletzt und der sich überhaupt nicht um das Wohl der Bedürftigen kümmert. Hätte die Wahrheit des Islam sein Herz berührt, würde er sich nicht so verhalten. Imaan besteht nicht im gesprochenen Wort, sondern darin, dass man sich vollkommen ändert und sich zu guten Taten für seinen Nächsten angeregt fühlt, der Schutz und Fürsorge nötig hat. Allah fordert kein Lippenbekenntnis vom Menschen, sondern Taten, die sein Bekenntnis zum Islam untermauern, das sonst wertlos ist. (Qutb)

 

3. Und auch nicht dazu ermutigt, den Bedürftigen zu speisen.4

4. Die Mildtätigkeit oder Liebe, aus der heraus man auf eigene Kosten Bedürftige speist, ist die edelste Form von Tugend, eine Tugend, die niemals von jenen erreicht wird, die so geizig sind, dass sie auch andere davon abzuhalten trachten oder auf sie herunterschauen, wenn sie Freundlichkeit für Arme empfinden und ihnen helfen. (Juusuf `Allii)

 

4. Darum wehe (ihm und) den Betenden,

5. Die in ihrem Gebet nachlässig sind!5

5. Das heißt, die wissentlich nachlässig sind in ihrem Gebet (Asad).

Nämlich jene, die ihre Gebete nicht regelmäßig verrichten und sich nicht darum kümmern, die unerlässlichen Voraussetzungen (wie etwa Waschung vor dem Gebet, Einhaltung der vorgeschriebenen Gebetszeiten usw.) zu erfüllen. (Darjabaadi)

 

6. Jenen, die nur gesehen werden wollen,6

6. Siehe Suura 4 Aja 142: "Wenn sie im Gebet stehen, dann stehen sie dort ohne den nötigen Ernst, lediglich um von den Menschen gesehen zu werden, doch Allahs erinnern sie sich dabei nur wenig." (Juusuf `Allii)

So schlimm es ist, die Rechte der Menschen zu vernachlässigen, so ist doch die Vernachlässigung der Rechte des Schöpfers noch weitaus ärger. (Darjabaadi)

 

7. Und die Hilfeleistungen verweigern.7

7. "Al-Maa`uun" umfasst die vielen kleinen Bedürfnisse des täglichen Gebrauchs, ebenso wie die gelegentlichen Freundlichkeiten, die darin bestehen, anderen damit auszuhelfen. Im weitesten Sinn heißt es so viel wie "Hilfe" oder "Unterstützung" in jeglichen Schwierigkeiten. (Asad)

Heuchler üben oft nur hohle Wohltätigkeit nach außen. Doch werden sie schmählich versagen, wenn es um die kleinen Taten nachbarlicher Hilfeleistung geht, die tausend Nettigkeiten des Alltagslebens, die oft nur wenig kosten, aber so viel bedeuten. (Juusuf `Allii)

Aus all dem können wir den tiefen Sinn hinter der Forderung Allahs begreifen, dass Seine Diener an Ihn den Imaan verinnerlichen und Ihm dienen sollen. Er braucht wahrhaftig all das nicht für Sich Selbst, denn Er ist der Überreiche. Er hat uns dies geboten, weil Er voll Fürsorglichkeit auf unser eigenes Wohlergehen und die Reinheit unserer Herzen bedacht ist und nichts als Glück und Freude in diesem Leben für uns wünscht. Allah will; dass wir ein menschenwürdiges, zufriedenes Leben führen, das von edlen Beweggründen getragen und von Mitgefühl, Brüderlichkeit und herzenswarmem Verhalten anderen gegenüber geprägt ist. Wo also treibt die Menschheit hin? Hinweg von diesen unermesslichen Segnungen? Weg von diesem lohnenden Pfad? Wie kann sich die Menschheit so weit erniedrigen, in der Wüste einer tristen und finsteren Unwissenheit dahinzuvegetieren, wenn sie doch das leuchtende Licht des Islams unmittelbar vor Augen hat an dem Scheideweg, vor dem sie jetzt steht? (Qutb)

 

Einführung zu Suura 108

Diese kurze, frühe makkanische Suura fasst in dem mystischen Wort "kausar" (Überfluss, Fülle) die Lehre des spirituellen Reichtums durch Hingabe und Opferbereitschaft zusammen. Umgekehrt bedeutet das Schwelgen in Hassgefühlen, dass jegliche Hoffnungen auf dieses Leben und das Jenseits abgeschnitten werden. (Juusuf `Allii)

 

