Von Suura 3 "Die Familie von Al-'Imraan" Aja 92 –

Suura 4 "Die Frauen" Aja 58

 

92. Niemals werdet ihr Frömmigkeit erlangen, ehe ihr nicht von dem spendet, was ihr liebt.161 Und was immer ihr spendet, Allah weiß wahrlich darüber Bescheid162.

161. Der Beweis echter Wohltätigkeit liegt darin. dass man etwas gibt, was einem viel wert ist, was man selbst sehr liebt. Wenn man sein Leben für eine gute Sache hingibt, so ist dass das Größte, was man zu geben vermag. Wenn man sich selbst gibt, also sich mit allen Kräften für etwas einsetzt, seine Fähigkeiten, seine Handfertigkeit, sein Wissen anderen zugute kommen lässt, dann ist dies das nächstgrößte Opfer. Gibt man seine Einkünfte, sein Eigentum, seinen Besitz hin, so ist auch dies eine wirkliche Gabe, denn viele Menschen lieben gerade dies weit mehr als alles andere. Es gibt auch weniger Greifbares wie die eigene Stellung, das persönliche Ansehen, das Wohlergehen derjenigen, die wir lieben, die Wertschätzung jener, die uns nützlich sein können. Allah fordert Selbstlosigkeit von uns, und es gibt keine selbstlose Tat, wie gering und unwägbar sie auch sein mag, ohne dass Allah um sie weiß. (Juusuf 'Allii)

162. Nachdem in den vorausgehenden Ajas denen, die wissentlich die Wahrheit verleugnen, gesagt wird, dass ihr wohlmeinen­des Aufwenden von Bemühungen und Besitz während ihres Erdendaseins ihnen am Tag des Jüngsten Gerichts nichts nützen wird, erinnert der Qur´an nun die Mu´mins daran, dass andererseits ihr Imaan an Allah nicht als vollkommen erachtet wer­den kann, solange er ihnen nicht die Augen für die materiellen Bedürfnisse ihrer Mitmenschen öffnet. Siehe auch 2:177. (Asad)

 

93. Alle Speisen waren den Kindern Israels erlaubt, außer dem, was sich Israel selbst verboten hatte, bevor die Thora herabgesandt wurde.163 Sprich: "Bringt (doch) die Thora herbei und lest sie vor, wenn ihr wahrhaft seid."164

163. Die Juden zogen an den Haaren Vorwände und Kniffe herbei, um die Echtheit der Botschaft des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, in Zweifel zu ziehen, die Gedanken zu verwirren und Misstrauen zu erregen. Wenn es im Qur´an hieß: "Er ist eine Bestätigung für das, was in der Thora steht", fragten sie: "Wie kommt es dann, dass im Qur'an einige der Speisen erlaubt sind, die den Kindern Israel verboten sind?" In den Überlieferungen heißt es nämlich, dass z.B. Kamelmilch und Kamelfleisch für die Kinder Israel verboten sind; hier aber hat Allah das Verbotene für die Muslime für erlaubt erklärt. An dieser Stelle verweist der Qur'an auf die historische Wirklichkeit, die sie ignorieren... Tatsächlich waren vor der Offenbarung der Thora den Kindern Israel alle Speisen erlaubt außer denen, die Israel -nämlich Jaqub, der Friede sei mit ihm. sich selbst versagte. Die Tradition berichtet, dass ihn einmal eine schwere Krankheit befiel und er Allah gelobte, freiwillig auf seine Lieblingsspeisen Kamel­milch und Kamelfleisch zu verzichten, wenn ER ihn wieder gesund werden ließ. Allah nahm sein Gelübde an, und seine Sunnah veranlasste die Kinder Israel dazu, sich selbst zu verbieten, was sich ihr Vorvater versagt hatte. Außerdem verbot Allah den Kindern Israel weitere Speisen, um sie damit für ihren Ungehorsam zu strafen. Allah weist hier klar auf diese Tatsache hin, um den Juden in Erinnerung zu rufen, dass ihnen diese Speisen ursprünglich erlaubt waren. Das Verbot erfolgte dann aus Gründen und unter besonderen Umständen, die nur die Juden selbst etwas angehen. Wenn Allah also den Muslimen diese Speisen erlaubt, so stellt das lediglich einen Rückgriff auf den Ursprungszustand dar. Es gibt also keinen Grund, gegen den Qur´an und dessen Authentizität Einwände zu erheben oder an ihm zu zweifeln. Der Qur`an fordert vielmehr die Juden dazu auf, in der Thora nachzulesen, wodurch ihnen begreiflich werden muss, dass die Speiseverbote eine nur ihnen auferlegte Besonderheit waren und keine allgemeine Gültigkeit besitzen. (Qutb)

164. Die Juden zu Zeit des Propheten Muchammed (Friede sei mit ihm) beschuldigten die Muslime, dass sie gewisse Speisen zu sich nähmen, die seit Ibraahiims as Zeiten verboten gewesen seien. Der Qur´an weist diese Anschuldigungen zurück und bringt die Juden zum Schweigen, indem er sich auf ihre eigenen Schriften bezieht. (Darjabaadi)

Auf ähnliche Weise argumentierten die Juden, als es um die Änderung der Qibla ging, nachdem sich der Gesandte Allahs -Friede sei mit ihm bis zum 16. oder 17. Monat nach der Hidschra beim Gebet nach Jerusalem gewandt hatte. (Qutb)

 

94. Wer also danach noch eine Lüge gegen Allah erdichtet, das sind diejenigen, die unrecht tun.

95. Sprich: "Allah hat die Wahrheit gesprochen. Darum folgt dem Bekenntnis Ibraahiims, der Imaan hatte  und nicht den Götzendienern angehörte.,,165

165. Das heißt: Sprich, O Prophet, zu den Juden, im Hinblick auf das alte Gesetz und die Praxis Israels, dass sie Ibraahiim, Allahs Segen und Frieden auf ihm,, dem Urvater ihrer Rasse und dem eigentlichen Quell ihrer Religion folgen sollen, denn der Imaan Ibraahiims, Allahs Segen und Frieden auf ihm, war nichts anderes als Islam. Siehe auch 2: 135. (Darjabaadi)

Die Juden behaupteten, Ibraahiims, Allahs Segen und Frieden auf ihm,  Erben zu sein. Aber auch hier verweist der Qur´an wieder auf Ibraahiims, Allahs Segen und Frieden auf ihm,  Wahrheit, die rein war von jeder Abgötterei, und macht darüber eine zweifache Aussage: einmal das Ibraahiim, Allahs Segen und Frieden auf ihm, ein Hanif (jemand mit Imaan) war, und zum anderen, dass er kein Götzendiener war. Wie kommt es dann, dass sie die Juden Götzendienerei betreiben? Obwohl dieses Thema bereits ausführlich in Suura 2 Aja 142 behandelt worden ist und daraus bereits ersichtlich war, dass die Bestimmung der Ka'ba als Qibla -Gebetsrichtung -der ursprünglichen Gebetsrichtung Ibraahiims as entspricht und ihr daher Vorrang zukommt, während die Hinwendung nach Quds während das Volk aufzuwiegeln und Unruhe und Zwei­fel zu säen, um so die Wahrheit zu untergraben. (Qutb)

 

96. Tatsächlich, das erste Haus, das für die Menschen errichtet worden ist, ist das in Bekka,166 ein Segen und eine Rechtleitung für (die Menschen in) aller Welt.167

166. Alle Gelehrten sind sich darüber einig, dass die Stadtbezeichnung Bekka gleichbedeutend ist mit Mekka. Die Erwähnung des Hauses Allahs in Mekka, dem Sitz der Ka'ba ist wohl darauf zurückzuführen, dass es sich dabei um die im Qur´an festge­legte Gebetsrichtung (Qibla) handelt. Da die Ka'ba in ihrer Urform von Ibraahiim, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und Ismael erbaut worden ist (siehe auch 2: 125 ff.), ist sie wesentlich älter als der Tempel Suleymaan, Allahs Segen und Frieden auf ihm, in Quds. Die Einsetzung der Ka'ba als die Qibla für die Muslime bedeutet also keineswegs einen Bruch mit der Tradition Ibraahiims as (auf der letztlich die ganze Bibel beruht), sondern sie stellt im Gegenteil die unmittelbare Verbindung zu dem Patriarchen wieder her. (Asad)

Die Orientierung nach der Ka'ba ist die ursprünglichere, denn sie ist das erste Haus, das zum ’Ibade auf Erden erbaut wurde.. .Allah segnete sie und machte sie zu einem Versammlungsort für die Menschheit, bei dem sie Rechtleitung zu finden vermag, Rechtleitung durch Allahs offenbarte Religion, wie Ibraahiim, Allahs Segen und Frieden auf ihm,  sie empfing. Innerhalb des so genannten heiligen Be­zirks der Ka'ba finden sich deutliche Zeichen, so der Ort Abrahams, ein historischer Stein, auf dem Ibraahiim, Friede sei mit ihm, beim Bau der Ka'ba gestanden haben soll. (Qutb)

167. "'Alamin" عَالَمِين kann bedeuten "Welten", wie in 1:2 "alle Welt, alle Völker", wie in 3:42; oder "alle Geschöpfe", wie in 3:97. (Juusuf 'Allii)

 

97. Darin sind deutliche Zeichen,168 so die Stätte Ibraahiims; wer dort eintritt, ist in Sicherheit.l69 Die Menschen sind Allah gegenüber verpflichtet, zu Seinem Haus zu pilgern jene, die dazu die Möglichkeit finden.170 Doch wenn jemand den Imaan verleugnet, so ist Allah wahrlich auf Seine Geschöpfe nicht angewiesen.

168. Diese deutlichen Zeichen, die mit "dem Haus" verbunden sind, beweisen, dass Allah es als "Sein Haus" angenommen und gutgeheißen hat. Obwohl es an einem öden, unfruchtbaren Platz errichtet worden ist, hat Allah die dort lebenden Menschen stets mit allem reichlich versorgt, das sie zum Leben benötigten. Abgesehen davon war diese Stätte, obwohl es in den etwa 2.500 Jahren vor der Verkündung des Islam in ganz Arabien Unruhe und Unordnung gab, stets ein Ort des Friedens und der Sicherheit. Auch war durch die Ka'ba und ihre Umgebung für ganz Arabien alljährlich eine Zeit von vier Monaten festgesetzt, in der Frieden zu herrschen hatte. (Mauduudi)

169. Die unverletzliche Heiligkeit der Ka'ba wurde von allen selbst zu Zeiten der finstersten Unwissenheit derart geachtet, dass auch die blutrünstigsten Feinde sich dort nicht anzurühren wagten. (Mauduudi)

Anlässlich des Einzugs in Mekka sagte der Gesandte Allahs (Friede sei mit ihm): "Diese Stadt hat Allah am Tag der Schöpfung von Himmel und Erde geheiligt; durch Allahs Heiligung ist sie heilig bis zum Tag der Auferstehung. Er hat vor meiner Zeit niemandem erlaubt, darin zu kämpfen, und Er erlaubte es mir nur zu einer Stunde an einem Tag. Durch Allahs Heili­gung ist sie heilig bis zum Tag der Auferstehung. Ihre Dornbüsche dürfen nicht beschnitten und ihre Wildtiere nicht gestört werden. Fundsachen dürfen nur nach öffentlicher Bekanntgabe aufgehoben werden, und ihre Grünpflanzen dürfen nicht abgeschnitten werden."

Es ist exegetisch bemerkenswert, dass die Verpflichtung zur Hadsch allgemein "für die Menschen" formuliert ist. Darin ist nämlich impliziert, dass sie auch denjenigen Juden vorgeschrieben war, die über die Hinwendung der Muslime nach Mekka im Gebet diskutierten, während sie selbst sich für verpflichtet hielten, sich nach dem Haus ihres Vaters Ibraahiim, Allahs Segen und Frieden auf ihm, zu orientieren...Es entsteht der Eindruck; alle Menschen müssten dem Anspruch dieser Religion genügen und ihre religiösen Verpflich­tungen und Riten erfüllen, einschließlich der Orientierung nach Mekka beim Gebet und der Pilgerfahrt. Alles andere ist Kufr, auch wenn sie vorgeben, religiös zu sein. Allah ist reich und braucht weder ihren Imaan noch ihre Pilgerfahrt; es ist lediglich in ihrem eigenen Interesse, wenn sie den Imaan verinnerlichen und Allah dienen. Einer der Vorzüge dieses Hauses ist, dass jeder, der sich darin befindet, sich sicher fühlen kann. Somit ist die Ka'ba ein Schutz- und Zufluchtsort für jeden Ängstli­chen, in Bedrängnis Geratenen geworden wie kein anderer Ort auf dieser Erde... Und so blieb es, seitdem die Ka'ba von Ibraahiim und Ismail, Allahs Segen und Frieden auf ihnen beiden, erbaut wurde, selbst in den finstersten Zeit, die. die Araber durchlebten und in denen sie weit von der Religion Ibraahiim, Allahs Segen und Frieden auf ihm, abgewichen sind. Auch dann wurde die Heiligkeit des Orts gewahrt. Hassan Al-Basri und andere wissen zu erzählen: "Wenn jemand einen anderen Menschen umgebracht hatte, wickelte er sich einen Wollschal um den Hals und ging zur Ka'ba. Wenn ihm der Sohn des Ermordeten dort begegnete, durfte selbst dieser ihm nichts tun, ehe er nicht das "Haus" verließ. So hochgeehrt und geachtet wurde es Allah zuliebe, selbst zu einer Zeit, als die Menschen dort in Götzenanbetung lebten. Zur Heiligung des Ortes gehört, dass dort Wild weder gejagt noch aus seinem Bau vertrieben werden und keine Bäume umgeschlagen werden dürfen. (Qutb)

 

98. Sprich: ,,O ihr Besitzer des Buches, warum verleugnet ihr die Zeichen Allahs, wo doch Allah (Selbst) Zeuge ist für das, was ihr tut?,,171

170. Wer die Unbequemlichkeiten der Reise und die Kosten der Pilgerfahrt zu tragen vermag, wird die Erfahrung machen, dass sein Weg dorthin sicher ist. Die Pilgerfahrt ist eine der fünf Säulen des Islam. (Siddiqi)

171. So dass alles Verbergen nichts nützt. Er ist der Ewiglebende, ständig Anwesende, der Zeuge allen menschlichen Handelns, aller unserer Leidenschaften und Beweggründe. Wenn schon nicht aus Liebe zu Ihm, dann sollte uns die Ehrfurcht vor Ihm und das Bewusstsein Seiner Allgegenwart dazu anhalten, wahrhaft und menschenwürdig zu leben. (Darjabaadi)

Eine Kritik wie diese wiederholt sich in vielen anderen Suuras. Den Schriftleuten wird hier die Wirklichkeit ihrer Haltung entgegengehalten, dass sie nämlich Kaafir sind, wenn sie sich auch der äußeren Erscheinung nach religiös zeigen. Sie hatten nicht den Imaan an die Zeichen Allahs im Qur´an. Wer aber an etwas von Allahs Buch nicht den Imaan verinnerlicht, der verinnerlicht auch nicht den Imaan an Seine Bücher insgesamt. Denn wenn sie an das den Imaan verinnerlichen würden, was ihnen gegeben wurde, so würden sie an sämtliche Prophe­ten den Imaan verinnerlichen, die nach ihrem eigenen Propheten von Allah gekommen sind. (Qutb)

 

99. Sprich: ,,O ihr Besitzer des Buches, warum haltet ihr die, die den Imaan verinnerlicht haben, vom Pfad Allahs ab, indem ihr danach trachtet, ihn krumm zu machen, wo ihr doch selbst Zeugen seid?l72 Und Allah ist nicht achtlos dessen, was ihr tut."

172. Durch eure eigenen Schriften. Siehe auch Fußnote 151 zu 3:86. Hier wird Bezug genommen auf die Versuche der Juden und Christen, zu "beweisen", dass Muchammed, Allahs Segen und Frieden auf ihm,  die wichtigsten Gedanken des Qur´an aus der Bibel entlehnt und sie so aus dem Zusammenhang gerissen habe, dass sie seine eigenen, angeblich "ehrgeizigen Pläne" untermauerten. (Asad)

Allahs Weg ist gerade. Alles andere ist krumm und verbogen. Wenn die Mu´mins von Allahs Pfad abgehalten werden, verliert alles an Aufrichtigkeit, die Maßstäbe werden fehlerhaft, und es herrscht eine solche Verzerrung, dass sie nicht wieder gerade zu biegen ist. (Qutb)

 

100. O die ihr den Imaan verinnerlicht habt, wenn ihr einem Teil derjenigen gehorcht, denen das Buch gegeben worden ist,174 dann werden sie euch, nachdem ihr die Religion angenommen habt,175 wieder zu Kaafir machen.

173. Oder es zulässt, dass sie euch beeinflussen. (Darjabaadi)

Den Besitzern des Buches zu folgen, sich an ihnen zu orientieren und ihre Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen zu kopieren, führt zuallererst zu einer inneren Niederlage und zur Aufgabe der Führungsposition, zu der die muslimische Gemeinschaft berufen ist. Außerdem werden dadurch Zweifel an der Eignung des Weges Allahs verursacht, den Men­schen zu stetigem Wachstum und Aufstieg zu führen, sofern das Leben nach dessen Lehren gestaltet wird. Auf diese Weise schleicht sich, ohne dass die nahende Gefahr erkannt wird, der Kufr in die Seele ein. (Qutb)

174. Die Muslime werden ermahnt, dass sie in dieser Welt als neue religiöse Kraft auftreten. Daher droht ihnen die größte Ge­fahr, der sie ausgesetzt sind, von jener religiösen Gruppe von Schriftbesitzern, die es sich in den Kopf gesetzt hat, sie mit Hilfe von "frommen" Machenschaften und Zungenfertigkeit dazu zu bringen, dass sie in der alten Religion zurückfallen. (Siddiqi)

175. Wörtlich: nach eurer Religion Siehe dazu auch 2:109. (Anm. d. Übers.)

 

101. Wie könnt ihr (wieder) Kaafir werden, wäh­rend euch die Zeichen Allahs vorgetragen werden und Sein Gesandter176 unter euch ist? Doch wer an Allah festhält, der wird gewiss rechtgeleitet auf den geraden Weg.

176. Körperlich unter euch, solange er am Leben war, geistig aber selbst nach seinem Tode, nämlich durch sein Handeln und seine Worte, die Sunnah. Was hier betont werden soll, ist, dass es keinen denkbaren Grund gibt, sich erneut der unrichtigen Religion zuzuwenden, solange es den Qur´an und die Sunnah gibt. Vielmehr sollte jedermann sich dazu bewogen fühlen, ein guter und aufrichtiger Muslim zu sein. (Darjabaadi)

Wie ist es denkbar, dass jemand von euch der Religion verleugnen kann, wenn die Offenbarungen von Muchammed, Allahs Segen und Frieden auf ihm, vorgetragen werden und er sich auch physisch unter euch befindet als lebendige Verkörperung der Zeichen Allahs. Man sollte sich klar vor Augen führen, dass die Stellung Muchammeds (Friede sei mit ihm) bis in alle Ewigkeit unverändert bleibt, weil es ihm bestimmt ist, durch die unantastbare Aufzeichnung seines vorbildlichen Lebens und seiner großartigen Lehren, von denen jede kleinste Einzelheit auf das Sorgfältigste aufbewahrt und von einer Generation zur nächsten weitergereicht worden ist als kostbarster Schatz der Menschheit, auf immer lebendig zu sein. (Siddiqi)

Abschnitt 11

102. O die ihr den Imaan verinnerlicht habt! Fürchtet Allah, so wie man Ihn fürchten sollte,177 und sterbt nicht anders als178(Ihm) ergeben.

177. Furcht kann von vielerlei Art sein. So beispielsweise

1. die verächtliche Furcht des Feiglings;

2. die Furcht eines- Kindes oder eines unerfahrenen Menschen angesichts einer unbekannten Gefahr;

3. die Furcht eines vernünftigen Menschen, der Gefahren von sich und den Seinen abwenden möchte, um sie zu beschützen;

4. die Ehrfurcht, die eigentlich verwandt ist mit Liebe, denn sie fürchtet, irgend etwas zu tun, was dem Geliebten missfallen könnte.

Die erste Art ist menschenunwürdig; die zweite ist für die geistig noch nicht Ausgereiften notwendig; die dritte ist eine mutige Vorsichtsmaßnahme gegen das Böse, das noch nicht besiegt ist; die vierte schließlich ist das Saatbeet der Rechtschaffenheit. Jene, die in ihrem Imaan bereits ausgereift sind, bemühen sich um eine Weiterentwicklung der vierten Art. In früheren Stadien mag die dritte oder zweite notwendig sein. Dabei handelt es sich um Furcht, nicht aber um die Furcht vor Allah. Die erste ist ein Gefühl, dessen sich jeder schämen sollte. (Juusuf 'Allii)

Taqwa und Ergebenheit zu Allah sind die beiden Pfeiler, auf die. die islamische Gemeinschaft sich stützt, um ihre mühsame und zugleich wichtige Rolle erfüllen zu können. Als erstes ist der Pfeiler des Imaans und der Taqwa erwähnt. Aus dieser Furcht heraus versucht der rechtgeleitete Mensch, Allahs Anforderungen zu erfüllen, und zwar so lange, bis sein Leben zu Ende ist. (Qutb)

178. Nämlich als Muslime. Siehe auch Fußnote 231 zu 2:128. (Anm. d. Übers.)

Der Augenblick des Todes ist vor dem Menschen verborgen. Wer nur als Muslim sterben will, der soll ab sofort in jedem kommenden Augenblick Muslim sein. Die Erwähnung des Wortes Hingabe (Islam) nach der Ermahnung zur Taqwa soll auf die weit reichende Bedeutung dieser vorbehaltlosen Hingabe gegenüber Allah hinweisen, die den Gehorsam Ihm gegenüber und die Befolgung Seines Weges und Seiner Schrift mit einschließt. (Qutb)

 

103. Und haltet euch allesamt179 fest am Seil Allahs180 und zersplittert euch nicht und gedenket der Gnade Allahs, die Er euch erwiesen hat, als ihr Feinde wart und Er eure Herzen in Liebe vereinte, so dass ihr durch Seine Gnade zu Brüdern wurdet. Damals wart ihr sm Rande einer Feuergrube und Er errettete euch daraus. So macht Allah euch Seine Zeichen klar, damit ihr vielleicht rechtgeleitet werden möget.181

179. Das Gleichnis ist das von Menschen, die in tiefem Wasser gegen das Ertrinken ankämpfen und denen eine wohlmeinende Vorsehung ein langes, reißfestes Rettungsseil entgegenstreckt. Wenn sie alle fest zusammenhalten, dann trägt ihre gegenseitige Unterstützung zu ihrer Sicherheit bei. (Juusuf 'Allii)

180. Das Seil Allahs ist die von Ihm vorgeschriebene Lebensweise. Sie ist ein Seil, weil sie die Verbindung der Mu´mins zu Allah aufrechterhält und sie gleichzeitig zu einer Gemeinschaft zusammenschließt und verbindet. (Mauduudi)

181. Dies bezieht sich auf den schrecklichen Zustand, in dem sich die Araber befanden und aus dem sie durch den Islam gerettet wurden. Vor der Zeit des Islam waren die Stämme in zwei feindliche Lager aufgespalten, die sich wegen der nichtigsten Gründe gegenseitig bekriegten. Das menschliche Leben war keinem heilig, und die Menschen wurden getötet, ohne dass sich das Gewissen der Täter regte. Die Feuersbrunst des Hasses und der Feindschaft hätte alle Araber auslöschen können, wenn der gesegnete Islam sie nicht errettet hätte. Dieser Segen machte sich in spürbarer Form gerade in Medina bemerkbar zu jener Zeit, als dieser Aja offenbart wurde. Die beiden Stämme der 'Aus und Kasradsch, die bereits jahrelang völlig verfein­det waren und in bittere Stammeskämpfe und blutige Schlachten verwickelt gewesen waren, wurden zu Brüdern, als sie den Islam annahmen. Doch nicht nur das, sie bewiesen auch jenen Opfermut, der erforderlich war, um den Flüchtlingen aus Mekka das Einleben in ihrer neuen Umgebung zu ermöglichen und für den es in der gesamten Geschichte nichts Ver­gleichbares gibt. (Mauduudi)

Die Ausdrucksweise im Qur´an trifft haargenau dort hinein, wo des Menschen verborgene Gefühle, seine tiefsten Bindungen an Höheres ihren Sitz haben, nämlich ins "Herz". So heißt es nicht, "Er vereinte euch", sondern "Er vereinte eure Herzen". Diese Herzen also werden als in einem harmonischen Bund vereint dargestellt, einem Bund, der durch Allahs Allmacht geschlossen wurde. (Qutb)

 

104. Und es soll unter euch eine Gemeinschaft sein, die zum Guten aufruft ­und das Rechte gebietet und Unrecht verwehrt.182 Sie sind es, die erfolgreich sein werden.183

182. Während in Aja 101 bis 103 die Muslime an ihre islamische Verantwortung als Individuen erinnert werden, erweckt sie dieser Aja zu ihrer sozialen Verantwortung. Wie hoch auch immer der individuelle moralische Standard sein mag, er kann nicht die vom Islam angestrebten Zielsetzungen erreichen, wenn nicht die Gesellschaft als ganze religiös und taqwavoll und frei von Korruption und Missbrauch aller Art ist. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn sich wenigstens eine Personengruppe der Aufgabe widmet, die Menschen auf den Weg der Rechtschaffenheit zu rufen und dem Volk die goldenen Regeln moralischen Verhaltens nahe zulegen und den Übeltätern das Böse zu verwehren. Diese Tatsache haben sowohl der Qur'an als auch die Sunnah betont. Abu Huraira berichtet, dass Allahs Gesandter -Segen und Friede sei mit ihm -sagte: "Wenn jemand von euch etwas Schändliches sieht, dann soll er es mit seiner Hand ändern; wenn ihm dies unmöglich ist, dann mit seiner Zunge; wenn er auch dazu nicht in der Lage ist, dann sollte er es in seinem Herzen ableh­nen; und das ist die schwächste Form des Imaans." (Muslim).

Zum Gebieten des Guten und Verbieten des Bösen muss angemerkt werden, dass es nur dann effektiv geschehen kann, wenn eine gesellschaftliche Kraft dahinter steht, und die effektivste Kraft ist die Regierung und die Verwaltung. Aus diesen Worten des Qur´an ergibt sich die objektive Notwendigkeit, eine Regierung einzusetzen, die, die Gesetze der Scharii'a durchsetzt. (Siddiqi)

Es ist folglich unumgänglich, dass es eine Gemeinschaft gibt, die zum Heil anruft, Gutes gebietet und Böses verwehrt. Und ebenso ist es unumgänglich, dass die Staatsmacht diese Aufgabe übernimmt. Der Text des Qur´ans beinhaltet nicht nur den Aufruf zum Heil, sondern auch den Befehl, das Gute zu gebieten und vom Bösen abzuhalten. Während es für jedermann möglich ist, auch ohne größere Machtbefugnisse, zum Heil aufzurufen, bedarf das Gebieten und Verbieten der höchsten Autorität eines Landes nur ihr stehen "Befehl" und "Verbot" zu. (Qutb)

183. Der Grundgedanke ist Erfüllung der Wünsche; Glückseligkeit in dieser Welt und in der nächsten; Erfolg, Freiheit von Ängsten, Sorgen oder einer gestörten Gemütsverfassung; das Gegenteil zu dem Begriff "'Adab" im nächsten Aja, der Versagen; Elend; Strafe; Qual und Schmerz beinhaltet.

Die ideale muslimische Gesellschaft ist glücklich, ungestört von Konflikten oder Zweifeln, selbstsicher, stark, einig und erfolgreich, denn sie ruft zum Guten auf, gebietet Richtiges und verbietet Falsches -eine genau zutreffende Beschreibung in drei Worten. (Juusuf 'Allii)

Dieses Versprechen schließt nicht nur diejenigen ein, die sich ausschließlich dieser wichtigen Aufgabe widmen, sondern die gesamte muslimische Gesellschaft, die zu diesem Zweck entsprechende Maßnahmen trifft. (Siddiqi)

 

105. Und seid nicht wie jene, die sich in Gruppen gespalten haben und uneins geworden sind, nachdem klare Beweise zu ihnen gekommen waren.184 Und ihnen wird schwere Strafe zuteil.

184. Dies bezieht sich auf diejenigen Gemeinschaften, die von den Gesandten Allahs Rechtleitung und klare Lehren erhielten, nach einiger Zeit aber die Grundprinzipien der Rechtleitung verwarfen und sich auf Grund irrelevanter und geringfügiger Streitfragen in verschiedene Sekten spalteten und mit sinn- und nutzlosen Diskussionen beschäftigt waren. Auf dergleichen Dinge waren sie so konzentriert, dass sie den Auftrag vergaßen, den Allah ihnen anvertraut hatte, und selbst an den Grund­prinzipien das Interesse verloren, von denen in der Tat der wahre Erfolg der Menschheit abhängt. (Mauduudi)

Diese Worte kennzeichnen den Unterschied zwischen destruktiven und konstruktiven Differenzen. Die Differenzen, vor denen hier gewarnt wird, sind diejenigen, deren Motivation Selbstsucht und Neid ist. Wie kann es über die klaren Zeichen Differenzen geben, wenn nicht die Absichten und Motivationen der Menschen niedrig sind? Deswegen sind in einer muslimischen Gesellschaft Auseinandersetzungen über die Grundlehren des Islam die klaren Zeichen undenkbar. Ein Spielraum für ehrliche Meinungsverschiedenheiten im Detail ist immer vorhanden und wird im Islam nicht verurteilt, sondern eher gefördert, denn er bietet den Gelehrten einen Anstoß, Intellekt und Wissen zu üben und Einzelheiten der islamischen Scharii'a zu Problemen auszuarbeiten, über die Qur`an und Sunnah schweigen. Dieses intellektuelle Streben ist im Islam, und der Prophet, Friede sei mit ihm, hat selbst demjenigen eine Belohnung versprochen, der sich hierin Mühe gibt, aber nicht zur richtigen Schlussfolgerung kommt. Dies hat den Gesichtskreis der Scharii'a erweitert. Abzulehnen ist lediglich Streit über die Grundsätze des Islam, und Differenzen, die durch selbstsüchtige Motive und gegenseitigen Neid entstanden sind. (Siddiqi)

 

106. Am Tage, an dem (manche) Gesichter185 weiß und (manche) Gesichter schwarz sein werden. Und zu denen, deren Gesichter schwarz sein werden, (wird gesagt werden): "Seid ihr Kaafir geworden, nachdem ihr den Imaan angenommen hattet? So kostet die Strafe dafür, dass ihr Kaafir geworden seid."

185. Das "Gesicht" bezeichnet unsere Persönlichkeit, unser inneres Wesen. Weiß ist die Farbe des Lichts, weiß wer­den bedeutet, vom Licht erleuchtet zu werden, nämlich vom Licht der Glückseligkeit, von den Strahlen des herrlichen Lichtes Allahs. Schwarz ist die Farbe von Finsternis, Sünde, Rebellion, Elend, Entfernung von dem Licht und der Gnade Allahs. Dies sind die Zeichen für Himmel und Hölle. Der Beurteilungsmaßstab ist allen Fragen die Gerechtigkeit Allahs. (Juusuf 'Allii)

 

107. Diejenigen aber, deren Gesichter weiß sein werden, die werden in Allahs Barmherzigkeit eingehen, darin (ewig) zu verweilen.

108.Dies sind die Zeichen Allahs. Wir tragen sie dir in Wahrheit vor. Und Allah will nicht, dass (irgend jemandem) in der Welt Unrecht zugefügt wird.186

186. Da Allah nicht den Menschen in der Welt gegenüber ungerecht sein will, zeigt Er ihnen den rechten Weg und warnt sie von vornherein vor dem, wofür sie zur Rechenschaft gezogen werden. Wer demnach Abwege verfolgt, selbst nachdem er gewarnt worden ist, und nicht zum rechten Weg zurückkehrt, der tut sich selbst Unrecht. (Mauduudi)

Es ist keine Willkür, sondern absolute und strenge Gerechtigkeit, mit der Allah Seine schuldigen Geschöpfe bestraft. Er ist keineswegs mit den boshaften Gottheiten der Kaafir zu vergleichen. (Darjabaadi)

 

109. Und Allah gehört, was in den Himmeln und was auf Erden ist. Und zu Allah werden alle Angelegenheiten (zur Entscheidung) zurückgebracht.187

187. Wo echter Imaan fehlt, werden alle möglichen Entschuldigungen vorgebracht, nur um Allahs Weisungen nicht befolgen zu müssen. Da heißt es dann: ,,O ja, wir werden den Imaan verinnerlichen, wenn Allah uns mit Seinen Engeln in aller Macht und Herrlichkeit erscheint." Mit anderen Worten: diese Menschen wollen so vorgehen, wie es ihnen gefällt, nicht wie Allah es von ihnen fordert. Doch das geht nicht. Die Entscheidung in allen Dingen ruht einzig bei Allah. (Juusuf ‘Allii)

Eine weitere Erinnerung an die Tatsache, dass Er der einzige Richter ist. (Darjabaadi)

Dieser Aja steht in einem bedeutungsvollen Zusammenhang mit den vorhergehenden. Von Aja 104 bis 107 wurden die Erfolge und das Glück der Mu´mins sowie das Versagen und die Frustration der Kaafir aufgezeigt, und dann in Aja 108 hat Allah deutlich darauf hingewiesen, dass nicht Er Seine Geschöpfe ungerecht behandelte, sondern es sind die Geschöpfe selbst, die solche Fehltritte begehen, dass sie nach dem Gesetz der Vergeltung bestraft werden müssen. Was Allah selbst betrifft, so nützt ihm weder das Gute der Menschen noch schadet ihm das Böse der Übeltäter, denn die ganze Schöpfung gehört ihm, und Er steht hoch über den Auswirkungen menschlicher Handlungen. Er hat aus diesem Grunde kein Bedürfnis, jemandem zu schaden. Da ihm die Schöpfung gehört, hat Er eine tiefe Liebe für sie und ist gnädig und barmherzig zu jedem. Wenn jemand für seine Übeltaten bestraft wird, geschieht dies gemäß seinem Gesetz der Vergeltung, das wiederum ein wichtiger Aspekt Seiner Barmherzigkeit ist. (Siddiqi)

 

Abschnitt 12

110. Ihr seid die beste Gemeinschaft, die unter den Menschen hervorgebracht worden ist. Ihr gebietet das Rechte und verwehrt Unrecht und verinnerlicht den Imaan an188 Allah. Wenn die Besitzer des Buches den Imaan verinnerlicht hätten, dann wäre es besser für sie gewesen. Unter ihnen sind (manche), die den Imaan verinnerlicht haben, doch die meisten von ihnen sind Frevler.

188. Die logische Schlussfolgerung aus der Entwicklung der Religionsgeschichte ist eine weder sektiererisch noch rassisch noch doktrinär 'orientierte universale Religion, die der Islam zu sein beansprucht. Denn Islam ist einfach Hingabe in den Willen Allahs. Dies impliziert

1. Imaan,

2. rechtes Handeln, wobei man für andere ein Vorbild ist und die Kraft hat, dafür zu sorgen, dass das Richtige überwiegt

3. das Böse meiden, wobei man wiederum für andere ein Vorbild in der Vermei­dung des Bösen ist, und die Kraft hat, dafür zu sorgen, dass Falsches und Unrecht abgewehrt werden.

Der Islam existiert daher nicht um seiner selbst Willen, sondern für die Menschheit. Wenn die Leute der Schrift nur den Imaan verinnerlicht hätten, wären sie Muslime, denn sie sind auf den Islam vorbereitet worden. Unglücklicherweise gibt es Kufr, doch dieser kann niemals denen schaden, die das Banner von Religion tragen, denn diese müssen letztlich immer siegreich sein. (Juusuf 'Allii)

Dieser Aja bezieht sich auf die Träger der muslimischen Gemeinschaft, und zwar in dem Maße, wie wertvoll diese Gemeinschaft und wie hoch ihr geistiges Niveau ist, und wie weit sie tatsächlich ihre besondere Stellung innehält, die von keiner anderen Gemeinschaft erreicht wird. (Qutb)

Dies ist was die islamische Gemeinschaft erkennen muss; nämlich ihre Aufgabe und auch ihren Stellenwert. Sie muss wissen, dass sie hervorgebracht worden ist als eine Vorhut und um die Führung zu übernehmen. Denn Allah will, dass das Gute und nicht das Böse die 0berhand bekommt. Sie muss immer imstande sein, den anderen Gemeinschaften von dem zu geben was sie besitzt: den Imaan, die rechte Vorstellung, das rechte System, rechte Moral und rechtes Wissen. (Qutb)

 Diese Worte fassen Status und Funktion der muslimischen Gemeinschaft zusammen. Sie ist die beste Gemeinschaft, auf der die Verantwortung ruht, die moralische Gesundheit der gesamten Menschheit zu bewahren. Bloße platonische Unterscheidung von Gut und Böse hat im Islam keinen Wert. Von einem Muslim wird erwartet, dass er in seinem Herzen beständig das Verlangen verspürt, Richtiges zu fördern und Falsches auszurotten, damit die Menschheit ein friedliches Leben führen kann. Im Islam steht und fällt die Moral mit dem menschlichen Streben, sie auf der Erde zu verwirklichen. (Siddiqi)

 

111... Sie werden euch gewiss keinen Schaden zufügen, außer (ein wenig) Ungemach. Und wenn sie euch bekämpfen, werden sie euch (alsbald) den Rücken kehren. Dann soll ihnen keine Hilfe zuteil werden.189

189. Wie aus dem ersten Satz von Aja 110 hervorgeht, ist dieses Versprechen an die Anhänger des Qur'an daran gebunden, dass sie eine Gemeinschaft von Menschen sind bzw. bleiben, die "Gutes gebietet und Böses verwehrt und wirklich an Gott den Imaan verinnerlicht", und wie die Geschichte beweist, entfällt dieses Versprechen, sobald die Muslime die Forderungen von Allah nicht erfüllen. (Asad)

 

112. Verachtung soll sie treffen,191 wo immer man auf sie stößt, außer wenn eine Bindung zwischen ihnen und Allah191 und eine Bindung zwischen ihnen und den Menschenl92 besteht. Und sie haben den Zorn Allahs auf sich geladen und Elend soll sie treffen. Dies, wen sie immer wieder die Zeichen Allahs leugneten und die Propheten ohne Recht töteten193 (und) dies, wen sie sich widersetzten und (Allahs Gesetz) immer wieder übertraten.194

190. "Duribat" ضُرِبَتْ: hier wird das Aufschlagen eines Zeltes als Vergleich herangezogen. Das Zelt eines Menschen ist gewöhnlich ein Ort der Ruhe und der Ehre. Das Zelt der Bösen jedoch ist Schmach, Schande und Demütigung. Nur Mitleid von Allah oder den Menschen gewährt ihnen Schutz, wenn ihr Hochmut zu Fall kommt. Mit dem gleichen Bild von einem Zelt: Verzweiflung und Elend wird ihre Wohnstatt sein. (Juusuf 'Allii)

191. Eine Bedeutung ist, dass sie den Bund respektieren, den sie mit Allah geschlossen haben, indem sie den Islam annehmen. Die zweite Bedeutung ist, dass sie einen Vertrag mit einem islamischen Staat eingehen und auf diese Weise unter seinem Schutz, der sozusagen eine Garantie seitens des Herrn ist, ein friedliches Leben führen. (Siddiqi)

192. Mauduudi bezieht diesen Aja auf die Juden: "Die wenige Sicherheit, die sie hier oder da in der Welt genießen,. ist nicht auf sie selbst zurück zuführen, sondern auf die Hilfe und Freundlichkeit anderer.