Die Fülle (des Guten)

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Wahrlich, Wir haben dir die Fülle (des Guten) gegeben.1

1. Diese Suura gibt uns Einblick in das Leben unseres Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, Und den Verlauf seiner Sendung während der ersten Zeit in Mekka. Sie handelt von den Anschlägen und Beleidigungen, die gegen den Gesandten Allahs und seine Botschaft gerichtet waren. Und sie ist ein Beweis für den Schutz -Allahs, den Er den Muslimn in ihrem Kampf zuteil werden lässt, indem Er sie mit Standhaftigkeit, weiser Zurückhaltung im rechten Augenblick und dem schönsten Versprechen für die Zukunft wappnet, während Er ihren Gegnern ein furchtbares Schicksal androht. Auf diese Weise symbolisiert diese Suura die Wirklichkeit der Rechtleitung, der Güte und des Islams einerseits und die des Irregehens, des Bösen und des Kufrs andererseits. So stehen Überfluss, Fülle des Guten und sich ständig ausweitende Güte einerseits der Knappheit, immer mehr schrumpfenden Mitteln und der Vernichtung andererseits gegenüber. (Qutb)

 

2. Darum bete zu deinem Herrn und opfere!2

2. Der, Der uns diese Segnungen zuteil werden lässt, ist Allah und Ihm allein müssen wir uns in Anbetung zuwenden, in unserer Dankbarkeit und in unserer Opferbereitschaft. Das hier verwendete Wort "nachr" نْحَر bedeutet im eingeengten rituellen Sinn die Opferung von Tieren. Doch dieses Ritual hat rein symbolischen Charakter. Dahinter steht ein tiefer spiritueller Sinn: vom Fleisch der Schlachttiere werden Arme gespeist und die Opferung ist ein Symbol der Selbsthingabe in unseren Herzen. In Suura 22 Aja 37 heißt es: "Es ist nicht ihr Fleisch und auch nicht ihr Blut, das erreicht. Es ist eure Frömmigkeit, die Ihn erreicht." (Juusuf `Allii)

 

3. Wahrlich, derjenige, der dich hasst, soll (von jeglicher Hoffnung) abgeschnitten sein.3

3. Hass und Boshaftigkeit sind Gefühle, die das Zusammenwirken in dieser Welt untergraben. Die kaafir Mekkaner machten ihrer persönlichen Abneigung und ihrem Hass gegen den Propheten Luft, indem sie ihn verhöhnten, weil ihm seine beiden kleinen Söhne aus der Ehe mit Hadidscha gestorben waren. Doch was war wenig später aus diesen höhnischen Schmähern geworden, als das göttliche Licht heller erstrahlte denn je zuvor? Sie waren es, die von jeglicher Hoffnung auf die Zukunft abgeschnitten waren. (Juusuf ’Allii)

Imaan und Güte können nicht fruchtlos bleiben; sie hinterlassen einen tief wurzelnden Einfluss. Falschheit, Irrtum und Böses, - so rasch sie auch zunächst anzuwachsen und sich auszubreiten scheinen - lösen sich schließlich doch in nichts auf. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 109

Hier handelt es sich ebenfalls um eine frühe makkanische Suura. Sie legt die richtige Einstellung jenen gegenüber fest, die den Islam ableugnen. Doch wenn es um die Wahrheit geht, können wir uns nicht auf Kompromisse einlassen. Es gibt allerdings keinen Grund, warum wir irgend jemanden wegen seines Diins und seiner Überzeugung verfolgen oder beschimpfen dürften. (Juusuf `Allii)

 

Die Kaafirs

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Sprich: "O ihr Kaafirs!

2. Ich bete nicht an, was1 ihr anbetet,2

1. "Ma" مَا, "was", bezieht sich einerseits auf alle positiven Begriffe und ethischen Werte - so auf den Imaan an Allah und die Selbsthingabe an Ihn - und andererseits auf alle falschen Objekte der Anbetung und falschen Werte, wie etwa auf den Glauben des Menschen daran, dass er "sich selbst genug" sei, (siehe Suura 96:6-7) oder seine alles beherrschende, fast zwanghafte "Gier nach mehr und mehr", siehe Suura 102. (Asad)