Diese erhielten sie entweder von einigen muslimischen Staaten im Namen Allahs oder von nichtmuslimischen Staaten aus anderen Gründen." Und wenn es ihnen gelegentlich gelungen ist, sogar politische Macht zu gewinnen, geschah dies nicht aus eigener Kraft, sondern ist anderen zu verdanken. (Mauduudi)

...Wenn sie (die Juden) zu der Vorstellung von Allah als dem Herrn und Erhalter der ganzen Menschheit zurückkehren und die Idee aufgeben, "Allahs auserwähltes Volk" zu sein, die zwischen ihnen und allen anderen, die an den Einen Gott den Imaan verinnerlicht haben, eine Barriere bildet. (Asad)

193. Vgl. Suura 3:21. (Anm. d. Übers.)

194. Dies bezieht sich besonders auf die Kinder Israel (Vgl. auch Suura 2:61), obwohl der Abschnitt als Ganzes (Ajas 110 bis 115) offensichtlich die Anhänger der Bibel allgemein, das heißt, Juden und Christen, betrifft. (Asad)

 

113. (Doch) sie sind nicht (alle) gleich. Unter den Besitzern des Buches ist eine Gemeinschaft, die standhaft (für das Gute) eintritt195 (und) die Zeichen Allahs die ganze Nacht lang vorträgt und sich (vor Ihm demütig) niederwirft.

195. Im Islam respektieren wir aufrichtigen Imaan und wahre Rechtschaffenheit, in welcher Form sie auch immer erscheinen. (Juusuf 'Allii)

Wörtlich: "eine aufrichtige Gemeinschaft": ein Hinweis auf diejenigen unter den Anhängern der Bibel, die wahre Mu´mins sind (Vgl. Aja 110) und "den Bund mit Allah und den Menschen halten" (Aja 112). (Asad)

 

114. Sie den Imaan an Allah verinnerlichen und an den Jüngsten Tag und sie gebieten das Rechte und verwehren Unrecht und beeilen sich,196 Gutes zu tun. Und diese gehören zu den Tugendhaften.

196. Dies ist ein leuchtendes Bild des Mu´mins unter den Leuten der Schrift. Sie haben den Imaan wahrhaftig, tief und vollkommen verinnerlicht und gesellten sich zu den Reihen der Muslime. Sie haben den Imaan an Allah verinnerlicht und an den Jüngsten Tag und mühten sich, Allah gerecht zu werden. Somit verwirklichten sie die Charakteristika, die auch die Muslime kennzeichneten. Wie sie befahlen sie das Gute und wehrten dem Bösen, und ihre Seelen begehrten danach Gutes zu tun. Deshalb wurde ihnen von Allah bescheinigt, dass sie zu den "Tugendhaften", gehören (Qutb)

 

115. Und was sie an Gutem tun, soll ihnen gewiss nicht ungedankt bleiben. Und Allah kennt wohl die Mutaqi.l97

197. Haakim ibn Hischam berichtet, dass er den Gesandten Allahs, Friede und Allahs Segen sei mit ihm, fragte, wie es um seine guten Taten stehe, die er vor seinem Übertritt zum Islam getan hatte, und er antwortete: "Du hast den Islam mit allen Tugenden angenommen, die du praktiziert hattest." Muslim (Siddiqi)

Keine gute Tat oder die Absicht dazu geht jemals verloren. (Darjabaadi)

 

116. Wahrlich, denen, die Kaafir sind, wird (weder) ihr Vermögen noch ihre Kinder etwas helfen bei Allah.198 Sie werden Bewohner des Feuers sein. Dort werden sie (ewig) verweilen.

198. Wer an das Prophetentum Muchammeds, Friede und Allahs Segen sei mit ihm, nicht den Imaan verinnerlicht, wird hier auf die Tatsache hingewiesen, dass er die Wahrheit nur seiner eigenen materiellen Interessen und der Interessen seiner Kinder wegen ablehnt, aber er sollte sich die Tatsache vor Augen halten, dass weder Reichtum noch Kinder ihm am Tag der Auferstehung nützen, wenn er vor dem Allmächtigen Herrn steht. (Siddiqi)

Durch Wiedergutmachung oder Opfer für ihre Vorfahren. Hindus und Chinesen versprechen sich Vorteile im Jenseits, wenn sie einen leiblichen oder adoptierten Sohn haben, der nach ihrem Tod die entsprechenden Opfer darbringt. Das Wort "Putra" (Sohn) auf Sanskrit bedeutet "jemand, der seinen Vater aus einer Hölle namens Put erlöst". (Darjabaadi)

 

117. Das Gleichnis dessen, was sie im diesseitigen Leben spenden,l99 ist wie das Gleichnis eines eisigen Windes, er kommt über die Saatfelder eines Volkes, das sich selbst unrecht getan hat, und vernichtet sie.200 Und nicht Allah hat ihnen unrecht getan, sondern sie tun sich selbst unrecht.201

199. Falsches "Spenden" kann entweder falsche Mildtätigkeit oder Verschwendung sein. Für den Menschen, der sich gegen Allahs Plan wendet, ist keines von beiden nützlich. Das Wesen des Almosen ist Imaan und Liebe. Wo diese fehlen, sind Almosen keine Almosen. Ein niedrigerer Beweggrund liegt vor: Großtuerei, oder noch schlimmer durch vorgebliches Almosengeben jemanden dem Geber auszuliefern, jedenfalls etwas, was mit dem Leben dieser gierigen materiellen Welt verbunden ist. Und was geschieht? Man erwartet, dass die Tat Früchte trägt. Aber "während du meinst, mein Lieber, dass deine Größe mit Sicherheit heranreift", kommt ein beißender Frost und zerstört alle deine Hoffnungen. Der Frost mag ein Unheil sein oder die Tatsache, dass du durchschaut bist... In deiner Verzweiflung klagst du das blinde Schicksal oder gar Allah an! Blindes Schicksal existiert nicht, denn es gibt Allahs Vorsorge, die gerecht und gut ist. Schaden und Ungerechtigkeit sind nicht von Allah gekommen, sondern von dir selbst. Du hast deiner Seele unrecht getan, und nun erlei­det sie den Frost. Dein niedriges Motiv hat dir nichts eingebracht, es hat dich vielleicht in Armut, Schmach und Schande gestürzt. Die ganze Show der Bösen in diesem Leben ist nichts anderes als eine Wolke, die Arges auf sie selbst herabreg­net. (Juusuf 'Allii)

200. Ebenso wie Luft für das Wachstum der Ernte nützlich ist, sie aber auch zerstören kann, wenn Frost darin ist, so trägt Freigebigkeit dazu bei. dass die Ernte im nächsten Leben heranreift; sie zerstört sie aber, wenn sie durch Kufr vergif­tet ist. Es ist eindeutig. dass Allah der Herr sowohl über dem Menschen wie auch über dessen Reichtum und dem Bereich steht, in dem er handelt. Wenn nun Allahs Diener die Oberhoheit seines Herrn nicht anerkennt oder andere Wesen verehrt und in der Nutzung Seines Reichtums und Seines Reiches nicht Seinen Gesetzen gehorcht, macht er sich eines Verbrechens schuldig. Darum hat er keinen Anspruch auf eine Belohnung für seine Freigebigkeit, sondern wird für unrechtmäßige Aus­beutung belangt. Das Almosen eines solchen Menschen kann mit dem Almosen eines Dieners verglichen werden, der sei­nem Herrn eine Geldsumme stiehlt und sie nach seinem Belieben ausgibt. (Mauduudi)

Samachsari erklärt diese Parabel folgendermaßen: "Wenn das Ackerland (d.h. der Erfolg) derjenigen, die, die Wahrheit ablehnen, verloren geht, so geht es endgültig verloren, so dass nichts in dieser Welt um im kommenden Leben zurückbleibt; während andererseits das ,Ackerland' des Mu´mins niemals vollständig verloren geht: denn selbst wenn es anscheinend verloren gegangen ist, bleibt die Erwartung einer Belohnung im zukünftigen Leben für seine Geduld im Unglück." (Asad)

201. Sie weichen nämlich von dem Weg ab. der Güte und Frömmigkeit vereinigt und sie gradlinig vorwärts bringt, der ein vor­gezeichnetes Ziel. einen sinnvollen Beweggrund und eine bewährte Methode hat. (Qutb)

Hinter diesen Worten liegt der Gedanke, dass die Bemühungen der Kaafir gegen den Islam und ihr materieller Auf­wand für diese Sache dem Imaan an Allah und den Muslimen nicht schaden können. Ihre Bestrebungen fallen auf sie selbst zurück. (Siddiqi)

 

118. O die ihr den Imaan verinnerlicht habt! Nehmt nicht (jene) zu Vertrauten, die nicht zu euch (den Mu´mins) gehören202 Ihnen wird keine Mühe zuviel sein, euch zu verderben. Sie möchten, dass ihr in Bedrängnis geratet. Schon ist Hass aus ihrem Mund offenbar geworden, doch was ihre Brust verbirgt, ist weitaus schlimmer. Wir haben euch die Zei­chen bereits klargemacht, wenn ihr (nur) begreifen wollt!

202. "Bitaana" بِطَانَة: Jemand, der einem Menschen so nahe steht, dass keins von dessen Geheimnissen vor ihm verborgen ist und mit dem er über alles spricht. (Siddiqi)

Einige Kommentatoren neigen zu der Ansicht, dass dieser Ausdruck alle Kaafir umfasst; dies widerspricht aber ein­deutig 60:8-9, wo den Mu´mins ausdrücklich erlaubt wird, Freundschaft mit solchen Kaafir zu schließen, die ihnen und den Islam nicht feindselig gegenüberstehen. Der Zusammenhang verdeutlicht außerdem, dass mit "denen, die nicht zu euch gehören" nur Menschen gemeint sind, deren feindselige Einstellung dem Islam und den Muslimen gegenüber durch ihr Verhalten und ihre Äußerungen erkennbar geworden ist (Tabari).

Die Übersetzung "die nicht zu euch gehören" soll darauf hinweisen, dass ihre Lebenseinstellung der, der Muslime so grund­legend entgegengesetzt ist, dass wirkliche Freundschaft völlig ausgeschlossen ist. (Asad)

Zweifelsohne betrifft diese Aussage des Qur´an zuallererst die Leute der Schrift, die Nachbarn den Muslime in Medina. In starken Worten wird ihr heimlicher Zorn über die Muslime und den Islam beschrieben und die Arglist, die ihre Seelen vergiftete zu einer Zeit als einige Muslime ihnen noch trauten und aus ihre Mitte Freunde und Kameraden genommen hatten. Sie fanden nichts dabei, ihnen die Geheimnisse der islamischen Gemeinschaft anzuvertrauen. So kam diese Warnung, um sie auf die Heimtücke ihrer Feinde aufmerksam zu machen. (Qutb)

 

119. Seht, ihr seid ja diejenigen, die ihnen in Liebe zugetan sind, doch sie lieben euch nicht, obwohl ihr an das gesamte Buch203 den Imaan verinnerlicht habt204. Wenn sie mit euch zusammen­ treffen, sagen sie: "Wir haben den Imaan verinnerlicht." Wenn sie aber allein sind, beißen sie sich in die Fingerspitzen vor Wut über euch. Sprich: "Sterbt an eurer Wut!" Wahrlich, Allah weiß wohl, was in den Herzen verborgen Ist.

203. Der Islam umfasst die vollständige Offenbarung, "das gesamte Buch", wenn auch teilweise Offenbarungen zu allen Zeiten gekommen sind. Vergleiche auch 3:23 und 2:14. (Juusuf 'Allii)

Eine weitere Bedeutung ist, dass auch die Muslime an die Offenbarung in allen ihren Aspekten den Imaan verinnerlicht haben und mit Freude jedem Gebot darin folgen, während die Schriftbesitzer "an einige Teile des Buches glauben und an andere nicht" (2:85). (Siddiqi)

204. An dieser Stelle ist es angebracht, auf einen anderen Aspekt hinzuweisen, nämlich auf die Toleranzen des Islams ange­sichts all der Feindseligkeit die ihm begegnete. Zwar wurden die Muslime angewiesen, keine Freunde unter den Feinden ihrer Religion zu nehmen, aber nicht etwa dazu, Zorn und Arglist mit gleichem zu vergelten. Diese Ajas sollten als Warnung vor der Gefahr verstanden werden, womit die anderen sie umringten. Der Muslim begegnet allen Menschen mit der Toleranz des Islams und behandelt alle Menschen mit der Aufrichtigkeit, die der Islam gebietet, und lässt allen seine Nächstenliebe zukommen. Er schützt sich vor Arglist, ist aber selber nicht hinterlistig. Er nimmt sich in Acht vor Gehässigkeit, selbst aber hasst er niemanden, außer er wird in seiner Religion bekämpft oder man versucht, ihn vom Pfade Allahs abzubringen. In diesem Falle ist er aufgefordert, dagegen zu kämpfen, um nicht vom rechten Weg abgebracht zu werden. (Qutb)

 

120. Wenn euch Gutes zuteil wird, macht es sie böse, trifft euch jedoch Übles, dann freuen sie sich darüber. Wenn ihr aber geduldig und mutaqi seid, werden euch ihre heimtückischen Pläne keinen Schaden zufügen. Wahrlich, Allahs Macht und Wissen umschließt das, was sie tun.

Abschnitt 13

121. Und (gedenke der Zeit) als du von deinen Angehörigen frühmorgens aufgebrochen bist, um den Mu´mins ihre Stellungen für den Kampf anzuweisen205 Und Allah ist hörend, wissend.206

205. Dieser Aja bezieht sich auf die Schlacht von Uhud, die eine ernsthafte Prüfung für die junge muslimische Gemeinschaft war. Ihr Mut und die Weisheit und Kraft ihres Anführers hatten sich in der Schlacht von Badr gezeigt (siehe 3:13), in der die Kaafir eine entscheidende Niederlage erlitten. Aus diesem Grund sammelten sie eine große Streitmacht und marschierten auf Medina. Sie zählten etwa 3000 Kämpfer unter Abuu Sufjaan und waren so siegesgewiss, dass ihre Frauen mitzogen und nach der Schlacht die schändlichste Brutalität an den Tag legten. Um der drohenden Gefahr entgegenzutreten, beschloss der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, als Führer der Muslime in seiner üblichen Voraussicht, Tapferkeit und Initiative, am Fuß des Berges Uhud Aufstellung zu nehmen, der etwa drei Meilen nördlich der Stadt Medina aufragt. Früh am Mor­gen des 7. Schawwal 3 n.H. (Januar 625 n.C.) ging er in Stellung für den Kampf. Die Winter in Medina sind äußerst streng, aber die Kämpfer des Islam (700 bis 1000 Mann) waren früh unterwegs. Südlich von ihnen befand sich ein Sturzbach (Nullah), und die Pässe im hinter ihnen liegenden Gebirge waren von 50 Bogenschützen besetzt, um gegen einen feindli­chen Angriff von hinten die Rückendeckung zu sichern. Anfangs stand der Kampf gut für die Muslime. Der Gegner geriet ins Wanken, aber die an den Pässen postierten muslimischen Bogenschützen verließen entgegen ihrem Befehl ihren Po­sten, um an der Verfolgung und Beuteverteilung teilzunehmen. Dazu kam der Verrat der 300 von' Abdullah ibn Ubay angeführten "Heuchler", die im entscheidenden Augenblick desertierten. Der Feind nutzte die von den Bogenschützen offengelassene Lücke aus, und es kam zu einem schweren Gefecht, in dem der Feind zahlenmäßig begünstigt war. Viele Gefährten und Helfer fielen. Dennoch erlitten die Muslime keine vernichtende Niederlage. Unter den Gefallenen der Mus­lime befand sich auch der tapfere Hamsa, ein Onkel väterlicherseits des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm. Die Gräber der Märtyrer sind noch bei Uhud zu sehen. Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Frieden auf ihm, selbst wurde an Kopf und Gesicht verwundet, und einer seiner Vorderzähne wurde ausgeschlagen. Nur seiner Festigkeit, seiner Besonnenheit und seinem Mut war es zu verdanken, dass nicht alles verloren war. Trotz seiner Verletzung kehrte der Gesandte Gottes und mit ihm viele verwundete Muslime, die mit Begei­sterung seinem Beispiel folgten, am nächsten Tag auf das Schlachtfeld zurück, und Abu Sufjaan und seine mekkanische Armee hielten es für das Vernünftigste, sich zurückzuziehen. Medina war gerettet, aber die Muslime hatten eine Lektion in Imaan, Beständigkeit, Festigkeit und Standhaftigkeit bekommen. (Juusuf 'Allii)

Das hier beginnende neue Thema, die Schlacht von Uhud, ist harmonisch mit den vorhergehenden Ausführungen verbun­den, die mit der Ermahnung endeten, dass die böswilligen Pläne der Feinde den Muslimen nichts anhaben können, wenn sie angesichts von Schwierigkeiten Standhaftigkeit beweisen und ihre Pflichten Allahs gegenüber erfüllen. Diese Ausführung hier ist eine angemessene Fortsetzung des gleichen Themas, denn der Rückschlag in der Schlacht von Uhud war auf fehlende Selbstbeherrschung und mangelndes Verantwortungsbewusstsein vor Allah zurückzuführen. (Siddiqi)

206. Es ist sehr bedeutsam, dass diese beiden Attribute Allahs in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Die wichtigen Fragen, auf die der Qur´an Bezug nimmt und die Art und Weise, wie er sie behandelt; betreffen mehr die verborgenen Aspekte des Islam, die der Mensch nicht beurteilen kann. Es ist Allah allein, Der sie vollständig kennt und beurteilen kann. (Siddiqi)

 

122. (Und gedenke der Zeit) als zwei Gruppen207 von euch sich anschickten, aufzugeben. Doch Allah war ihr Schutzherr.208 Und auf Allah sollen die Mu´mins vertrauen.

207. Die beiden wankelmütigen Gruppen waren wahrscheinlich die Banu Salima Hasradsch und die Banu Harita. Das Beispiel des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, brachte sie jedoch zur Besinnung. Der Zwischenfall zeigt, dass der Mensch schwach sein kann; wenn er aber dem Vorbild Allah ergebender Menschen folgt, kann er seine Schwäche überwinden. (Juusuf ’Allii)

208. Diese Ausdrucksweise weist eindeutig darauf hin, dass ihr Fehltritt von Allah vergeben wurde, zumal ihre wankelmütige Haltung etwas grundlegend anderes war als der Verrat von' Abdullah ibn Ubay. Die Hadiise zeigten, dass diese beiden Stämme zweifellos einer momentanen Unentschlossenheit nachgaben, dann jedoch sich glücklich über die Bestäti­gung Allahs fühlten, dass Er sie beschützt hatte. (Siddiqi)

 

123. Und Allah hat euch bereits bei Badr209 geholfen, als ihr schwach und verachtet wart.210 Und fürchtet Allah. Vielleicht, dass ihr dankbar sein werdet.211

209. Badr ist eine Raststätte und ein Marktort etwa zwanzig Meilen südwestlich von Medina, der für reiche Wasserversorgung bekannt ist und an der Vereinigung der Straße von Medina mit der Karawanenroute von Syrien nach Mekka liegt. Die Schlacht fand am 17. Ramadan 2 n.H. (11. März 624 n. Chr.) statt. (Siddiqi)

210. Die Hilfe Allahs bei Badr gehört in den Bereich des Wunderbaren, denn sie kam nicht durch eins der bekannten Hilfsmittel in einer solchen Situation. Das Verhältnis zwischen den Mu´mins und den Muschriks war nicht einmal annähernd gleich. Die Anzahl der Muschriks betrug 1000 unter der Führung von Abu Sufjaan; sie waren schwer bewaffnet und gut ausgerüstet als Geleitschutz der Karawane ausgezogen und brannten darauf, nicht nur ihren Reichtum zu sichern, son­dern auch darauf, ihre verletzte Ehre zu rächen. Die Muslime waren lediglich 300. Sie waren nicht zum Kampf ausgezogen, sondern hatten nur der ungerüsteten Karawane den Weg abschneiden wollen. Sie schlugen den gleichen Weg ein wie die Karawane, spärlich bewaffnet und gering an Zahl. In Medina hatten sie Muschriks zurückgelassen, die ihnen feindlich gesinnt waren, die Heuchler warteten im Hinterhalt, und die Juden lauerten auf ihre Gelegenheit... diese geringe Anzahl von Muslimen stand allein in einem Ozean des Kufrs und Schirks auf der Arabischen Halbinsel. (Qutb)

211. Allah ist Derjenige, Der ihnen half, als sie sich nicht aus eigener Kraft helfen und von niemandem Hilfe erwarten konnten. Wenn sie sich also fürchteten, dann fürchteten sie sich vor Allah, Der, der Herr über Sieg und Niederlage ist und Der allein Macht und Stärke besitzt. Und diese Taqwa veranlasste sie zur uneingeschränkten Dankbarkeit, die Allahs Gnade angemessen ist. (Qutb)

Dankbarkeit gegenüber Allah ist nicht mit Worten zu messen. Sie sollte sich in Verhalten und Lebensführung zeigen. Wenn damals alle Muslime aus dem Sieg bei Badr die richtigen Lehren gezogen hätten, dann hätten die Bogenschützen nicht die ihnen zugewiesenen Stellungen verlassen, und die beiden erwähnten Stämme wären nicht wankelmütig in ihrem Imaans geworden. (Juusuf .Allii)

 

124. (Und gedenke der Zeit) als du zu den Mu´mins sagtest: "Ist es euch nicht genug, dass euch euer Herr mit dreitausend herabgesandten Engeln stärkt?212

212. Dies waren die Worte des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, am Tag von Badr zu der kleinen Schar der Muslime, die mit ihm ausgezogen war und nun auf eine waffenstarrende Kampftruppe traf statt auf eine mit Waren beladene Karawane. Der Prophet, Gottes Segen und Friede sei mit ihm, teilte ihnen mit, was sein Herr ihm an diesem Tag gesagt hatte, um ihnen Herz und Hand zu stärken. Da sie Menschen waren, die der Hilfe bedurften, sagte Er es ihnen in einer Weise, die ihren Gefühlen und Vorstellungen am nächsten kam. Aber Er knüpfte die versprochene Verstärkung an die Bedingung: Standhaftigkeit ange­sichts der Gewalt des Angriffs, und Taqwa, die in Sieg und Niederlage das Herz mit Allah verbindet. (Qutb)

 

125. Doch fürwahr, wenn ihr euch geduldet und Allah fürchtet213 und sie ganz plötz­lich über euch kommen, wird euer Herr euch mit fünftausend heranstürmenden Engeln stärken."

213. Die volle Betonung liegt auf Standhaftigkeit und Disziplin (Darjabaadi)

 

126. Und Allah hat dies zu nichts anderem als einer frohen Botschaft für euch gemacht und um damit eure Herzen zu beruhigen.214 Und es gibt keine Hilfe außer von Allah,215 dem Allmächtigen, dem Weisen.

214. Hier lehrt Allah die Muslime, dass alles in Seiner Hand liegt, und dass Er selbst -Preis sei Ihm -eingreift. Das Herabsenden der Engel ist eine Hoffnung für ihre Herzen, um sie damit zu stärken und zu trösten, zu beruhigen und zu festigen. (Qutb)

215. Was immer geschieht, ob es zu den Wundem zählt oder nicht, alle Hilfe kommt von Allah. Der Mensch sollte nicht so anmaßend sein anzunehmen, er könnte durch eigenes Zutun den Lauf der Weltgeschichte verändern. Allah hilft denen, die Beständigkeit, Mut und Selbstbeherrschung zeigen und alle ihnen zur Verfügung stehenden menschlichen Mittel einset­zen, und nicht denen, die ihre Hände in den Schoß legen und keinen Hoffnung haben. Aber Allahs Hilfe beruht auf Erwägungen, die weit über unsere kurzsichtigen menschlichen Motive hinausreichen, auf vollkommener Weisheit, von der wir nur einen schwachen Funken erfassen können. (Juusuf 'Allii)

Dieser Aja dient nicht nur als Warnung vor einer möglichen Vergötterung der Engel und als Betonung der Tatsache, dass Allah allein -und nicht etwa Seine Engel -wirklich den Sieg herbeigeführt hat, sondern demonstriert auch die sonst nicht erklärbare Wahrheit, dass die Ausbreitung des Islam nur durch direktes Eingreifen Allahs möglich war. (Darjabaadi)

 

127. Damit Er einen Teil der Kaafir vernichte216 oder sie demütige, so dass sie durch Misserfolg (gezwungen) kehrt machen.

216. Wörtlich: "Damit Er einen Streifen der Kaafir abschneide, das heißt, ein Extrem, ein oberes oder unteres Ende. Dies kann hier bedeuten, dass die Oberhäupter der mekkanischen Muschriks, die so zuversichtlich gekommen waren, um die Muslime zu vernichten, enttäuscht zurückkehren mussten. Die schamlose Grausamkeit, mit der sie und ihre Frauen die Leichen der Muslime auf dem Schlachtfeld verstümmelten, wird für immer ihre Niedertracht bezeugen. Möglicherwei­se zeigte dies auch einigen, die für sie kämpften, ihr wahres Gesicht, z.B. Halid ibn WAlliid, der nicht nur später den Islam annahm, sondern sich einer der namhaftesten Vorkämpfer des Islam wurde. Er beteiligte sich mit den Muslimen am Einmarsch in Mekka und gewann später in Syrien und dem Iraq große Auszeichnungen. (Juusuf 'Allii)

 

128. Nicht dir obliegt die Entscheidung, ob Er ihnen (vergibt), oder ob er sie bestraft,217 denn sie sind ja wahrlich diejenigen, die unrecht tun.

217. Uhud ist ebenso sehr ein Meilenstein für den Islam wie Badr. Für uns in der heutigen Zeit beinhaltet dies eine noch größere Lehre. Allahs Hilfe kommt, wenn wir den Imaan verinnerlichen, gehorsam sind, Disziplin, Einheit und den Geist rechtschaffenen und ge­rechten Handeins zeigen. Wenn wir dies nicht schaffen, steht uns doch immer Seine Barmherzigkeit offen. Aber sie steht auch unseren Gegnern offen und denen, die uns als Seine Feinde erscheinen. Es mag in Seinem Plan liegen, Sünder zur Reue zu bewegen und uns Rechtschaffenheit und Weisheit durch jene zu lehren, die in unseren Augen als ungehorsam oder gar trotzig erscheinen. In Ihnen kann es Gutes geben, das Er sieht und wir nicht -ein demütigender Gedanke, der uns zu Selbstprüfung und Selbstverbesserung veranlassen muss. (Juusuf 'Allii)

Mit diesem Aja wird der in Aja 120 unterbrochene Bezug zu Uhud wiederhergestellt. Als der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, verwundet dasaß und ihm das Blut abgewischt wurde, dachte er traurig an das Schicksal, das sein ungehorsames Volk erwartete, und soll gesagt haben: "Wie soll es einem Volk wohl ergehen, das so seinen Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, behandelt, der es zu seinem Herrn ruft!" Daraufhin wurde dieser Aja offenbart. (Darjabaadi)

 

129. Und Allah gehört, was in den Himmeln ist und was auf Erden ist. Er verzeiht, wem Er will und bestraft, wen Er will. Und Allah ist verzeihend, barmherzig.218

218. Es ist erwähnenswert, dass Allah es in Seiner grenzenlosen Barmherzigkeit vielen Gegnern des Islam ermöglichte, den Weg zum Islam zu finden, wie z.B. Halid ibn Walid (Siddiqi)

Dies ist ein Ausdruck für die absolute Souveränität Allahs, die darauf basiert, dass Er allein das Eigentumsrecht besitzt. Er hat die freie Verfügung über Seine Geschöpfe und über das, was auf Erden und, im Himmel ist. So gibt es weder Unge­rechtigkeit noch irgendwelche Bevorzugung, wenn es um Vergebung oder um Bestrafung geht. Was Er in dieser Sache entscheidet, geschieht in Weisheit und Gerechtigkeit und mit Barmherzigkeit und Vergebung. (Qutb)

 

130. O die ihr den Imaan verinnerlicht habt! Verschlingt nicht die Zinsen,219 verdoppelt und vervielfacht,220 und fürchtet Allah, damit es euch wohl ergehe.

219. Siehe auch 2:275. Im vorigen Aja war von Vergebung selbst Feinden gegenüber die Rede. Wenn Allah irrenden Sündern solche Gnade gewährt, um wie viel mehr sollten wir uns davor hüten, unsere in Not befindlichen Mitgeschöpfe zu unter­drücken, wenn es um rein materiellen und vergänglichen Reichtum geht! Wucher ist das äußerste Gegenteil von Freigebig­keit, Selbstlosigkeit, Streben und Einsatz im Dienst Allahs und unserer Mitmenschen. (Juusuf 'Allii)

Die Hauptursache für den Rückschlag bei Uhud war die von den Muslimen an den Tag gelegte Gier nach Besitz. Sie wur­den von der Beutegier so überwältigt, dass sie sich auf den Besitz der gefallenen Feinde stürzten, statt ihren anfänglichen Erfolg bis zum Sieg zu verfolgen. Das ist einer der Gründe, warum Allah in Seiner Weisheit das, Zinswesen die Wurzel solcher Missstände, verboten hat. Denn es ist eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass Menschen, die Wucher betreiben, so darauf konzentriert sind, dass sie keinen anderen Gedanken haben als den, ihre unverdienten Profite zu vergrößern, und dies fördert automatisch ihre Besitzgier. (Mauduudi)

Manche Menschen versuchen das Zinsverbot zu umgehen. Dieser Aja, so argumentieren sie, verbiete doch nur die Ver­vielfachung des Zinses, nicht aber so geringe Zinssätze wie 4,5 oder 8 Prozent, da sie keine Vervielfachung darstellten. Sie könnten somit wieder zum Verbotenen gezählt werden. Hier müssen wir entschieden sagen, dass die hier erwähnte Vervielfachung lediglich die Schilderung eines Vorganges und nicht eine Bedingung ist, von der die Vorschrift abhängt. Aja 275 in Suura 2 verbietet eindeutig und ohne Einschränkung jede Art von Zins. (Qutb)

220. Wahrer Erfolg besteht nicht in Gier, sondern im Geben -uns selbst und von unserem Unterhalt geben für Allahs Sache und Allahs Wahrheit und im Dienst an Allahs Geschöpfen. (Juusuf 'Allii)

Die enge Beziehung zwischen Krieg und nationalen Krediten und Schulden ist ganz offensichtlich... (Darjabaadi)

 

131. Und fürchtet das Feuer, das bereitet ist für die Kaafir.221

221. Wucher ist eine Praktik der Kaafir und eine Art der Kriegführung gegen Allah und den Propheten, Friede sei mit ihm. Die beste Erklärung für die Verbindung dieses Ajas mit dem in den vorherigen Ajas behandelten Thema gibt es bei Imam Rasi, zitiert von Qiffal: die mekkanischen Kaafir hatten durch Wucher gewonnene Mittel in die Ausrüstung ihres schlagkräftigen Heeres investiert. Dies hat möglicherweise die Muslime in Versuchung gebracht, es ihnen darin gleich­zutun; und um dieser Versuchung zu begegnen wurde im Qur´an noch einmal das Zinsverbot betont. (Siddiqi)

Das Feuer wird hier wie überall in einem geistigen Sinne dem Garten gegenübergestellt. (Juusuf 'All)

 

132. Und gehorcht Allah und dem Gesandten, damit euch Bannherzigkeit zuteil werde.

Abschnitt 14

133. Und beeilt euch um die Wette, um die Verzeihung eures Herrn zu erlangen und einen Garten, dessen Weite die Himmel und die Erde umfaßt222 und der bereitet ist für die Mutaqi, ­

222. Damit nicht der Eindruck entstehen kann, der Himmel sei eine Art von räumlich begrenztem materiellem Garten irgendwo im All, wird uns hier mitgeteilt, dass allein seine Weite der Gesamtheit von Himmel und Erde entspricht - aller Schöpfung, die wir uns vorstellen können. Mit anderen Worten: unsere geistige Glückseligkeit erstreckt sich nicht nur auf den einen oder anderen Teil unseres Daseins, sondern auf alles Leben und Sein. Wer kann da Länge, Breite oder Tiefe messen? (Juusuf 'Allii)

Die Muslime werden hier ermahnt, positive Verdienste zu erwerben und den Weg zur immerwährenden Glückseligkeit zu gewinnen, nicht sich mit dem rein negativen Aspekt der Enthaltsamkeit vom Bösen zufrieden zu geben. (Darjabaadi)

 

134. Jene, die bereitwillig spenden, sei es in Glück oder im Unglück,223 und ihre Wut bezähmen und den Menschen vergeben224 – und Allah liebt die, die Gutes tun.

223. Ihre Freigiebigkeit ist beständig. Weder Glück noch Unglück kann sie davon abhalten. So macht sie Glück nicht übermü­tig. so dass sie von Allah abgelenkt werden. Und Unglück macht sie nicht verdrießlich, so dass sie Ihn vergessen könnten. Sie haben auf alle Fälle das Gefühl, eine Aufgabe erfüllen zu müssen, um sich von Geiz- und Habgiergefühlen zu befreien. Und die Ehrfurcht vor Allah ist ihr ausschließlicher Beweggrund. (Qutb)

Eine weitere Definition der Rechtschaffenen. Weit entfernt von der Habgier nach materiellem Besitz, geben sie freizügig von sich selbst und ihrem Unterhalt, nicht nur, wenn es ihnen gut geht und leicht fällt, dies zu tun, sondern auch dann, wenn sie in Schwierigkeiten stecken, denn andere können zur gleichen Zeit ebensolche Schwierigkeiten haben. Im Un­glück sind sie nicht beunruhigt, auch werden sie nicht ärgerlich, wenn andere sich schlecht verhalten oder ihre eigenen Pläne fehlschlagen. Im Gegenteil, sie verdoppeln dann ihre Bemühungen. Denn Freigebigkeit und gute Taten sind im Un­glück um so notwendiger. (Juusuf 'Allii)

Wucher schafft Gier, Geiz, Knauserigkeit und Egoismus in denen, die nehmen, und Hass, Wut, Feindschaft und Neid in denen, die geben -diese moralischen Missstände trugen zu dem Rückschlag von Uhud bei. Aus diesem Grund hat Allah Wucher verboten und verurteilt und als Gegenmittel Freigebigkeit verordnet. Es liegt auf der Hand, dass das Paradies für diejenigen bestimmt ist, die freigebig sind und großzügig spenden, nicht für die Habgierigen, die Wucher betreiben. (Mauduudi)

224. Die Rechtschaffenen machen nicht den anderen Vorwürfe. Selbst wenn ein Vorwurf berechtigt und eine Korrektur not­wendig ist, bleibt ihr eigenes Gemüt frei von beleidigten Gefühlen, denn sie vergeben und verzeihen die Fehler anderer.

Dies, soweit es um andere Personen geht. Aber wir können selbst Fehler machen und vielleicht ein Unheil über uns brin­gen. Der Rechtschaffene ist nicht notwendigerweise vollkommen. Sein Verhalten unter diesen Umständen wird im näch­sten Aja behandelt. (Juusuf 'Allii)

Diejenigen, die darauf verzichten, jemanden zu strafen, den zu strafen sie ein Recht haben. Es ist bemerkenswert, dass diese Lehre hier einem so rachsüchtigen Volk, wie dem der Araber, erteilt wurde. (Darjabaadi)

Dies ist die geistige Rüstung eines Muslims, ohne die er keinen Erfolg erringen kann. Wenn er in die Herzen seiner Feinde vordringen und seine Gegner zu Freunden gewinnen will, muss er lernen, seinen Zorn zu kontrollieren und die Fehler anderer zu verzeihen. (Siddiqi)

Den Zorn zu beherrschen geschieht durch den Einfluss der Taqwa, denn Zorn ist eine menschliche Eigenschaft, die sogar von körperlichen Anzeichen begleitet ist. Nur durch die ihn durchdringenden Strahlen der Taqwa und geistige Kraft kann der Mensch ihn beherrschen. Aber den Zorn zu unterdrücken ist erst der erste Schritt, der allein keineswegs genügt. Denn es kann sein, dass der Mensch seinen Zorn unterdrückt, und der äußerliche Zorn sich in inneren Hass verwan­delt, was noch schlimmer ist als reiner, offener Zorn. Darum will dieser Aja dem Mutaqi zeigen, wie er sich von dem Zorn in seiner Seele befreien kann, nämlich durch verzeihen. Der Zorn lastet schwer auf der Seele und bedrückt das Herz, Vergebung aber ist eine Befreiung von dieser Last und gibt inneren Frieden. Wer in guten und schlechten Zeiten von seinem Besitz spendet, ist großzügig. Und wer in Zorn und Hass vergibt, ist ebenso großzügig. Und Allah liebt die Großzügigen. (Qutb)

 

135. Und jene, die, wenn sie eine Schandtat begangen oder sich selbst unrecht getan haben,225 Allah gedenken und für ihre Schuld um Verzeihung bitten226 -und wer kann Schuld vergeben außer Allah227 -und die nicht wissentlich beharren auf dem, was sie getan haben.228

225. Sünde ist eine Vergewaltigung unserer selbst durch uns selbst. Dies folgt aus der Lehre von der persönlichen Verantwortlichkeit, im Gegensatz zu der Lehre von einem blinden Schicksal oder einem boshaften Gott oder Göttern, die darauf lau­ern, sich an der Menschheit zu rächen oder ihr Unheil zuzufügen. (Juusuf 'Allii)

226. Wenn der Rechtschaffene feststellt, dass er eine Sünde oder einen Irrtum begangen hat, lamentiert und verzweifelt er nicht, sondern bittet Allah um Vergebung, und sein Imaan gibt ihm Hoffnung. Wenn er aufrichtig ist, bedeutet dies, dass er sein Fehlverhalten aufgibt und wieder gutmacht. (Juusuf `Allii)

Dies ermutigt die Menschen, Allah um Vergebung zu bitten, und impliziert ein Versprechen, dass ihre Reue angenommen wird. (Darjabaadi)

Der Qur`an wollte die islamische Gemeinschaft unmittelbar nach einer Schlacht, die sich nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern darüber hinaus auf dem weit größeren Kampfgebiet der menschlichen Seele abspielte, einem Gesundungsprozess unterziehen. So macht er unter anderem beim Wucher halt, um ihn zu verbieten, und beim Spenden in guten und schlechten Zeiten, um es zu fördern. Er wendet sich auch der Unterdrückung des Zornes zu, der Verrichtung guter Werke, der Reinigung von den Sünden durch die ständige Bitte um Vergebung, und der Erinnerung an die Rückkehr des Menschen zu Allah, und weist sie aus als Mittel um die Gunst und die Gnade Allahs zu erlangen. (Qutb)

227. Dies ist unter anderem eine Widerlegung der christlichen Lehre, dass die Macht, Sünden zu vergeben, in der Hand Isa, Allahs Segen und Frieden auf ihm,  und der Priester der Kirche liegt. (Darjabaadi)

228. Das heißt, sie wiederholen ihren Fehltritt nicht wissentlich. (Darjabaadi)

Diese Religion kennt genau die Schwächen des menschlichen Wesens, die ihn manchmal bis zu den tiefsten Tiefen der Sünde herabsinken lassen. Sie begreift diese Schwäche und geht deswegen nicht unbarmherzig mit ihm um. Sie verbannt ihn nicht sofort aus Allahs Gnade, wenn er sich selbst Unrecht tut, indem er eine Schandtat begeht, solange auch nur ein Funken Imaan in ihm ist, und solange er weiß, dass er ein Diener Allahs ist, der Fehler macht, die ihm sein Herr verzei­hen kann. Der sündige Mensch ist nicht verloren, solange er an Allah denkt und sich Ihm unterwirft und sich nicht etwa damit brüstet, sich Ihm widersetzen zu wollen. (Qutb)

 

136. Jenen wird als ihr Lohn Verzeihung von ihrem Herrn zuteil und Gärten, durch229 die Ströme fließen. Dort werden sie (ewig) verweilen. Was für eine Gnade ist der Lohn der Rechtschaffenen.