2. Diin und Imaan sind eine Sache der persönlichen Überzeugung und hängen nicht von weltlichen Beweggründen ab. Die Anbetung sollte aus Imaan entspringen, doch tut sie dies oft nicht. Denn Motive weltlichen Gewinns, überkommenen Sitten, sozialer Konventionen oder Nachahmungstrieb, sowie die lethargische Neigung, lieber erst gar nicht nach der tatsächlichen Bedeutung feierlicher Handlungen und der dahinter stehenden Beweggründe zu fragen, drückt einen großen Teil der Anbetung in dieser Welt auf die Ebene von Sündhaftigkeit, Eigennutz oder Nutzlosigkeit hinab. (Juusuf `Allii)

 

3. Und ihr betet nicht an, was ich anbete.

4. Und ich werde nie anbeten, was ihr anbetet,3

3. Einige führende kaafir Mekkaner hatten dem Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, einen Kompromiss zwischen dem Islam und dem überkommenen Diin, so wie sie ihn verstanden, vorgeschlagen. Demnach sollte er ihren Götzen einen Ehrenplatz zugestehen. Der Qur’an macht jedoch klar, dass es keinen Kompromiss hinsichtlich der Götzenanbetung geben kann. (Darjabaadi)

 

5. Und ihr werdet nie anbeten, was ich anbete.4

4. Man könnte hier frei etwa wie folgt umschreiben: "Ich bete den Einen Wahren Gott an, den Herrn aller, von mir ebenso wie von euch; doch ihr seid aufgrund eurer festverankerten Interessen nicht bereit, die falsche Anbetung eurer Götzen und eurer selbst aufzugeben... Ich als Prophet Allahs kann und werde nicht den Wunsch haben, euren falschen und überkommenen Pfad einzuschlagen, und ihr als Behüter der falschen Anbetung, wollt und werdet niemals eure Form der Anbetung aufgeben, die falsch ist." Es könnte hier eigentlich heißen: "ich will und werde nie anbeten, was ihr anbetet... und ihr wollt und werdet nie anbeten, was ich anbete." (Juusuf `Allii)

 

6. Euch euren Diin und mir meine Diin."5

5. Der erste Schritt, den derjenige zu tun hat, der zum Islam aufrufen will, ist, dass er sich vollkommen befreit und trennt von der "Unwissenheit". Weder Übereinkünfte noch Entgegenkommen kann es zwischen dem Islam und der Unwissenheit geben. Der Rufer zum Islam muss genau spüren, dass er absolut verschieden ist von den Unwissenden, er hat seinen Imaan, sie den ihren. Seine Aufgabe ist, sie zu informieren, damit sie seinen Weg einschlagen können. Tun sie das nicht, dann muss er seine Lebensweise von der ihren abtrennen. Unser Islam beruht auf dem absoluten Monotheismus, dessen Lehren, Werte, Aqida und Gebote alle Bereiche des menschlichen Lebens einschließen und ihren Ursprung in Allah haben und in niemandem sonst. Ohne diese grundlegende Trennung werden Verwirrung, Doppelsinn, Zweifel und Verzerrungen gewiss bestehen bleiben. Wir müssen ganz klar begreifen, dass die Bewegung, die sich den Islam auf ihre Fahnen geschrieben hat, niemals auf wackeliger, zweideutiger Grundlage aufgerichtet werden kann, sondern auf Standfestigkeit, Offenheit und Zuverlässigkeit beruht, so wie wir in dieser Suura aufgefordert werden, eindeutig zu sagen: "Euch euer Diin und mir mein Diin." In dieser Weise verbreitete sich der Islam von Anfang an. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 110

Diese in Minaa während der Abschiedspilgerfahrt des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, im Jahre 10 nach der Hidschra - das heißt etwa zwei Monate vor seinem Ableben - empfangene Offenbarung ist zweifelsohne die letzte als ganzes der Welt übermittelte Suura. Ihr vorausgegangen ist einen Tag vorher (am Freitag, dem 9. Tag des Pilgermonats) die Offenbarung der Worte: "Heute habe Ich eure Religion für euch vervollkommnet und Meine Gnade an euch vollendet und den Islam (die Hingabe in Meinen Willen) als Religion für euch erwählt." (5:4). Da diese Worte fast unmittelbar von der Suura AN-NASR gefolgt wurden, schlossen einige der Gefährten des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, daraus, dass seine Sendung vollendet sei und er bald sterben werde. (Bucharii). Tatsache ist, dass die einzige Offenbarung, die danach noch erfolgte, der Aja 281 der Suura 2 Al-Baqara war: "Und fürchtet den Tag, an dem ihr zu Allah zurückgebracht werdet. Dann wird jeder Seele das zurückerstattet, was sie erworben hat und kein Unrecht soll ihnen zugefügt werden." (Asad)

 