229. Wörtlich: unter denen Ströme fließen ...(Anm. d. Übers.)

 

137.Schon vor euch ist (gegen die ungehorsamen Völker) nach (bestimmten) Gesetzen vorgegangen worden. Darum reist umher auf Erden und seht, wie das Ende der Leugner230 war.

230. Den Muslimen wird mitgeteilt, dass der Konflikt zwischen Imaan und Kufr kein Problem ist, dem sie allein gegenüber­stehen. Der einzige Imaan ist von manchem Volk abgelehnt worden, und es fehlte nicht an früheren Nationen, die ihre Gedanken Institutionen auf der Grundlage des Kufrs aufbauten. Es ist daher ihre Pflicht zu sehen, was das Schicksal dieser beiden war: der Bekenner des Imaans und derer, die Kaafir waren. In der Geschichte kann man ablesen, wie Allah mit den Rechtschaffenen und den Bösen verfuhr. (Siddiqi)

Das heißt, Ende (der Untergang in dieser Welt. Reist über die Erde und lasst euch von den Spuren ihres Untergangs warnen, die ihr da zu sehen bekommt. (Darjabaadi)

Die Geschichte berichtet vom Untergang dieser Völker, und im Qur`an wird an verschiedenen Stellen davon berichtet. Die gesamte Erde ist Schauplatz menschlichen Lebens, und die Erde und das Leben sind ein aufgeschlagenes Buch, aus dem Einsichten gewonnen werden können. (Qutb)

Nur Allahs Wahrheit ist dauerhaft und wird am Ende den Sieg davontragen. In der Niederlage dürfen wir nicht entmutigt sein oder den Kampf aufgeben. Imaan bedeutet Hoffnung, Aktivität, beständiges Streben nach dem Ziel. (Juusuf 'Allii)

 Der Begriff "Sunna" bezeichnet eine Lebensweise oder Verhaltensweise (daher in der islamischen Terminolo­gie seine Verwendung für die Lebensweise des Propheten Muchammed, Allahs Segen und Frieden auf ihm, als Beispiel für seine Nachfolger). Im obigen Aja bezieht sich der Begriff "Sunan" سُنَنٌ auf die "Verhältnisse, die für frühere Zeitalter charakteristisch waren" , in denen trotz aller ständigen Veränderungen ein immer wiederkehrendes Muster erkennbar ist: ein typischer Hinweis, für den Qur`an auf die Möglichkeit und Notwendigkeit, aus den vergangenen Erfahrungen des Menschen zulernen. (Asad)

 

138. Dies231 ist eine klare Darlegung für die Menschen und eine Rechtleitung und Ermahnung für die Mutaqi.

231. Unter den Gelehrten gibt es unterschiedliche Ansichten über die Bedeutung des Pronomens "hada". Nach Qurtubi und anderen Steht es für "Qur`an". Imaan Ra’si ist der Ansicht, dass es sich auf die zuvor erwähnten Gebote und Verbote bezieht, und auf die damit verbundene frohe Botschaft und Warnung. Samsari vertritt die Ansicht harte weise auf die Strafe für diejenigen hin, welche die W8hrheit ablehnen; hier werden die Rechtschaffenen aufgefordert, selbst das furchtbare Urteil über die Kaafir der Vorzeit zu betrachten. (Siddiqi)

Ein Wort der Rechtleitung kann nur ein  Herz erreichen was den Imaan verinnerlichen will.. Und eine ernste Ermahnung nur ein mutaqi Herz, das sich davon bewegen lässt. (Qutb)

 

139.Und werdet nicht zaghaft und seid nicht traurig232 Ihr werdet gewiss die Oberhand gewinnen, wenn ihr den Imaan verinnerlicht habt.

232. Dies bezieht sich auf die Beinahe Niederlage bei Uhud und den schweren Verlust an Menschenleben (ungefähr siebzig Mann) den die Muslime erlitten hatten. (Asad)

Man sollte nicht verzweifeln, wenn man den Schaden sieht, der einem auf Grund eigener Verfehlungen zugefügt wurde.(Siddiqi)

Den Muslimen war in der Schlacht von Uhud viel Leid zugefügt worden. Sie waren verwundet, getötet und besiegt worden. Eine starke seelische Erschütterung durch den Rückschlag, den sie nach dem wundervollen Sieg von Badr nicht erwartet hatten, war das Ergebnis dieses Kampfes. Der Qur´an zeigt auf, welche Weise Allah stets gegen die ungehorsamen Völker vorgegangen ist, und die Weisheit, die hinter diesen Gesetzen steht. Die Vergangenheit soll die Muslime lehren, welchen Weg sie in Zukunft zu gehen haben. Sie dürfen nicht meinen, nur weil sie Muslime wären, würden sie den Sieg erlangen, ohne sich an die Bedingungen zur Erlangung des Sieges zu halten. Das erste Gebot, nämlich Gehorsam gegenüber Allah und Seinem Gesandten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, hatten einige von ihnen in Uhud nicht befolgt. Deshalb ließ Allah sie diesmal die Bitterkeit der Niederlage spüren, damit sie die wahren Gründe von Sieg und Niederlage erkennen lernten: die Nähe zu Allah zu suchen, Ihm zu gehorchen und auf Ihm zu vertrauen. (Qutb)

 

140. Wenn euch eine Wunde zugefügt worden ist,233 so ist dem Volk (eurer Gegner)

bereits eine gleiche Wunde zugefügt­ worden. Und solche Tage (unterschiedlichen Schicksals), lassen Wir unter den Menschen wechseln,234 damit Allah diejenigen erkenne, die den Imaan verinnerlicht haben und um aus euren Reihen Märtyrer auszuersehen.235 Und Allah liebt nicht die, die Unrecht tun.

233. Diese a11gemeinen Erwägungen beziehen sich speziell auch auf Uhud.

 1). Im Kampf für die Wahrheit, wenn du verletzt wirst, sei sicher, dass der Gegner auch Verletzungen erlitten hat, und zwar um so mehr, als er keinen Imaan hat, der ihn auf­rechterhält.

 2). Erfolg und Misserfolg in dieser Welt hat jeder zu verschiedenen Zeiten; wir sollten darüber nicht grollen, denn wir können nicht den gesamten Plan Allahs überblicken.

3). So wie Gold im Feuer geläutert wird, so zeigt sich der wahre Mut eines Menschen im Unglück.

4). Das Märtyrertum ist eine Ehre und ein Privileg in sich selbst: welch hervorra­gende Stellung hat Hamsa, der Märtyrer, in der islamischen Geschichte, und in späteren Zeiten Hassan und Hussein!

5). Wenn es in uns Schlacken gibt, werden diese durch Widerstand und Kampf herausgelöst.

6). Wenn dem Bösen etwas Spielraum gegeben wird, arbeitet es auf seine eigene Vernichtung hin: die Orgien der Grausamkeit der Götzendiener nach dem, was sie für ihren Sieg bei Uhud hielten, machte ihr Maß an Schlechtigkeit voll; sie verloren daraufhin die Unterstützung der Besten aus ihren Reihen und beschleunigten damit die Vernichtung des Kufrs in Arabien. (Juusuf 'Allii)

234. Hier erklärt Allah den Grund, warum auch Mu´mins von Unheil getroffen werden. So wie beim Dreschen die Spreu vom Weizen getrennt wird, so werden durch Schicksalsschläge die aufrichtigen Mu´mins von den Heuchlern getrennt. Die Mu`mins zeigen im Unglück Geduld und Standhaftigkeit, aber die Heuchler brechen zusammen, und die Leere ihres Scheinbekenntnisses kommt ans Tageslicht. (Siddiqi)

Oft kennt der Mensch sich selbst nicht genau. Seine Schwächen und Stärken bleiben ihm verborgen. Die Ablagerungen, die sich in seiner Seele festgesetzt haben, bedürfen eines besonderen Anlasses, um in Erscheinung zu treten. Mit der Prüfung, der Allah den Mu`mins durch den Wechsel von Glück und Unglück unterzieht, will Er, dass sie ihr Innerstes durch die Reibung der Ereignisse besser kennen lernen. (Qutb)

235. Das heißt: "Sein Entschlu§, einige von euch als Märtyrer fallen zu lassen, ist nicht etwa auf Liebe zu den sündhaften Feinden zurückzuführen, die euch bekämpfen, sondern auf Seine Liebe zu euch." Der Begriff bedeutet nicht nur "Märtyrer", sondern auch "Zeugen". (Asad)

Allah will damit der ganzen Menschheit zeigen, wie die Aufrichtigen unter euch bereit sind, ihr Leben für Allahs Sache zu geben, und sie so vor der ganzen Menschheit auszeichnen. (Siddiqi)

 

141. Und damit Allah die Mu´mins prüfe und läutere,236 und die Kaafir vernichte.

236. Diese Prüfung oder Läuterung hat zwei Aspekte:

1) Die Reihen der muslimischen Kämpfer werden von Heuchlern gerei­nigt.

2) Die Prüfungszeit stärkt den Imaan der Schwachen und Wankelmütigen; denn Leiden hat seinen eigenen Sinn im Leben.

Das Beispiel des Gesandten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, -verwundet, aber fester als je -gab der Gemeinschaft neues Leben. (Juusuf 'Allii)

 

142. Meint ihr etwa, dass ihr den Paradiesgarten betreten werdet, bevor Allah diejenigen unter euch, die sich mit aller Kraft (für Seine Sache) einsetzen, und die Geduldigen237 kennt?

237. Siehe auch 1:214 (Anm. d. Übers.)

Es reicht nicht, dass die Muslime auf dem Schlachtfeld kämpfen; sie werden hier auch dazu aufgerufen, Standhaftigkeit in Bezug auf die vielfältigen Pflichten des Islams zu zeigen: Geduld und Standfestigkeit im Imaan, Festhalten an seinen Erfordernissen in Bewusstsein und Verhalten und Geduld gegenüber menschlichen Schwächen bei sich und bei anderen. (Qutb)

Allahs "Nichtwissen" impliziert, dass die Sache oder das Geschehnis noch nicht aus seinem Zustand der Nichtexistenz herausgetreten ist. (Asad)

 

143. Und gewiss habt ihr euch bereits den Tod238 gewünscht, bevor ihr ihm begegnet seid. Nun habt ihr ihn schon deutlich vor Augen gesehen.

238. Tod steht hier für Kampf. Der Prophet -Friede und Gottes Segen sei mit ihm -befürwortete nicht, dem Feind außerhalb von Medina entgegenzutreten, aber einige seiner Gefährten, die nicht an der Schlacht von Badr teilgenommen hatten, waren dafür und drängten ihn zu einer offenen Schlacht. Allah fordert sie auf, jetzt selbst das Ergebnis ihrer Forderung und ihres Übereifers zu sehen. Mit diesem Aja werden sie daran erinnert, dass ihre Kraft und ihr Erfolg nicht von ihrem Willen zur Selbstaufopferung abhängt, sondern von der Stärke ihres Imaans an Allah. (Darjabaadi)

 

Abschnitt 15

144. Muchammed ist nichts anderes als ein Gesandter, dem andere Gesandte vorausgegangen sind. Wenn er also sterben oder getötet werden sollte, werdet ihr dann auf euren Fersen kehrt machen? Und wer auf seinen Fersen kehrt macht, wird Allah nicht den geringsten Schaden zuzufügen. Und Allah wird die Dankbaren reichlich belohnen.239

239. Während der Schlacht bei Uhud erhob sich plötzlich der Ruf, der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sei gefallen. Er war in der Tat schwer verletzt worden, aber Talha, Abuu Bakr und 'Allii waren an seiner Seite, und seine eigene beispiellose Tapferkeit bewahr­te die Armee der Muslime vor der Niederlage. Als der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Frieden auf ihm, acht Jahre später eines natürlichen Todes starb, erinnerte Abu Bakr mit diesem Aja die Menschen daran, dass Allah, Dessen Botschaft er überbracht hatte, ewig lebt. In zwei Fällen müssen wir uns diesen Aja gesondert vor Augen halten:

1)    wenn wir uns geneigt fühlen, jemandem, der einer der Wahrhaftigsten, Reinsten und Größten war, mehr als menschliche Ehren zu erweisen, um damit einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass wir den Geist seiner Lehren vergessen, und

2)    wenn wir uns im Auf und Ab der Zeit deprimiert fühlen und vergessen, dass der Ewige Gott über uns wacht und über all Seinen Geschöpfen, sowohl jetzt als auch in der Vergangenheit und in aller Zukunft. (Juusuf 'Allii)

Der Ausdruck "auf den Fersen kehrt machen" bedeutet, je nach den Umständen, entweder tatsächlich Abfall vom Islam Oder absichtlicher Rückzug von Bestrebungen im Wege Allahs. (Asad)

Wer kehrt macht ist derjenige, der Schaden erleidet. Er schadet sich selber indem er vom rechten Weg abweicht. Seine Umkehr kann Allah auf keinen Fall schaden, denn Er braucht weder den Menschen noch seine Bezeugung zum Islam. Er hat ihm den geraden Weg zur Glückseligkeit gezeigt. Wer diesen Weg verfehlt, wird die Auswirkungen in Form von Leid und Verirrung zu spüren bekommen. (Qutb)

 

145. Und keine Seele kann sterben außer mit Allahs Erlaubnis das ist ein festgelegter Beschluss. Und wer sich Belohnung in dieser Welt wünscht, dem geben Wir sie.240 Und wer sich Belohnung im Jenseits wünscht, dem geben Wir sie. Und Wir werden die Dankbaren reichlich belohnen.

240. Hierin liegt eine leichte Ironie. Bezogen auf die Bogenschützen von Uhud, die der Beute wegen ihren Posten verließen, so haben diese vielleicht etwas Beute bekommen, dafür aber sich selbst und die ganze Armee gefährdet. Für ein bisschen irdischen Gewinn bitten sie fast ihr Leben verloren. Wer jedoch weiter blickte und mit Ausdauer und Disziplin kämpfte, dessen Lohn kam schnell und sicher. Wer starb, gewann die Krone des Märtyrertums, und wer lebte, war in diesem wie im kommenden Leben geehrt. (Juusuf 'Allii)

Jede Seele hat ein zeitlich begrenztes und bestimmtes Leben. Sie stirbt nicht, bevor sie diesen Zeitpunkt erreicht hat, Angst und Zagen vermögen das Leben nicht zu verlängern und ebenso können Tapferkeit, Mut und Standhaftigkeit das Leben nicht verkürzen. (Qutb)

Dies soll die Muslime lehren, das Flucht aus Todesfurcht sinnlos ist. Worum wir deshalb Sorge tragen sollten, ist nicht, wie wir dem Tod entkommen können, sondern wie wir am besten die Zeit ausnutzen, die uns in dieser Welt gegeben ist. Die entscheidende Frage lautet: soll sie für dieses irdische Leben oder für das kommende Leben genutzt werden? (Mauduudi)

 

146. Kein Prophet der nicht gekämpft hätte (für Allahs Sache) und mit ihm zahlreiche mutaqi Menschen.241 Und sie verloren nicht den Mut ob dessen, was ihnen auf dem Weg Allahs zustieß und zeigten keine Schwäche und gaben nicht nach.242 Und Allah liebt die Geduldigen.

241. Das hier angeführte Beispiel gilt ganz allgemein. Es ist weder ein bestimmter Prophet, noch ein bestimmtes Volk damit gemeint. Es soll den Muslimen das Verhalten anderer Mu`mins vor ihnen nahe bringen und ihnen zeigen, dass harte Prüfungen in allen Religionen die Regel waren. (Qutb)

Gewöhnlich wird das Wort "Ribbiyy" mit "Allah ergebenden Menschen" übersetzt, aber nach Imaam Qurtubi ist "Ribbiyya" verwandt mit "Ribbach" und bedeutet eine Schar oder eine große Gruppe. (Siddiqi)

242. Sie sollten sich nicht vor dem Feind demütigen oder der Falschheit nachgeben. Obwohl die drei Begriffe “Du'f“, “Wahan“ und “Istikanat“ fast synonym sind, gibt es darin einen feinen Unterschied. Aus Todesfurcht und Liebe zum diesseitigen Leben entstandene Feigheit ist Wahan, während die Art, wie sie Mut und Handlungswillen zersetzt, Du'f heißt. Und die Tendenz, wegen Du'f der Falschheit nachzugeben, ist Istikanat. (Siddiqi)

 

147. Und ihre Rede war nicht anders, als dass sie sagten: "Unser Herr, vergib uns unsere Schuld und dass wir in unseren Angelegenheiten maßlos waren. Und festige unsere Schritte und hilf uns gegen das Volk der Kaafir.“234

243. Diese Worte spiegeln die Demut der Gefährten des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, wider. Sie hatten einen Fehltritt begangen, indem sie nicht auf ihrem Posten blieben, wo der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sie mit der ausdrücklichen Anweisung aufgestellt hatte, ihn unter keinen Umständen zu verlassen. Sie hatten ihn verlassen, als es ihnen schien, die Muslime hätten einen klaren Sieg errungen, und sie brauchten nicht länger dort zu bleiben. Ihr Fehler richtete bei den Muslimen großen Schaden an. Als ihnen diese Schwäche deutlich gemacht wurde, gaben sie ihren Fehler zu, bereuten, was sie getan hatten und baten Allah um Vergebung für ihr Vergehen, um Festigkeit im Kampf gegen das Böse und um Sieg über ihren Feind. (Siddiqi)

 

148. Und Allah gab ihnen Belohnung in dieser Welt und eine noch schönere244 Belohnung im Jenseits. Und Allah liebt die, die Gutes tun.

244. Das Wort "husn" حُسْن soll betonen, wie weitaus wertvoller der Lohn ist, den Allah für diejenigen bereithält, die sich mit Eifer für Seine Sache einsetzten verglichen mit dem Lohn in dieser Welt. (Siddiqi)

 

Abschnitt 16

149. O die ihr den Imaan verinnerlicht habt! Wenn ihr denen gehorcht, die Kaafir sind, dann werden sie euch wieder zu Kaafir machen (und euch dazu bringen) dass ihr auf euren Fersen kehrt macht und dann werdet ihr als Verlierer zurückkehren.245

245. Die Niederlage von "Uhud" gab den Leugnern, den Heuchlern und den Juden in Medina Raum für Intrigen. Die lauernden Feinde bekamen Gelegenheit ihre Hassgefühle offen zu zeigen und ihr Gift zu verspritzen. Sie fanden in dem Unglück, das jede  muslimische Familie heimsuchte, insbesondere die Familien der Märtyrer und schwer Verwundeten, ein günstiges Klima zur Verbreitung ihrer Verschwörungen und um Unruhe zwischen den Muslimen auszusäen. Sie nutzten die Situation aus, um die Entschlossenheit der Muslime zu untergraben und um ihnen Angst vor Unternehmungen mit dem Prophe­ten und dem Kampf und den Folgen der Auseinandersetzungen mit den Quraisch und ihren Verbündeten einzuflößen. Die Stimmung nach einer Niederlage ist immer sehr günstig, um Gefühle der Beunruhigung, Beeinträchtigung der Solidarität, Misstrauen gegenüber der Führung und ähnliches zu schüren. Deswegen warnt Gott gerade hier davor, den Kaafir zu folgen. (Qutb)

Hauptargument der Propaganda gegen den Islam in Medina war, die Niederlage wäre nicht möglich gewesen, wenn Muchammed -Friede sei mit ihm -wirklich ein Gesandter Allahs wäre. Er habe in Badr gesiegt, die Mekkaner in Uhud, und somit ständen beide Parteien gleich. Die Muslime werden hier gewarnt, nicht auf solche Propaganda zu hören, sondern auf Allah zu vertrauen und am Weg des Propheten-Friede sei mit ihm- festzuhalten. (Siddiqi)

 

150. Doch nein! Allah ist euer Beschützer und Er ist der beste der Helfer!246

246. Einige der wankelmütigen Muslime spielten angesichts ihrer Lage mit dem Gedanken, Abu Sufjaan um Amnestie zu ersu­chen. Diese werden hier ermahnt, dass Allah der beste Beschützer und Helfer ist. (Siddiqi)

Dies ist die Seite, auf der die Mu’mins Freundschaft, Schutz und Hilfe finden. Wer Allah zum Freund und Beschützer hat, was braucht der Freundschaft und Schutz Seiner Geschöpfe? Und wer Allahs Hilfe erhält, was braucht der die Hilfe eines Menschen? (Qutb)

 

151. Wir werden mit Bestimmtheit in die Herzen jener, die Kaafir sind, Schrecken tragen, weil sie Allah andere Gottheiten an die Seite gestellt haben, wofür von Ihm keine Ermächtigung herabgesandt worden ist. Das Feuer wird ihr Aufenthaltsort sein. Was für eine schlimme Zufluchtstätte für die, die unrecht tun!247

247. Ein bemerkenswertes Beispiel von furchtsamer Mentalität zeigt das Verhalten der Mekkaner nach ihrem anscheinenden Sieg bei Uhud. Hier wäre es das Selbstverständlichste für sie gewesen, nach Medina einzumarschieren. Stattdessen zogen sie sich eiligst nach Mekka zurück, ohne ihren "Erfolg" auszunutzen. Tatsächlich waren es die Muslime, die sie bis nach Hamra-ul-Asad verfolgten und einen von ihnen gefangen nahmen. Die "siegreiche" Armee auf dem Rückzug und die "geschlagenen und verwundeten" Muslime als Verfolger müssen wirklich ein merkwürdiges Bild abgegeben haben! "Die Quraisch wurden von Panik ergriffen, als sie die ernsten und entschlossenen Gesichter der Muslime sahen. Denn für die Auswanderer und ihre Brüder war dieser Kampf kein ritterlicher Sport oder festlicher Zeitvertreib, um nationalen Ruhm zu erlangen. Ihnen war es todernst. Schon in dieser Schlacht gewinnen wir einen Eindruck von der Geisteshaltung der jungen muslimischen Gemeinschaft" (Andrew). (Darjabaadi)

Das Versprechen Allahs, Schrecken in die Herzen der Kaafir zu tragen, ist eine Garantie für die Beendigung des Kampfes und zwar mit einem Sieg für die Muslime und Niederlage für die Kaafir. Dieses Versprechen ist gültig für jeden Kampf, in dem Muslime auf Kaafir treffen. Die Kaafir fürchten sich vor den Muslimen und der Schrecken, der von Allah in ihre Herzen getragen wird, macht sich darin breit -vorausgesetzt, dass Imaan die Herzen der Muslime erfüllt und echtes Gefühl und die Gewissheit, dass Allah ihr alleiniger Beschützer ist.(Qutb)

 

152. Allah hat wahrlich bereits Sein Versprechen euch gegenüber eingehalten, als ihr sie mit Seiner Ermächtigung fast geschlagen hattet,248 bis ihr aufzugeben begannt249 und dem Befehl zuwiderhandeltet und euch widersetztet, nachdem Er euch zeigte, was euch lieb ist. Unter euch sind einige, die sich das Diesseits wünschen und unter euch sind einige, die sich das Jenseits wünschen. Dann ließ Er euch vor ihnen fliehen,250 um euch zu prüfen. Doch nun hat Er euch schon vergeben. Und Allah ist von der Huld für die Mu’mins.251

248. Dies bezieht sich auf das Anfangsstadium der Schlacht von Uhud, als die Muslime die Oberhand hatten, die Mekkaner sich zurückzuziehen begannen und der Sieg der Muslime abzusehen war. (Siddiqi)

249. Dies bezieht sich auf die Bogenschützen, die vom Propheten -Friede sei mit ihm -den Befehl erhalten hatten, die Pässe im Gebirge die strate­gisch wichtigsten Punkte zu bewachen, dann aber ihren Posten verließen. Zu diesem Zeitpunkt gab es unter ihnen eine Diskussion. 'Abdullah ibn Dschubair, der Anführer und zehn weitere Bogenschützen, bestanden darauf, keinen Zentimeter von ihrer Stellung abzuweichen, bis der Prophet -Friede sei mit ihm -es ihnen befehlen werde. Die vierzig Bogenschüt­zen, die ihren Posten verließen, taten dies unter dem Eindruck, die Muslime hätten gesiegt, und es wäre nicht mehr nötig, dort zu bleiben. (Siddiqi)

Vgl. auch 3: 121. (Juusuf 'Allii)

250. Das heißt: "Dass ihr euren Posten verlassen habt, hätte zu eurem völligen Untergang führen können, wenn Allah euch nicht verziehen hätte. Nur Allahs Gnade hat euch von schweren Folgen bewahrt, und die Quraisch zogen sich trotz ihres Sieges ohne offensichtlichen Grund aus eigenem Antrieb zurück". (Mauduudi)

251. Als Allah unter euch einige fand, die nach den Vorteilen des irdischen Lebens strebten, hielt Er zeitweilig Seine Hilfe zu­rück und veranlasste vorübergehend euren Rückzug vor den Kaafir. Diese Worte zeigen, dass diese vorübergehende Niederlage nicht als Ausdruck für den Zorn Allahs, sondern als Prüfung für die Festigkeit ihres Imaans zu verstehen ist. Der Vers beweist deutlich, dass Allah ihren Fehltritt bereitwillig verzieh und ihnen half und sie vor der endgültigen Niederlage rettete. (Siddiqi)

 

153. (Damals, gedenket der Zeit) als ihr das Weite suchtet und euch nach niemandem umblicktet und der Gesandte hinter euch herrief252 Da ließ Allah Kummer über Kummer über euch kommen,253 damit ihr weder traurig wäret über das, was euch entgangen, noch über das, was euch zugestoßen war.254 Und Allah ist wohl vertraut mit dem, was ihr tut.

252. Wahrscheinlich kam eine Reitertruppe unter der Leitung von Halid ibn Al-Walid durch die Lücke in den Pässen geritten, wo die muslimischen Bogenschützen hätten sein sollen, und in der Konfusion, die dadurch entstand, kehrte der Gegner um und wandte sich gegen die Muslime. Nun zogen sich die Muslime ihrerseits aus der Talsenke des Baches zurück und versuchten, ins Gebirge zu gelangen. Sie hatten einen doppelten Verlust erlitten:

1)    Sie verloren die Beute, der sie nachge­jagt waren, und

2) ihr eigenes Leben und die Existenz ihres Heeres war in Gefahr, abgesehen von den Gefährten, die bereits gefallen waren.

Da ihr eigenes Leben in Gefahr war, hatten sie wohl kaum Zeit, über die ihnen entgangene Beute oder das allgemeine Unglück zu lamentieren. Aber dies festigte sie, und einige von ihnen bestanden ihre Prüfung. (Juusuf 'Allii)

253. Eine Bedeutung ist die, dass Allah euch Kummer gab für den Kummer, den ihr dem Propheten -Gottes Segen und Friede sei mit ihm mit eurem Verhalten bereitet habt. Es kann außerdem bedeuten: Trauer über Trauer um die im Kampf erlitte­nen Rückschläge, die Nachricht vom angeblichen Tod des Propheten -Friede sei mit ihm -, den Verlust der Gefährten, das Elend der Verwundeten, das Gefühl der Unsicherheit und die Ängste, die das Bewusstsein heimsuchten. (Siddiqi)

254. Die Erkenntnis der Schändlichkeit ihres Verhaltens bei Uhud sollte letztendlich schmerzhafter für sie sein als der verloren­gegangene Sieg und der Tod so vieler ihrer Gefährten: dies ist auch die Bedeutung der "Prüfung", die im vorigen Aja erwähnt wurde. (Asad)

 

154. Dann ließ Er nach dem Kummer Frieden bei euch einkehren, einen Schlummer,255 der einen Tell von euch überkam, während ein (anderer) Tell zutiefst beunruhigt war,256 denn sie machten sich ungerechtfertigte und unsinnige Gedanken über Allah.257 Sie sagten: "Haben wir hier irgendetwas zu befehlen?,,258 Sprich: "Dies ist wahrlich ganz und gar Allahs Sache." Sie verbargen in ihren Seelen, was sie dir nicht offenbarten. Sie sag­ten: "Wenn wir hier etwas zu befehlen hätten, wären wir hier nicht getötet worden." Sprich: "Selbst wenn ihr in euren Häusern gewesen wärt, wären jene, für die es bestimmt war, getö­tet zu werden, ausgezogen zu ihren letzten Ruhe­stätten. Dies damit Allah prüfe, was in eurer Brust ist und läutere, was in euren Herzen ist.259 Und Allah kennt die Geheimnisse der Herzen.260

255. Nach der ersten Überraschung darüber, dass der Feind sich gegen sie wandte, taten die Muslime größtenteils ihr Bestes, und der Feind zog sich in sein Lager zurück, als er ihren Mut sah. Die Lage beruhigte sich, die Verwundeten konnten ausruhen, und alle, die im harten Kampf gestanden hatten, fanden erquickenden Schlaf. Ganz anders war die Situation der Heuchler, von deren Verhalten in der nächsten Anmerkung die Rede ist. (Juusuf 'Allii)

Nach einigen Kommentatoren besonders Radschib -ist der Begriff "Nu'as" (wörtl. dem Schlaf vorangehende Schläfrigkeit) hier metaphorisch benutzt und bedeutet "innere Ruhe". (Asad)

Wenn Schlummer angestrengte und verängstigte Menschen überkommt, und sei es nur für wenige Augenblicke, wirkt er wie ein Wunder und verwandelt sie in völlig neue Geschöpfe. Frieden und Ruhe kehren in ihren Herzen ein auf eine unbe­kannte Art und Weise. Ich sage das, nachdem ich es in einer Zeit von Not und Schmerz selbst erlebt habe. Ich spürte Allahs Großmut in einer Form, die, die menschliche Sprache nicht beschreiben kann. (Qutb)

256. Die Heuchler hatten sich vom Kampf zurückgezogen. Wahrscheinlich waren sie unter denen gewesen, die geraten hatten, Medina von innerhalb ihrer Mauem zu verteidigen, statt kühn herauszukommen und sich dem Feind zu stellen. Ihre Ver­zweiflung war von ihrem eigenen Gemütszustand verursacht, und sie murrten ständig darüber, was hätte sein können. Das tun nur Dummköpfe; der Weise stellt sich den Gegebenheiten. (Juusuf 'Allii)

257. Dschahilija (Unwissenheit) ist ein bekanntes Synonym für das arabische dunkle Zeitalter oder das vorislamische Arabien, aber ein hervorragender ägyptischer Gelehrter wie von Dr. Saki ’Allii zitiert hat  nachgewiesen, dass statt dieser Bedeutung das Wort eher "Arroganz, Großtuerei und Streitsucht bezeichnet, die in vorislamischer Zeit unter den Arabern vorherrschten. Im Gegensatz zu Bescheidenheit, frommer Ergebenheit, die zum Frieden führt, und dem Vorzug guter Hand­lungen vor edler Abstammung allen diesen hervorragenden Eigenschaften des Islam". (Darjabaadi)

258. Allah lehrt den Muslimen unter anderem, dass sie keine Macht über sich selbst besitzen, sondern dass sie ganz allein Allah gehören. Wenn sie sich um Allahs Willen zum Kampf begeben, so kämpfen sie für Ihn. In Zufriedenheit und Ergebenheit fügen sie sich in Allahs Bestimmungen ein, welche Folgen das auch für sie haben mag. Diejenigen aber, die an nichts anderes denken als die eigene Person, deren Imaan hat nicht seine Vollkommenheit erlangt. Von diesen Menschen ist hier die Rede. Sie sind besorgt und fühlen sich verloren in einer Sache, die für sie unklar erscheint. Sie meinen, dass sie, obwohl sie es eigentlich nicht wollten, in den Kampf hineingezogen worden seien. Sie wurden wie die anderen auch, einer harten Prüfung unterzogen und mussten ihren Preis zahlen. Da sie Allah in Seiner ganzen Wahrheit nicht kennen, denken sie falsch, wie Unwissende über Ihn.

Ihr Spruch hier beinhaltet einen Protest gegen den Führungskurs und den Kampf. Sie bitten zwar mit anderen dafür plädiert, nicht aus Medina auszurücken, waren aber bei der Truppe geblieben, als Abdullah ibn Ubay mit 300 seiner Anhänger noch vor Beginn des Kampfes nach Medina zurückkehrte. Ihre Herzen aber waren nicht zur Ruhe und Zufriedenheit der Mu’mins gelangt. (Qutb)

Die Heuchler waren nicht bereit, moralische Verantwortung für die Geschehnisse in Uhud zu übernehmen und gaben vor, keinen Anteil bei der Planung des Kampfes gehabt zu haben. Einige Gelehrte vertreten die Ansicht, dass sie der Verantwortung mit der Entschuldigung aus dem Weg gehen wollten, ihr Versagen, die Forderungen des Allahs zu erfüllen, sei prädestiniert gewesen. Auf diese Weise schoben sie ihre Verantwortung auf das Schicksal. (Siddiqi)

259. Diese Prüfungen geschehen, um uns zu helfen, unseren Willen zu formen und uns von falschen Motivationen zu reinigen, die sich im Unglück zeigen. Wenn es sich um einen verhärteten Sünder handelt, bringt die Prüfung die Bestätigung aus seinem eigenen Selbst. (vgl. auch 3: 14). (Juusuf .Allii)

Hier werden die positiven Ergebnisse der Schlacht von Uhud erwähnt: einmal das, dass die wahren Muslime gegenüber den Heuchlern herausgestellt wurden. Dies war notwendig, denn die Heuchler waren eine ständige Bedrohung in der mus­limische Gemeinschaft. Außerdem reinigten diese Leiden die Herzen der Muslime von allen darin befindlichen Schlacken, so dass sie rein wie Gold daraus hervorgingen und es deutlich wurde, dass Unglück den Mut des Menschen beweist und seine Aufrichtigkeit prüft. (Siddiqi)

260.  Die unsichtbaren Geheimnisse der Herzen, die daran haften und die sich darin verbergen und die nie offenkundig werden oder ans Licht kommen. Allah weiß um diese Geheimnisse. Er will sie den Menschen enthüllen, insbe­sondere ihren Besitzern, die sie selbst nicht kennen, bis die Ereignisse sie entblößen und zum Vorschein bringen. (Qutb)

Dieser Aja illustriert eine wichtige Lehre Allahs, die folgendermaßen zusammengefasst werden kann: "satanischer Einfluss" ist nicht die eigentliche Ursache für die Sünde des Menschen, sondern deren erste Folgeerscheinung, d.h. die Folgeerscheinung der Geisteshaltung eines Menschen, die in Augenblicken der moralischen Krise ihn veranlasst, die leichtere und scheinbar angenehmere der ihm möglichen Alternativen zu wählen und sich damit durch Tat oder Unterlassung einer Sünde schuldig zu machen. Sünde ist also bedingt durch das Vorhandensein einer Geisteshaltung in dem betreffenden Individuum, die ihm die Neigung zu einer solchen Sünde gibt: dieses setzt wiederum den freien Willen des Menschen voraus d.h. die Fähigkeit, in einem gewissen Rahmen bewusst zwischen zwei oder mehr möglichen Handlungsalternati­ven auszuwählen. (Asad)

 

155. Wahrlich, jene von euch, die sich abwandten am Tag, als die bei den Heere aufeinander trafen, es war in der Tat Schaytaan, der sie straucheln ließ um dessentwillen, was sie sich hatten zuschulden kommen lassen.261 Und Allah hat ihnen schon vergeben.262 Wahrlich, Allah ist verzeihend, nach­sichtig.

261. Dies könnte ein Hinweis auf die Bogenschützen sein, die sich innerlich mit dem Wunsch nach Beute so sehr beschäftigten und befürchteten, dass der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihn, ihnen ihren Anteil streitig machen wollte. Das war es, was sie sich hatten zuschulden kommen lassen. Es war der Satan, der sie zum Straucheln brachte. Gleichzeitig ist dies aber auch als eine allgemeine Beschreibung der menschlichen Seele anzusehen, die eine Sünde begeht. Sie verliert das Vertrauen in ihre eigene Stärke und ihre Bindung zu Allah schwächt sich ab. Ihr Gleichgewicht wird gestört und sie ist Versuchungen und schlechten Ge­danken ausgesetzt. Alsdann findet der Teufel den Weg zu ihr und führt sie von Fehler zu Fehler. (Qutb)

262. Es war die Pflicht aller Kampffähigen, für die heilige Sache in Uhud zu kämpfen. Einige wenige waren furchtsam: sie waren nicht so schlecht wie diejenigen, die sich gegen Allah stellten oder gedankenlos die Befehle nicht befolgten; Dennoch kamen sie ihrer Pflicht nicht ganz nach. Diesen Furchtsamen vergab Allah. Vielleicht gab es für sie eine neue Chance; vielleicht würden sie dann aufstehen und ihre Pflicht tun. (Juusuf 'Allii)

 

Abschnitt 17

156. O die ihr den Imaan verinnerlicht habt! Seid nicht wie die, die Kaafir sind und von ihren Brüdern, die auf Erden herumreisen oder in den Krieg ziehen, sagen: "Wenn sie bei uns geblieben wären, wären sie nicht gestorben und nicht getötet worden", damit Allah dies zu einer Ursache für gramvolle Reue in ihren Herzen mache. Doch es ist Allah, Der zum Leben erweckt und sterben läßt.263 Und Allah sieht wohl, was ihr tut.