Die Hilfe

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen

1. Wenn-die Hilfe Allahs kommt und der Sieg,

2. Und du die Menschen in Scharen in die Diin Allahs eintreten siehst,

3. Dann lobpreise1 deinen Herrn und bitte Ihn um Vergebung,2 denn Er ist wahrlich der oft Sich (uns wieder) Zuwendende.

1. Als Gejagter und Verfolgter wanderte der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, von Mekka nach Medina aus. In Medina versammelten sich alle Wahrhaftigen und Aufrichtigen um ihn und die Anstrengungen der Mekkaner und ihrer Verbündeten, ihn und die Seinen zu töten, fielen auf sie selbst zurück. Allmählich strömten aus allen Teilen Arabiens die Menschen unter seiner Flagge zusammen und die unblutige Eroberung von Mekka war die Krönung und Belohnung für seine Geduld und seine unermüdlichen Anstrengungen. Danach leisteten ganze Stämme und Gebiete dem Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, gemeinsam den Treueeid und ehe seine irdische Mission beendet war, war der Boden für die Verbreitung des Islam in der ganzen weiten Welt bereitet. Daraus folgt, dass nicht die Selbstherrlichkeit des Menschen zählt, sondern Demut, nicht Machtgier, sondern Dienstbereitschaft, nicht die Befriedigung der menschlichen Selbstsucht und Anmaßung, sondern die dankbare Erkenntnis, dass aller Sieg nur auf Allahs Gnade und Barmherzigkeit zurückzuführen ist. Kann es da anders sein als dass der Mensch überfließt vor Dankbarkeit und Allah, in Worten und Taten lobpreist? (Juusuf `Allii)

2. Im Augenblick des Triumphs um Vergebung zu bitten, ruft dem Menschen das Bewusstsein seiner Unvollkommenheit und seiner eigenen Machtlosigkeit ins Gedächtnis, statt dass er sich, was nur natürlich wäre, in Selbstüberheblichkeit und Anmaßung ergeht. Das ist gleichzeitig eine Garantie für den Besiegten, dass er nicht einem Tyrannen zum Opfer gefallen ist. Der Sieger begreift, dass der Mensch ohne eigene Macht ausschließlich in Allahs Auftrag zur Erreichung eines bestimmten Zwecks handelte und dass der Triumph allein Allah gehört und dass zu Ihm die Rückkehr ist. Das ist das hohe Ideal, das anzustreben der Qur’an die Menschen ermahnt, ein Ideal, bei dem die menschliche Größe darin liegt, dass der eigene Stolz hintangestellt wird und die Seele sich aus der Knechtschaft allem anderen gegenüber außer Allah befreit. Das Ziel besteht darin, die menschliche Seele aus den Fesseln der Selbstsucht zu lösen, so dass ihr einziger Wunsch ist, das Wohlgefallen Allahs zu erlangen. Hand in Hand damit muss ein erhöhtes Bemühen um das Wohlergehen der Menschheit in dieser Welt gehen, um den echten Fortschritt in der Zivilisation. Das wird aber nur möglich sein, wenn es gelingt, eine rechtgeleitete, tadelfreie, konstruktive, gerechte Führung einzusetzen, die ihren Pflichten nachkommt, indem sie Allah allein dient, sich nur Seinem Willen unterordnet. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 111

Diese frühe makkanische Suura vermittelt uns, obwohl sie in erster Linie auf einen bestimmten Vorfall im Verlauf einer grausamen, unermüdlichen Verfolgung Bezug nimmt, die allgemeingültige Lehre, dass Grausamkeit letztlich zum eigenen Verderben führen muss. Der Mann, der in Zorn gegen Geheiligtes entbrennt, verbrennt schließlich an seinem eigenen Zorn. Seine Hände, die zu Instrumenten seines Handelns werden, fallen dem Verderben anheim, ebenso wie er selbst. Kein Vermögen, mit dem er zu prahlen pflegte und auch nicht sein gesellschaftlicher Rang vermögen ihn zu retten. Frauen, die für edlere Gefühle bestimmt sind, heizen den unheiligen Zorn womöglich noch an, wenn sie den falschen Weg einschlagen - doch tun sie das nur zu ihrem eigenen Schaden. Denn der Strick, den sie drehen, mag sich dereinst quälend um ihren eigenen Hals schlingen. Es ist eine durchaus alltägliche Erfahrung, dass Menschen, durch eben das untergehen, wodurch sie den Untergang anderer herbeizuführen trachteten. (Juusuf `Allii)

 