263. In Allahs Hand liegt es, Leben zu geben und auch wieder zurückzunehmen, und zwar zu seinem festgesetzten Zeitpunkt, gleichgültig, ob sich die Menschen in ihren Häusern und bei ihren Familien oder am Ort des Kampfes für den Lebensunter­halt oder für den Islam befinden. Und bei Ihm liegt die Vergeltung und die Belohnung. (Qutb)

Mangel an Imaan verursacht dem Menschen Angst

1)vor dem Sterben,

2) ihre Pflicht zu erfüllen,

wenn damit Gefahr verbunden ist, wie etwa reisen, um auf ehrliche Weise den Lebensunterhalt zu verdienen, oder für eine heilige Sache zu kämpfen. Solche Angst ist ein Teil der Strafe für mangelnden Imaan. Wenn du den Imaan verinnerlicht hast, ist keine Angst mit dem Sterben verbunden, denn es bringt dich näher zu deinem Ziel; auch Angst vor Gefahren in Verbindung mit einem triftigen Grund ist nicht notwendig, denn du weißt, dass die Schlüssel für Leben und Tod in Allahs Hand liegen. Nichts kann geschehen ohne Allahs Willen. Wenn Allah will, dass du stirbst, kann dein Zuhausebleiben dich nicht davor bewahren. Wenn es Sein Wille ist, dass du weiterlebst, bringt dir die Gefahr, der du dich um einer gerechten Sache willen aussetzt, Ruhm ein. Sollte es Sein Wille sein, dass du in dieser Gefahr dein Leben verlierst, kannst du ihr aus drei Gründen getrost entgegensehen: 1) Sterben, während du deine Pflicht tust, ist ein Mittel, Allahs Barmherzigkeit zu erlangen;

2) der Mu’min weiß, dass er nicht in ein fremdes Land geht, von dem er keine Kenntnis hat; er reist näher zu Allah; und

3) vor Allah wird er "zusam­mengeführt", das heißt er trifft alle seine Lieben im Imaan: statt der Trennung, vor der sich Seelen ohne Imaan fürch­ten, freut er sich auf eine beständigere Wiedervereinigung als in diesem Leben möglich. (Juusuf 'Allii)

 

157. Und wenn ihr getötet werdet oder sterbt auf dem Wege Allahs, dann sind Verzeihung von Allah und Barmherzigkeit weitaus besser als alles was sie zusammenhäufen.264

264. Beachte die schöne literarische Nuance: auf den ersten Blick sollte man hier die zweite Person ("was ihr ansammeln könntet") erwarten, passend zu der zweiten Person in der ersten Satzhälfte. Bedenke aber, dass sich die zweite Person in der ersten Satzhälfte auf den Mu’mins bezieht, die dritte Person in der letzten. Zeile dagegen auf die Kaafir, als wenn gesagt werden sollte: "Als Mu’min hortest du natürlich keine Reichtümer: dein Reichtum Pflichtbewusstsein und Allahs Barm­herzigkeit -sind bei weitem wertvoller als alles, was die Kaafir in ihrem egoistischen Leben ansammeln können." (Juusuf 'Allii)

Die ganze Angelegenheit wird weder mit dem Sterben noch mit dem Getötet werden zu Ende gehen, denn dies ist nicht der Schluss des Umherwanderns. Das Leben auf der Erde ist nicht das Beste, was Allah dem Menschen geschenkt hat. Es gibt andere Werte und höhere Ziele in Allahs Waagschale wie zum Beispiel die Erlangung von Allahs Gnade und Barmher­zigkeit, die bei weitem wertvoller sind als das Leben und dessen vorübergehende Freuden, die man darin ansammelt in Form von Geld, Ansehen und Macht.(Qutb)

Wer für Allahs Sache stirbt oder getötet wird, erlangt eine weitaus bessere Belohnung als die materiellen Vorteile des Lebens, die er vielleicht in einer längeren Lebenszeit in der Welt ansammeln könnte. (Siddiqi)

 

158. Und wenn ihr sterbt oder getötet werden, so werdet ihr bestimmt zu Allah zurückkehren.265

265. Absolut deutlich ist die Tatsache, dass jeder zu einer bestimmten Zeit sterben muss. Weder kann der Tod beschleunigt noch um den Bruchteil einer Sekunde hinausgezögert werden, und jeder einzelne muss vor Allah treten und über seine Taten Rechenschaft ablegen. (Siddiqi)

 

159. Und durch Allahs Barmherzigkeit bist du milde mit ihnen gewesen.266 Wenn du schroff und hartherzig gegen sie gewesen wärst, so hätten sie sich von dir abgewandt. So vergib ihnen und bitte für sie um Verzeihung. Und ziehe sie in (allen weltlichen) Angelegenheiten267 zu Rate. Doch wenn du einen festen Entschluss befasst hast, dann vertraue auf Allah.268 Wahrlich, Allah liebt die, die auf Ihn vertrauen.

266. Der außerordentlich sanfte Charakter Muchammeds, Allahs Segen und Friede auf ihn,, machte ihn bei allen beliebt und gilt als eine der Gnaden Allahs. Einer der Beinamen des Propheten, Gottes Segen und Friede, ist "eine Barmherzigkeit für die ganze Schöpfung". Niemals war diese Sanftheit, diese Barm­herzigkeit, diese Geduld mit menschlichen Schwächen wertvoller als nach einem Unglück wie dem bei Uhud. Es ist eine Qualität Allahs, die damals wie immer die Seelen zahlloser Menschen an ihn bindet. (Juusuf 'Allii)

Der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, neigte stets zu Milde. In seinem ganzen Leben hat er nie jemanden geschlagen. Er zog nie als erster seine Hand von jemandem zurück. Er war der sorgsamste Beschützer seiner Schutzbefohlenen, der Freundlichste und Angenehmste im Gespräch; wer ihn sah, war plötzlich von Ehrfurcht erfüllt; wer in seine Nähe kam, liebte ihn ...(Darjabaadi)

267. Durch diesen entscheidenden Satz "Und berate dich mit ihnen in den Angelegenheiten" bestimmt der Qur’an den Grund­satz des Regierens. Der Prophet Mohammed, Allahs Segen und Friede auf ihn, hat auch diese Aufgabe zu verwalten. Es ist ein eindeutiger Wort­laut, der, der islamischen Gesellschaft kein Zweifel daran lässt, dass die Schura ein grundlegendes Prinzip darstellt. Die Form der Schura und die Mittel zu ihrer Verwirklichung sind allerdings Dinge die entsprechend der Situation und den Lebensverhältnissen der jeweilige~ Gesellschaft zu verändern und zu entwickeln sind. Jede Form und jedes Mittel, womit die Schura dem Wesen und nicht etwa nur der äußeren Aufmachung nach verwirklicht werden kann, stimmt mit dem Islam überein. (Qutb)

268. Alle maßgeblichen Gelehrten sind sich darüber einig, dass diese Vorschrift, obwohl sie in erster Linie an den Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihn, gerichtet ist, für alle Muslime in allen Zeiten verbindlich ist. Aus der Formulierung dieser Vorschrift schließen einige muslimische Gelehrte, dass der Führer einer Gemeinschaft, obwohl er verpflichtet ist, Ratschläge anzuhören, trotzdem die Freiheit hat, diese anzunehmen oder abzulehnen; aber die Eigenmächtigkeit dieser Schlussfolgerung wird deutlich, wenn wir berücksichtigen, dass sich selbst der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihn,  an die Beschlüsse seines Rates gebunden betrachtete. Er antwortete außer­dem, als er einem von ’Allii ibn Abu TAlliib Hadis zufolge gebeten wurde, die Implikationen des Wortes “Asm“ ("Entscheidung über einen Handlungsverlauftreffen") im obigen Text zu erklären: "Mit gut informierten Leuten beratschlagen und ihren Rat befolgen", (siehe auch den Kommentar von ibn Ka’sir zu diesem Aja). (Asad)

 

160. Wenn Allah euch beisteht, kann niemand euch überwinden, und wenn Er euch verlässt, wer ist dann da, der euch danach noch helfen könnte269 Und auf Allah sollen die Mu’mins dann vertrauen.

269. Als "Gewohnheit Allahs" bezeichnen wir die (naturgesetzliche) Zuordnung von Ursachen und ihrer Wirkung. Aber die Ursachen sind nicht diejenigen, die, die Wirkung "wollen"; somit bleibt Allah der eigentlich Handelnde, denn Er verbindet die Ursachen mit ihrer Wirkung durch Seine Bestimmung und Seinen Willen. Aus diesem Grunde verlangt Er vom Menschen, dass dieser seine Pflicht erfüllt und sich müht, und in dem Maße, wie er dies tut, bestimmt Allah die Auswirkungen, so dass in Verbindung mit dem Willen Allahs die Konsequenzen entstehen. Der Mensch handelt und strebt, wie es in seinen Kräften steht, und ist mit dem Ergebnis seines Handelns und Strebens von Allahs Willen und Entscheidung abhängig, was nicht notwendig einem Ursache-Wirkungs-Konzept  folgen muss. Was das Problem der Hilfe Allahs bzw. des Allahverlassenseins bei Kampfhandlungen betrifft, so wollen die Muslime, was Allah will und bestimmt, und sind darin abhängig von Allahs Erlaubnis und Hilfe; wenn Allah ihnen hilft, kann niemand sie besiegen, und wenn Allah sie verlässt, dann kann ihnen niemand mehr helfen. (Qutb)

 

161. Es ziemt sich nicht für einen Propheten, (die Beute) zu veruntreuen.270 Und wer etwas veruntreut, der wird das Veruntreute am Tag der Auferstehung (mit sich) bringen271. Dann wird jeder Seele das zurückerstattet, was sie erworben hat und kein Unrecht soll ihnen zugefügt werden.

270. Außer der Sanftheit seines Charakters war der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm,  seit frühester Jugend für seine Ehrlichkeit bekannt. Daher kommt sein Beiname Emin. Skrupellose Menschen interpretieren nicht selten ihre eigenen niedrigen Motive in andere hinein, und ihre verletzend gemeinten Anklagen sind auf die verschiedenen Tugenden gemünzt, für die, die angegriffene Person sehr wohl bekannt ist. Nach Uhud verbreiteten einige Heuchler Zweifel bezüglich der Beuteverteilung, mit der Absicht, den Keim des Misstrauens in die Herzen der Männer zu legen, die aus Beutegier ihre Posten verlassen hatten. Kein vernünftiger Mensch glaubte diesen niedrigen Verdächtigungen, und für uns heute sind sie nicht von Interesse. Aber die allgemeinen Prinzipien, die hier dargelegt werden, sind von bleibendem Wert.

1)Allah ergebende Menschen handeln nicht aus niedrigen Motiven heraus.

2)Wer aus solchen Motiven heraus handelt, gehört geistig zu den niedrigsten Geschöpfen und wird damit nichts gewinnen.

3)An einen gottergebenen Menschen kann nicht der gleiche Maßstab angelegt werden wie an ein gieriges Geschöpf.

4) In den Augen Allahs gibt es Menschen verschiedener Rangstufen, und wir müssen lernen, diese Rangstufen zu verstehen zu schätzen. Wenn wir einer führenden Persönlichkeit vertrauen, sollten wir nicht ohne Grund ihre Ehrlichkeit anzweifeln. Wenn sie aber unehrlich ist, ist sie nicht in der Lage zu führen. (Juusuf 'Allii)

271. Imaam Achmed berichtet eine Hadis des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, wonach er einen Mann schickte, um die Sakach zu sammeln. Dieser kam zurück und sagte: "Das ist für euch, und dies ist mir geschenkt worden." Daraufhin stieg der Prophet­, Allahs Segen und Frieden auf ihm,  auf die Kanzel und sprach: "Was ist das für ein Arbeiter, den wir mit einem Auftrag schicken, und der dann zurückkommt und sagt; das ist für euch und dies ist mir geschenkt worden. Er sollte im Hause seiner Eltern bleiben und schauen, ob ihm was geschenkt wird. Ich schwöre bei Dem, Der Muchammeds Seele in Seiner Hand hat: Wer von euch so etwas tut, wird es am Tage der Auferstehung um seinen Hals tragen, auch wenn es ein schäumendes Kamel oder eine brüllende Kuh oder ein blökendes Schaf wäre." Diese und andere Hadi’se und dieser Aja haben ihre Wirkung bei der Erziehung der islamischen Gemeinschaft gezeigt und Wunder über Wunder vollbracht. Sie brachten eine Gruppe von Men­schen hervor, die Ehrlichkeit und Frömmigkeit verkörperten und sich vor jedweder Veruntreuung zurückhielten, wie es in dieser Art nie eine andere menschliche Gruppe gab. Wenn in die Hände eines gewöhnlichen Mannes aus Masse der Muslime ein wertvolles Beutestück gefallen war, ohne dass ihn jemand dabei gesehen hatte, brachte er es stets zu dem Verantwortlichen aus Angst, dass der gefürchtete Aja auf ihn zuträfe und aus Furcht, den Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, auf die im Hadiis genannte schreckliche Weise zu treffen.(Qutb)

 

162. Und ist der, der dem Wohlgefallen Allahs folgt, gleich dem, der den Unwillen Allahs auf sich lädt und dessen Aufenthaltsort die Hölle ist? Was für ein schlechtes Los!

163. Sie nehmen (unterschiedliche) Rangstufen bei Allah ein272 Und Allah sieht wohl, was sie tun.

272. Entsprechend ihrer Handlungsweise in Übereinstimmung mit oder entgegen Allahs Gesetz, woraufhin Er jeden nach seinem Verdienst belohnt. (Darjabaadi)

 

164.Allah bat den Mu’mins wahrlich große Gnade erwiesen, indem Er ihnen einen Gesandten aus ihrer Mitte273 geschickt bat, der ihnen Seine Zeichen vorträgt und sie läutert und sie das Buch und die Weisheit lehrt,274 während sie sich vorher gewiss in offenkundigem Irrtum befanden.

273. Der besondere Vorzug, dass Allah einen Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, "aus ihrer Mitte" oder "von ihnen selbst" hervorbrachte, kann nur auf einem Überfließen der Gnade Allahs beruhen. Es ist eine Gnade, die durch nichts vergolten werden kann. Denn was ist der Mensch, dass Allah mit solcher Fürsorge seiner gedenkt? Dass Er einen Propheten schickte, der den Menschen Seine Zeichen mitteilt und Seine Worte übermittelt? Die Freigebigkeit Allahs fließt über ohne zu rechnen und überflutet die Schöpfung ohne deren Zutun. Und die Gnade wird dadurch noch vervielfältigt, dass der Gesandte, Allahs Segen und Frieden auf ihm, "von ihnen" ist, denn der Ausdruck im Qur’an "von ihnen selbst" beinhaltet eine tiefergreifende Bedeutung. Die Beziehung der Mu’mins zum Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, ist eine Beziehung von Seele zu Seele, nicht die Beziehung eines Individuums zur Gattung. Es genügt nicht zu sagen, dass er einer von ihnen ist, denn es geht noch weiter. Durch den stärker werdenden Imaan wachsen sie immer mehr in diese Beziehung zum Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, hinein und erlangen eine hohe Würde. (Qutb)

Vergleiche auch 2:151. (Juusuf 'Allii)

274. Ein Prophet ist nach islamischer Vorstellung nicht ein bloßes Medium oder ein unbeteiligter, mechanischer Übermittler der Wahrheiten Allahs, sondern ein Lehrer, Interpret und Modell dieser grundlegenden Wahrheiten. (Darjabaadi)

Dieser Aja hat einen weitreichenden Begriffsinhalt, der in Suura Al-Baqara erklärt wurde, aber in diesem Zusam­menhang soll er die positive Rolle des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, als dem Gesandten Allahs erläutern. Er ist ein Vorbild an Tugend, Ehrlichkeit und Integrität und hervorragend geeignet, den Menschen die Botschaft Allahs in vollkommener Übereinstimmung mit Allahs Gebot zu übermitteln und mit der ihm übertragenen Weisheit Allahs zu erklären und vorzuleben. Darum ist es Allahs größter Gnadenerweis für die Menschheit, dass Er unter den Menschenwesen einen Propheten hervorgebracht hat, der sie aus der Finsternis der Unwissenheit ins Licht des Imaans an Allah geführt hat. (Siddiqi)

 

165. Wenn euch etwa ein Unglück zustößt, obwohl ihr (euren Gegnern) bereits ein doppelt so schlimmes zugefügt hattet,275 dann sagt ihr: "Woher kommt dies?" Sprich: "Dies kommt von euch selbst.276 Wahrlich, Allah bat Macht über alle Dinge.

275. Wenn Uhud für die Muslime ein Rückschlag war, so hatten sie doch bei Badr den Mekkanern einen doppelt so großen Rückschlag zugefügt. Dieser Rückschlag kam nicht ohne Allahs Erlaubnis, denn Er wollte den Imaan der Muslime prüfen und reinigen und ihnen zeigen, dass sie streben und alles in ihren Kräften Stehende tun müssen, um Allahs Hilfe zu verdienen. Da sie den Befehlen nicht gehorcht und die Disziplin vernachlässigt hatten, mussten sie sich das Unheil selbst zuschreiben und nicht Allah. (Juusuf 'Allii)

276. Dieser Aja soll die Verwirrung beseitigen, die durch den Rückschlag bei Uhud im Gemüt der einfachen Muslime entstan­den ist. Obgleich die dem Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, nahe stehenden Gefährten nicht dem Irrtum erlagen, seine bloße Anwesenheit unter ihnen sei eine Erfolgsgarantie, so litten doch die gewöhnlichen Muslime unter diesem Missverständnis. Sie glaubten, die Kaafir könnten sie niemals besiegen, weil der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, unter ihnen weilte und Allahs Hilfe und Beistand mit ihnen sei. Als sie daher entgegen ihren Erwartungen in Uhud einem Rückschlag gegenüberstanden, fingen sie an, Fragen dieser Art zu Stellen: Warum ist dieses Unglück über uns gekommen, wo wir doch für Allahs Sache gekämpft haben, noch dazu von Seiten der Kaafir, die gekommen sind, um den Islam zu vernichten? Dies alles konnten sie vor allem deswegen nicht verstehen, weil Allah ihnen versprochen hatte, ihnen zu helfen und sie zu unterstützen und sich der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, selbst auf dem Schlachtfeld befand. Ihnen wird hier gesagt, dass sie selbst für das Unglück verantwortlich sind: "Es ist das Er­gebnis eurer eigenen Schwächen und Fehler; ihr habt keine Geduld gezeigt; ihr habt Dinge getan, die gegen die Frömmig­keit verstießen; ihr habt den Anordnungen eures Führers nicht gehorcht; ihr seid der Gier zum Opfer gefallen und seid untereinander uneinig gewesen: fragt ihr immer noch: "Woher kam dieses Unglück?" (Mauduudi)

Ihr selbst seid die sich loslösten, versagten und uneinig wurden. Und ihr selbst seid diejenigen, die Bedingungen Allahs und des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm,  nicht erfüllten, sich von Gier und falschen Vorstellungen vereinnahmen ließen und die Befehle des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und den Schlachtplan missachteten. Und wenn die Folgen eintreffen fragt ihr: "Wie kommt das?" Es kommt von euch selbst. Denn Allahs Gesetz wurde auf euch angewandt, als ihr euch selbst in diese Lage brachtet. Dieser (naturgesetzmäßigen) "Gewohnheit Allahs" wird jeder Mensch, ob Muslim oder Götzendiener, ausgesetzt. Und wessen Islam vollkommen ist, dessen Ich ist mit der Notwendigkeit der "Gewohnheit Allahs" einverstanden. (Qutb)

 

166. Und was euch zustieß am Tag, als die beiden Heere aufeinander trafen, das geschah mit Ernächtigung Allahs, und damit Er die Mu’mins erkenne.277

277. Es geschah nichts aus Zufall oder aufs Geratewohl oder zwecklos oder vergeblich. Denn jede Bewegung des Weltsystems ist genauestens berechnet. Ursache und Wirkung sind vorherbestimmt. Sie verwirklichen in ihrer Gesamtheit die dahinter­stehende Weisheit und vervollkommnen den endgültigen "Plan" des gesamten Weltalls. (Qutb)

 

167. Und damit Er die erkenne, die heuchelten. Zu ihnen wurde gesagt: "Kommt, kämpft auf dem Pfad Allahs oder leistet Widerstand." Sie sprachen: „Wenn wir wüssten wie man kämpft,278" dann würden wir euch gewiss folgen. "Sie waren an jenem Tag dem Kufr näher als dem Imaan. Sie sprechen mit ihrem Mund, was nicht in ihren Herzen ist279 Doch Allah weis, was sie verbergen.