Die Palmenfasern

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Die Hände von Abuu Lahab sollen verderben und auch er (selbst) soll verderben.1

1. Abuu Lahab, "Vater der Flamme", war der Spitzname des Onkels unseres Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, weil er oft sehr aufbrausend war und ein stark gerötetes Gesicht hatte. Er war einer der ärgsten Feinde des frühen Islam. Als der Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, die Quraisch und seine eigenen Verwandten zusammenrief, damit sie seine Predigt und Warnung gegen die Sündhaftigkeit hörten, überkam den "Vater der Flamme" ein Wutanfall und er beschimpfte den Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm: „Mögest du dem Verderben anheim fallen." Doch sein Fluch fruchtete ebenso wenig wie ihm seine Macht etwas nützte. Im Gegenteil, der Stern des Islam stieg Tag um Tag höher, während dessen Verfolger immer mehr an Kraft verloren. Viele derjenigen, die sich am unerbittlichsten an der Verfolgung beteiligt hatten, wurden in der Schlacht von Badr getötet und Abuu Lahab selbst starb eine Woche nach Badr, zermartert von Zorn und hitziger Leidenschaft. (Juusuf `Allii)

 

2. Sein Reichtum soll ihm nichts nützen und auch nicht das, was er erworben hat.

3. Doch schon bald wird er in ein flammendes Feuer eingehen,

4. Und seine Frau, die Brennholzträgerin,2

2. "Brennholzträgerin", ein bekannter idiomatischer Ausdruck für eine Frau, die immer und immer wieder boshafte Geschichten und Verleumdungen von einem zum anderen trägt, "um die Flamme des Hasses zwischen ihnen zu entfachen". Die Frau hieß "Arwaa" Umm-Dschamiil bint Harb ibn Umayja. Sie war die Schwester von Abuu Sufjaan und daher die Schwester väterlicherseits von Mu`aawija, dem Begründer der Umayjaden-Dynnastie. Ihr Hass gegen Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und dessen Anhänger ging so weit, dass sie oft unter dem Schutz der Dunkelheit Dornen vor dem Haus des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, ausstreute, damit er sich daran verletzt; ihre große Zungenfertigkeit benutzte sie dazu, unablässig den Gesandten Allahs, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und seine Botschaft zu verleumden. (Asad)

 

5. Wird um ihren Hals einen Strick aus Palmfasern3 haben.4

3. Dieser Ausdruck kann auch so viel bedeuten wie "eine aus Eisen fest geschmiedete Kette von siebzig Klaftern Länge, mit der die Frau, um deren Hals sie gelegt wird, in die Hölle gezerrt werden wird." (Lane/(Darjabaadi)

4. So ist uns das demütigende Bild von Abuu Lahab und seiner Frau auf immer in dem ewig-gültigen Buch, dem Koran, erhalten geblieben, damit wir daraus erkennen können, welcher Zorn Allahs auf jene fällt, die Seinem Gesandten und der von ihm überbrachten Offenbarung Feindseligkeit entgegenbringen. Alle die eine ähnliche Haltung dem Islam gegenüber einnehmen, werden sich einem ähnlichen Schicksal ausgesetzt sehen, Erniedrigung, Unheil und Enttäuschung in diesem wie im künftigen Leben hinzunehmen haben als gerechte Belohnung und Vergeltung. (Qutb)

 

Einführung zu Suura 112

In wenigen Ajas fasst diese frühe makkanische Suura die Worte der Einheit Gottes  zusammen, zu der sich die Menschen so oft bekennen, die aber im Volksglauben so häufig mit abergläubischen Vorstellungen vermengt wird. (Juusuf `Allii)

Wie in vielen Überlieferungen berichtet, hat der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, diese Suura als "gleichwertig einem Drittel des gesamten Qur’an" beschrieben. (Asad)

 

Die Reinheit  (des Imaans)

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen,

1. Sprich: Er ist Allah, der Einzige,1

1. Das Wesen Allahs wird hier in wenigen Worten angedeutet, die uns verständlich sind. An vielen anderen Stellen im Qur’an, so zum Beispiel in 59:22-24 und in 2:255 werden uns die Eigenschaften Allahs dargelegt. Hier wird uns gesagt, wie wir die Irrtümer vermeiden können, denen Menschen und ganze Völker verfallen sind, als sie versuchten, Allah zu begreifen. Zunächst müssen wir uns klarmachen, dass Sein Wesen so erhaben ist, so weit über den Rahmen unseres eigenen Wahrnehmungsvermögens hinausragt, dass die einzige Art, Ihn zu erahnen die ist, in Ihm eine Persönlichkeit zu sehen. "Er" ist nicht ein rein philosophischer Begriff - nein, Er ist uns nahe, Er sorgt für uns, Ihm verdanken wir unser Dasein. Zum zweiten ist Er der Eine und Einzige Gott, der Einzige, dem Anbetung gebührt. Alle anderen Geschöpfe, die wir uns nur vorstellen können, sind nichts weiter als Seine Geschöpfe und in keiner Weise vergleichbar mit Ihm. Zum dritten ist Er der Ewig-Währende, ohne Beginn oder Ende, der Absolute, Der weder an Zeit, Ort oder Umstände gebunden, durch sie eingeengt ist, die Wirklichkeit, vor der alles andere nur noch Schatten oder Widerschein ist. Zum vierten dürfen wir Ihn uns nicht so vorstellen, als habe Er einen Sohn oder einen Vater, denn das würde bedeuten, dass wir Ihm menschlich physische Merkmale beimessen. Zum fünften ist Er nicht wie irgend jemand oder etwas anderes, das wir uns vorstellen können. Seine Eigenschaften und Sein Wesen sind absolut einmalig. (Juusuf `Allii)

 

2. Allah, der Ewigwährende.2

2. "As-Samad" ` - der Ewigwährende, die unverursachte Ursache alles Seienden. Selbst durch Übersetzen mit mehren Begriffen gleichzeitig lässt sich nur eine annähernde Vorstellung der umfassenden Bedeutung dieses Worts vermitteln, das nur ein einziges Mal im Qur’an vorkommt und auf niemanden außer Allah angewandt wird. Es enthält die Vorstellung der allerersten Ursache, der Ewigkeit, des absolut unabhängigen Wesens in Verbindung mit dem Gedanken, dass alles, was existiert oder auch nur vorstellbar ist, auf Ihn als Ursprung zurückzuführen ist und daher von Ihm abhängt, was den Anfang wie die Fortdauer betrifft. (Asad)

 

3. Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt.3

3. Das bedeutet, dass die Wirklichkeit Allahs tiefverwurzelt ist, ständig und ewigwährend. Keinerlei veränderliche Umstände vermögen sie je zu beeinflussen. Ihr Merkmal ist die absolute Vollkommenheit zu allen Zeiten. Geburt ist Nachfolge und Vervielfältigung und deutet auf ein entwickeltes Wesen hin, das aus Unvollkommenheit und Nichtsein hervorgegangen ist. Sie setzt körperliche Vereinigung voraus, die auf Gleichheit von Wesen und Beschaffenheit hindeutet. All dies ist vollkommen unmöglich im Fall Allahs. Deshalb schließt das Merkmal der Einheit auch die Zurückweisung jeglicher Vaterschaft, jeglichen Sohn-Seins mit ein. (Qutb)

 

4. Und es gibt niemanden, der Ihm gleicht.4

4. Die Tatsache, dass Allah der Eine und Einzige ist, und zwar in jeder Hinsicht, also ohne Anfang und Ende, steht in logischer Wechselbeziehung zu der Feststellung, dass es niemanden gibt, der Ihm gleich ist, mit "Ihm vergleichbar" wäre. Dadurch wird jede Möglichkeit, Ihn zu beschreiben oder zu definieren, ausgeschlossen. Die Beschaffenheit seines Seins liegt weit außerhalb des menschlichen Vorstellungsvermögens, der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit. Das erklärt auch, warum jeder Versuch, Allah "zu beschreiben", sei es nun durch figurative Darstellungen oder selbst durch abstrakte Symbole, als blasphemische Verleugnung der Wahrheit einzustufen ist. (Asad)

Durch diese Feststellung werden wir insbesondere vor anthropomorphen Gedankengängen gewarnt, der Neigung also, uns Allah nach unserem eigenen Abbild vorzustellen, eine anmaßende Neigung, die sich zu allen Zeiten und bei allen Völkern immer wieder eingeschlichen hat. (Juusuf `Allii)

 

Einführung zu Suura 113

Diese frühe makkanische Suura wappnet uns gegen Aberglauben und Furcht, indem sie uns lehrt, Zuflucht bei Allah zu suchen vor allem Üblen, das von außen auf uns einstürmen mag, sei es nun aus der Umwelt oder der Natur, oder durch Machenschaften oder Neid, die von anderen herrühren. (Juusuf `Allii)

 

Die Morgendämmerung

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Sprich: Ich suche Zuflucht beim Herrn der Morgendämmerung,1

1. Das Wort "Al-Falaq" الْفَلَقِ heißt Spaltung. Es kann sowohl auf den Anbruch des Tageslichts, wie auch auf das Aufgehen der Samen und Körner beim Entstehen einer Pflanze hindeuten. Beides sind Zeichen der Macht und der Allgegenwärtigkeit Allahs, bei denen der mu’min Diener Hilfe und Schutz sucht. (Qutb)

Der Begriff "Al-Falaq" "das Licht der Morgendämmerung" oder "die heraufziehende Morgendämmerung" - wird oft im übertragenen Sinn verwendet, um "das Heraufdämmern der Wahrheit nach (einer Zeit) der Unsicherheit oder Ungewissheit" ` zu beschreiben. Daher die Anrufung "Herr der Morgendämmerung", die besagen soll, dass Allah der Ursprung jeglicher Erkenntnis der Wahrheit ist und dass "das Suchen der Zuflucht" bei Ihm gleichbedeutend ist mit dem Streben nach Wahrheit. (Asad)

Falaq ist die Dämmerung oder der Tagesanbruch, das Verschwinden der Finsternis und die Manifestation des Lichts. Dies lässt sich auf verschiedene Art verstehen.

1. wörtlich: wenn die Dunkelheit der Nacht am schlimmsten ist, dringen Lichtstrahlen hindurch und führen die Dämmerung herbei.

2. Wenn die Finsternis der Unwissenheit am ärgsten ist, dringt das Licht Allahs durch die Seele und verhilft ihr zur Erleuchtung (24:35).

3. Nichtsein ist Finsternis, Leben und Aktivität kann dagegen gleichgesetzt werden mit Licht. Der Urheber, der Quell alles wahren Lichts ist Allah und wenn wir Ihm näher zu kommen trachten, befreien wir uns von Unwissenheit, Aberglauben, Furcht und jeder Art von Übel. (Juusuf `Allii).

 

2. Vor dem Übel dessen, was Er erschuf,2

2. Damit Er uns vor dessen Unheil bewahre. Dieser Aja besagt, dass alles eine Schöpfung Allahs des Allmächtigen ist und dass nichts, weder die Verkörperung des Böses, der Teufel also, noch irgend etwas sonst, die Macht hat, jemandem Schaden zuzufügen. (Darjabaadi)

Diese Formulierung enthält keinerlei Ausnahme noch eine Spezifizierung. Der gegenseitige Kontakt zwischen den verschiedenen Geschöpfen, obwohl zweifelsohne vorteilhaft, vermag auch Schlechtes mit sich zu bringen. Zuflucht davor sollte der Gläubige bei Allah suchen, um so das Gute, das aus solchen Kontakten entspringt, zu fördern. Denn Er, Der diese Geschöpfe hervorgebracht hat, ist gewiss in der Lage, auch die rechten Umstände herbeizuführen, die sie in eine Bahn lenken, wo nur die erfreulichen Aspekte dieser Kontakte sich auswirken. (Qutb)

 

3. Und vor dem Übel der Nacht, wenn sie sich verfinstert,3

3. Das Wort "rasiq" غَاسِق heißt "überflutend" und das Wort "waqab" وَقَب bedeutet ein Loch im Berg, aus dem Wasser heraufließt. Das Bild vermittelt den Eindruck der herannahenden tiefen Finsternis, die alles umhüllt. (Qutb)

Nämlich der Finsternis der Verzweiflung oder des herannahenden Todes. In den Ajas 2 bis 5 hat das Übel nicht nur objektive, sondern auch subjektive Bedeutung, das heißt es bezeichnet gleichzeitig die Furcht vor dem Übel. (Asad)

Die Dunkelheit der Nacht, die physische Dunkelheit ist ein gutes Sinnbild für physische Gefahren und Schwierigkeiten. Viele Menschen haben Angst vor physischer Dunkelheit und alle fürchten sich vor physischen Verletzungen, Unfällen und Katastrophen. Wir sollten uns nicht fürchten sondern, nachdem wir sinnvolle Vorkehrungen für unseren Schutz getroffen haben, unser Vertrauen in Allah setzen. (Juusuf `Allii)

 

4. Und vor dem Übel der auf die Knoten blasenden Zauberinnen,4

5. Und vor dem Übel des Neiders, wenn er neidisch ist.5

4. Dies bezieht sich auf die vielfältigen Formen der Zauberei, sei es nun dass sie durch einen Betrug der menschlichen Sinne oder durch Beeinflussung der menschlichen Willenskraft und Hineinprojizierung von Ideen in ihre Gefühlswelt und Gedanken in die Tat umgesetzt wird. In diesem Aja ist von einer besonderen Art der Zauberei die Rede, die zu jener Zeit von Frauen in Arabien praktiziert wurde, indem sie Knoten aus Fäden wanden und darauf bliesen, um so Verwünschungen herbeizuführen. (Qutb)

5. Bösartiger Neid, der sich im Handeln äußert, versucht das Glück oder das materielle oder spirituelle Wohlergehen, dessen sich andere erfreuen, zu zerstören. Der beste Schutz dagegen ist das Vertrauen in Allah, das aus einem reinen Herzen entspringt. (Juusuf `Allii)

 

Einführung zu Suura 114

Diese frühe makkanische Suura ist eine Ergänzung zur vorausgehenden und beschließt den Qur’an mit der Aufforderung an uns, unsere Vertrauen in Allah, nicht in andere Menschen oder Geschöpfe zu setzen, denn Er allein ist unser sicherer Beschützer und Bewahrer. Sie warnt uns insbesondere vor den bösen Einflüsterungen in unsere Herzen. (Juusuf `Allii)

 

Die Menschen

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. Sprich: Ich suche Zuflucht beim Herrn der Menschen,1

1. Die vorangehende Suura wies auf die Notwendigkeit hin, Zuflucht bei Allah zu suchen vor äußeren Gefahrenquellen, die den einzelnen bedrohen mögen. Hier wird die Notwendigkeit des Schutzes vor inneren Gefahren betont, wobei die Menschheit als Ganzes genommen wird (Juusuf `Allii)

 

2. Dem König der Menschen,2

2. Die Verbindung zwischen Mensch und Allah ist unter dreierlei Aspekten zu sehen.

1. Allah ist sein Herr, sein Schöpfer und Erhalter, Allah versorgt und behütet ihn; Er gibt ihm alles mit, was er zu seinem Heranwachsen und seiner Entwicklung benötigt, ebenso wie zu seinem Schutz vor allem Bösen.

2. Allah ist sein König und Herrscher in weit umfassenderem Sinn als jeder irdische König. Allah hat die Macht, den Menschen in seinem Verhalten zu lenken und ihn auf Wege zu leiten, die zu seinem Besten sind; und Er hat ihm Gebote mit auf den Weg gegeben.

3. Es ist Allah, zu dem die Menschen dereinst zurückkehren, um Rechenschaft abzulegen für ihre Taten in diesem Leben (2:156). Gott wird der Richter sein. (Juusuf `Allii)

 

3. Dem Gott der Menschen,3

3. Allah ist es, Den wir im Jenseits anstreben müssen, und Er ist das einzige Wesen, das Anrecht auf die Anbetung des Menschen, zu welcher Zeit auch immer, hat. Unter all diesen Aspekten betrachtet sollte der Mensch erkennen, dass er einzig und allein Allahs Schutz vor allem Übel erflehen darf. (Juusuf `Allii)

 

4. Vor dem Übel des sich (immer wieder) zurückziehenden Einflüsterers,4

4. Das Böse schleicht sich auf allen nur erdenklichen Wegen an den Menschen heran, um seine Willensstärke zu unterhöhlen, die ihm von Allah verliehen worden ist. Die Macht des Bösen kann Schaytaan sein oder seine üblen Spießgesellen, oder böse Menschen, oder aber die bösen Neigungen des Menschen selbst - sie sind die Bösen unter den Menschen und den Dschinn, die sich gegenseitig mit blumenreicher Sprache dazu ermutigen, den Menschen durch ihre Verführungskünste zum Schlechten anzustiften. Sie flüstern heimlich Schlechtes ein und ziehen sich dann zurück, um ihre Netze so nur umso enger zu ziehen. (Juusuf `Allii)

 

5. Der einflüstert in die Herzen der Menschen,5

5. Sie flüstern den Menschen die abscheulichsten, verführerischsten Vorschläge in die Herzen. (Darjabaadi)

 

6. Unter den Dschinn und Menschen.6

6. Hieraus ersehen wir, aus welchen Quellen die üblen Einflüsterungen stammen; sie mögen von Menschen kommen, die wir sehen können, oder von bösen Geistern, die von innen her auf unser Verderben hinwirken. Solange wir uns jedoch unter Allahs Schutz stellen und unser Vertrauen in Ihn setzen, kann das Böse sich nicht wirklich unserer bemächtigen. (Juusuf `Allii)