278. Durch diese Prüfung sollten die Motive der Heuchler herausgestellt und vor den Muslimen bloßgelegt werden, die sich sonst von ihnen hätten vereinnahmen lassen. In erster Linie rieten sie zur Vorsicht; während es in ihrem Inneren nur Feig­heit gab. In zweiter Linie wollten sie nicht das Wohl der Gemeinschaft, sondern sie wollten sie bloßstellen. Wo sich andere selbst aufopferten, begnügten sie sich mit Bequemlichkeit und schönen Worten. Während sie vorgaben, Muslime zu sein, waren sie in Wirklichkeit näher dem Kufr. Zynisch gaben sie vor, von diesem Kampf nichts zu verstehen, und über­ließen es ihren Brüdern, den Islam und seine Ideale zu verteidigen. Wenn ihnen die Frömmigkeit schon nicht zusagte, dann hätten sie doch wenigstens die Stadt Medina verteidigen können, als sie bedroht war, indem sie als gute Bürger ihr Heim verteidigten. (Juusuf 'Allii)

Oder es kann heißen: "Wenn wir wüssten, dass etwas ,stattfindet, was wert ist, als Kampf bezeichnet zu werden; aber wenn der Gegner euch zahlenmäßig um vier zu eins überlegen und noch obendrein sehr viel besser ausgerüstet ist als ihr, dann ist es Unsinn, sich auf einen so ungleichen Kampf einzulassen." Dieser vorgebliche Entschuldigungsgrund der Abtrünni­gen sollte den eigentlichen Grund ihres Vorsagens übertünchen: den Mangel an Imaan. (Darjabaadi)

279. Der Qur’an weist in diesem Aja auf die Haltung von' Abdullah ibn Ubay hin und denen, die ihm folgten und nennt sie "diejenigen, die heuchelten". Allah stellte sie in diesem Kampf bloß und sonderte sie ab von den Reihen der Muslime. Er stellte ihre wahre Haltung fest: ,;Sie waren an jenem Tag dem Kufr naher als dem Imaan." Ihre Begründung, dass sie kehrtmachen wollten, weil sie nicht wüssten, ob es zu einem Kampf zwischen den Muslims und den Götterdienern kommen würde, ist nicht echt. Das war wahrhaftig nicht der Grund, sondern "sie sagen mit ihrem Mund, was nicht in ihrem Herzen ist". Denn in ihrem Herzen war Heuchelei und nichts anderes. (Qutb)

Imaan an das Prophetentum beinhaltet, dass man ihm und der Heiligkeit seiner Sendung und der Aufrichtigkeit seiner Absicht völlig vertraut. Misstrauen ihm, seiner Lehre und seiner Zielsetzung gegenüber ist gleichbedeutend mit der Ableh­nung des Islams. (Siddiqi)

 

168. (Sie sind) diejenigen, die von ihren (im Kampf gefallenen) Brüdern sagen, während sie selbst sich zurückzogen:­ "Wenn sie uns gehorcht hätten, wären sie nicht getötet worden." Sprich: "Wendet den Tod von euch ab, wenn ihr die Wahrheit sagt!,,280

280. Haltet den Tod von euch selbst fern, wenn ihr mit Recht annehmt, ihr Tod sei einzig und allein die Folge ihrer Teilnahme am Kampf! (Darjabaadi)

Sie begnügten sich nicht damit zurückzubleiben, was doch eine gewisse Erschütterung in den Reihen und in den Seelen der übrigen Muslime verursachte, sondern versuchten nach dem Kampf in den Herzen der Angehörigen der Märtyrer und ihrer Freunde Betrübnis hervorzurufen. Sie sagten: "Wenn sie uns gefolgt wären, wären sie nicht getötet worden"; somit machten sie aus ihrem Zurückbleiben eine Weisheit und einen Vorteil und aus dem Gehorsam gegenüber dem Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und der Befolgung seiner Anordnungen Schaden und Verlust. Mehr noch, sie wollten die klare islamische Vorstellung von Allahs Bestimmung und von der Unabänderlichkeit des Todes in Zweifel ziehen. Dabei kommt sofort die klare und herausfordernde Antwort: "Dann wendet den Tod von euch ab, wenn ihr die Wahrheit sagt." (Qutb)

 

169. Und denkt nicht, dass diejenigen, die auf dem Pfad Allah getötet wurden, gestorben seien. Nein! Lebendig sind sie bei ihrem Herm;281 und werden mit Gnade überhäuft.282

281. In dem Aja wird uns untersagt zu denken, dass diejenigen, die auf Allahs Pfad getötet wurden und sich von dieser Welt trennten, gestorben seien. Es wird ausdrücklich festgestellt, dass sie lebendig sind "bei ihrem Herrn". Obwohl wir in die­ser vergänglichen Welt von der Art des Lebens, die, die Märtyrer genießen, nur das wissen, was uns die glaubwürdigen Hadiise überliefern, genügt allein diese Erklärung des Allwissenden, um unsere Vorstellungen von Leben und Tod zu Indem. Und sie genügt auch, um uns zu lehren, dass die Dinge in Wahrheit nicht das sind, was sie ihrem Äußeren nach scheinen. Wenn wir unser Verständnis von den absoluten Tatsachen auf die äußeren Zeichen aufbauen, werden wir nie zur eigentli­chen Wahrheit gelangen, und es ist besser für uns, sie uns von Demjenigen erläutern zu lassen, der diese Wahrheit besitzt. (Qutb)

282. Dies ist ein schöner Abschnitt über die Märtyrer für die Sache der Wahrheit. Sie sind nicht tot: sie leben -und zwar in einem weit höheren und tieferen Sinne als in dem Leben, das sie verlassen haben. Selbst wer nicht an ein Leben nach dem Tod den Imaan verinnerlicht hat, ehrt die für ihre Sache Gefallenen mit der Krone der Unsterblichkeit im Bewusstsein und Gedächtnis von noch ungeborenen Generationen. Im Islam sehen wir eine noch höhere, wahrere und weniger relative Unsterblichkeit. "Unsterblichkeit" ist in diesem Zusammenhang vielleicht nicht das richtige Wort, da es eine Fortdauer dieses Lebens besagt. Sie dagegen betreten durch das Tor des Todes hindurch das wahre, wirkliche Leben im Gegensatz zu dessen Schatten hier. Unser materielles Leben wird mit materieller Nahrung unterhalten, und seine Freuden und Vergnügungen sind bestenfalls die, die sich auf der Leinwand dieser materiellen Welt abzeichnen. Ihr wahres Leben wird von der unaus­sprechlichen Anwesenheit und Nähe Allahs unterhalten. Siehe auch 2: 154. (Juusuf 'Allii)

 

170. Sie freuen sich über das, was ihnen Allah von Seiner Huld gab und sind zuver­sichtlich (hinsichtlich der Zukunft) der Zurückgelassenen, die ihnen (noch) nicht nachgefolgt sind, denn sie sollen keine Angst haben, noch traurig sein.283

283. Die Märtyrer freuen sich nicht nur über die Seligkeit, die sie selbst erlangt haben. Sie denken an ihre Lieben, die sie zu­rückgelassen haben: es gehört mit zu ihrer Ehre, dass sie ihre Lieben vor Angst, Sorge, Demütigung und Trauer in diesem Leben bewährt haben, bevor sie nachkommen und an der Ehre im jenseitigen Leben teilhaben. Beachte, wie der Refrain: "Sie werden weder Furcht noch Trauer kennen" hier eine neue, angemessene Bedeutung erhüllt: unter anderem ist damit gesagt, dass die Angehörigen nicht den Tod der Märtyrer betrauern müssen; sie haben eher Grund zur Freude. (Juusuf' Allii)

 

171. Sie sind über die Gnade und Huld Allahs erfreut und darüber, dass Allah den Lohn der Mu’mins nicht verloren gehen Iäßt.284

284.Diese Wahrheit können sie jetzt tatsächlich erfahren. (Darjabaadi)

 

Abschnitt 18

172. Jene, die Allah und dem Gesandten Folge leisteten, (selbst) nachdem ihnen Leid zugefügt worden ist,285 denen wird, wenn sie Gutes tun und mutaqi sind, gewaltiger Lohn zuteil.

285. Sie sind diejenigen, die der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, rief, um mit ihnen am Morgen des folgenden Tages nach dem bitteren Kampf noch einmal zum Kampf auszuziehen. Sie waren nicht nur schwer verwundet, sondern dem Tode mühsam entronnen. Sie hatten die Schrecken des Kampfes und der starken Bedrängnis noch nicht vergessen können, und dass sie viele ihr Lieben verloren hatten, wodurch ihre Zahl dezimiert worden war. Aber als der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sie rief, leisteten sie seinem Ruf Folge. Sie folgten seinem Ruf, weil es der Ruf Allahs war, auch nachdem "ihnen Leid zugefügt worden ist." (Qutb)

Nach der Vorwirrung von Uhud versammelten sich die Leute um den Gesandten, Allahs Segen und Frieden auf ihm. Er war verwundet, und sie waren ver­wundet, dennoch waren alle bereit weiterzukämpfen. Abu Sufjaan zog sich mit seinen Mekkanern zurück, jedoch mit der Herausforderung, den Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und sein Heer im nächsten Jahr beim Markt von Badr wiederzutreffen. Die Herausforderung wurde angenommen, und eine bewaffnete Schar von Muslimen hielt dieses Versprechen, aber der Gegner er­schien nicht. Sie kehrten nicht nur unversehrt zurück, sondern gewannen auf dem Markt nicht nur Wohlstand und wurden (wahrscheinlich) auch durch den Zugang neuer Anhänger in ihrer Sache bestärkt. (Juusuf 'Allii)

Die meisten Kommentatoren sind der Ansicht, dass dies eine Anspielung auf die bei Uhud erlittenen Verluste der Muslime ist. Es ist jedoch möglich, dass die Bedeutung viel weiter reicht, um so mehr, als sich dieser Abschnitt direkt an die vorher­gehenden Ajas anschließt, die ganz allgemein von den Märtyrern sprechen, die für Allahs Sache sterben. Die meisten klassischen Kommentatoren haben eine Tendenz, winzige historische Bezüge in viele Abschnitte des Qur’ans hineinzulesen, die Gedanken von viel größerer Tragweite ausdrücken und sich auf die Umstände des. Menschen an sich beziehen. Die Ajas 172 -175 sind ein Beispiel dafür. Einige Kommentatoren sind der Ansicht, diese Ajas bezögen sich auf die ergeb­nislose "Hamra Al- Asad- Expedition" am Tag nach der Schlacht von Uhud, während andere darin eine Anspielung auf die Expedition des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, im folgenden Jahr sehen, die in der Geschichte als das "Kleines Sadr" bekannt ist, wieder andre sind der Ansicht, Aja 172 beziehe sich auf ersteres und die Ajas 173 -175 auf das letztere. Angesichts dieser fehlenden Übereinstimmung durch nicht vorhandene autoritative Belege, weder im Qur’an selbst noch in authenti­schen Überlieferungen, für diese spekulativen Annahmen besteht Grund genug zu der Schlussfolgerung, dass der ganze betreffende Abschnitt sozusagen eine allgemeine moralische Abrundung der historischen Zeugnisse von der Schlacht von Uhud bildet und Lehren daraus zieht. (Asad)

 

173. Diejenigen, zu denen die Leute sagten: "Wahrlich, die Leute haben sich gegen euch zusammengeschart, so fürchtet sie",286 was sie nur noch in ihrem Imaan bestärkte. Und sie sagten: "Allah ist uns genug, und was für ein Sachwalter von Gnadenfülle ist Er!"

286. Es wird berichtet, dass Abuu Sufjaan bei seinem Rückzug von Uhud ausrief: "Muchammed! Wir treffen uns nächstes Jahr beim Markt von Badr, wenn du willst!" woraufhin der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Frieden auf ihm, antwortete: "Wenn Allah will!" Als das nächste Jahr gekommen war, zog Abu Sufjaan mit seinen Mekkanern aus, bis er bei Marra Sahran rastete, wo Allah Angst in sein Herz einflößte, so dass er umkehrte. Auf dem Rückweg kamen ihm einige Reiter von Abd Qais entgegen, die nach Medina unterwegs waren. Er versprach ihnen eine Kamelladung Rosinen, wenn sie die Muslime entmutigten, indem sie unter ih­nen Gerüchte mekkanische Überlegenheit verbreiteten. (Darjabaadi)

 

174. Und sie kehrten überhäuft von Allahs Gnade und Huld zurück,287 ohne dass ihnen Böses zugefügt wurde,288 und sie folgten dem Wohlgefallen Allahs, und Allah ist der Herr gewaltiger Huld.

287. Der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und seine Gefährten trafen bei Badr nicht mit dem Feind zusammen; sie gewannen jedoch die Gnade Allahs und machten gute Gewinne durch den Handel mit einer Gruppe von Kaufleuten, die gerade durch Badr durchzog. (Siddiqi)

 

175. Es ist wahrlich nur Schaytaan, der versucht, euch Furcht vor seinen Anhängern ein­zuflößen, doch ihr solltet sie nicht fürch­ten, sondern fürchtet Mich, wenn ihr mu’min seid.289

288. Ohne von einem Übel berührt worden zu sein: nämlich moralischem Übel, das aus Imaanschwäche und Verlust des Mutes entsteht: eine Anspielung auf das, was so vielen Muslimen bei Uhud geschehen war. (Asad)

289. Das heißt, vor denjenigen, die "sich mit Satan verbünden", indem sie Böses tun. (Asad)

Der Satan bläht die Angelegenheiten seiner Freunde auf und verkleidet sie mit Macht bzw. suggeriert ihnen Machtbewusstsein ein sowie die Vorstellung, sie verfügten über Macht und Stärke, die sie in die Lage versetzten, sein Ziel- nämlich Sünde und Verbrechen auf der Erde zu verbreiten zu verwirklichen, die Menschen zu versklaven und ihre Herzen zu beherrschen. Er ist ein hinterhältiger Betrüger, der sich hinter seinen Freunden verbirgt und Furcht vor ihnen in den Her­zen derer, die sich nicht vor ihm in Acht nehmen, entstehen lässt.

Aber hier stellt Allah ihn bloß und nimmt ihm sein Gewand von Betrug und List, so dass der Mu’min die Wahrheit über seine Betrügereien und Einflüsterungen erfährt und davor auf der Hut ist. Fürchtet nicht die Freunde Satans und habt keine Angst vor ihnen! Denn sie sind zu schwach, als dass sie ein Mu’min fürchten müsste, der sich auf seinen Herrn verlässt und Seiner Macht vertraut. Die einzige Macht, die ihm Furcht einflößen sollte, ist die Macht, die wirklich über Nutzen und Schaden verfügt, nämlich die Macht Allahs. (Qutb)

 

176. Und lass dich nicht durch jene traurig machen, die sich kopfüber in den Kufr stürzen290 Sie vermögen Allah wahrlich nicht den geringsten Schaden zuzufügen291 Allah will ihnen keinen Anteil am Jenseits geben, Und ihnen wird gewaltige Strafe zuteil.

290. Dieser Aja beschreibt einen psychischen Zustand, den es tatsächlich gibt: Manchmal sieht man Menschen auf dem Weg des Kufrs, des Unheils und der Sünde dahinstürmen, als hätten sie ein Rennen zu gewinnen. Das Herz des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, war von Feuer erfüllt, als er sah, dass die Leute seine Warnung überhörten und sich auf den Weg zur Hölle machten, ohne dass er sie bitte zurückhalten können.

Eine Hauptsorge des Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, war der Gedanke, die Heuchler könnten mit ihren ständigen Manipulationen in gewissem Grade den Fortschritt des Islam und der Muslime aufhalten. Dieser Aja beruhigt seine Sorgen hierüber. (Darjabaadi)

291. Diejenigen, die sich in den Kufr stürzen, tun eigentlich nichts anderes, als Allah zu bekämpfen. Da sie aber zu schwach dazu sind, können sie Ihm nicht den geringsten Schaden zufügen, und somit auch nicht Seiner Religion und deren Trägem, so oft sie dies auch versuchen. (Qutb)

 

177. Wahrlich, jene die den Kufr für den Imaan einhandeln, vermögen Allah nicht den geringsten Schaden zuzurügen292 und ihnen wird schmerzliche Strafe zuteil.

292. Sie werden im Laufe der Zeit nur sich selbst schaden. (Darjabaadi)

Ja, der Imaan ist ihnen geschenkt worden. Doch sie verkauften ihn und erhandelten mit vollem Bewusstsein den Kufr dafür. Somit haben sie es verdient, dass Allah es zulässt, wenn sie sich in den Kufr stürzen, und dass ihr vorhande­ner Bestand an Leben sich erschöpft und nichts davon fürs Jenseits übrig bleibt. (Qutb)

 

178. Jene, die Kaafir sind, sollen ja nicht meinen, dass Wir ihnen Aufschub gewähren, sei gut für sie selbst. Wahrlich, Wir gewäh­ren ihnen nur Aufschub, damit sie an Sündhaftigkeit zunehmen293 und ihnen wird erniedrigende Strafe zuteil.

293. So dass das Maß ihrer Frevelhaftigkeit voll wird. Der Appetit auf Sünde wächst mit dem "Essen". Das natürliche Resultat ist, dass der Sünder immer tiefer in der Sünde versinkt.

Dies folgt selbstverständlich daraus, dass der Mensch einen freien Willen hat, wenn Allah auch immer bereit ist, den Um­kehrenden anzunehmen. Wenn die Gnade abgelehnt wird, dann nimmt die Frevelhaftigkeit zu und verdeutlicht den wahren Charakter der Frevelhaftigkeit denjenigen gegenüber, die sich sonst von ihrem Glanz hätten anziehen lassen. Auf diese Weise wirkt Allahs Gesetz sowohl gerecht als auch barmherzig. Siehe auch nächsten Aja. (Juusuf 'Allii)

Der Sinn dieses Aufschubs ist nicht, dass Allah ihre Sündhaftigkeit zunehmen lassen will, sondern dass ihnen selbst Gelegenheit gegeben wird, die bösen Ergebnisse ihrer bösen Handlungen zu sehen. Wie in vielen ähnlichen Abschnitten im Qur’an schreibt Allah hier das Zunehmen ihrer Sündhaftigkeit der Tatsache zu, dass Er ihnen Aufschub gewährt, denn Er ist es, der Seine Schöpfung dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterworfen hat. (Siddiqi)

Dies ist eine Anspielung auf die Lehrte von der Naturgesetzlichkeit (in der Terminologie des Qur’an Sunnah Allahs, "Gewohnheit Allahs"), der die menschlichen Neigungen und Handlungen -sowie andere Ereignisse im Universum unterworfen sind. Der obige Aja besagt: "Da diese Leute dazu neigen, die Wahrheit abzulehnen, wird der von uns gewährte Spielraum (das heißt Entscheidungsfreiheit und Zeit zum Überdenken ihrer Haltung) sich nicht zu ihrem Nutzen auswirken, sondern im Gegenteil bewirken, dass ihr falsches Selbstbewusstsein und damit ihre Sündhaftigkeit zunimmt." Vergleiche auch 14:4. (Asad)

Die Erniedrigung, die ihnen zuteil werden soll, ist genau das Gegenteil dessen, was sie im Diesseits genossen, nämlich Würde, Ansehen und Wohlleben. (Qutb)

 

179. Allah will die Mu’mins nicht in dem Zustand belassen, in dem ihr (jetzt) seid,294 so lange Er das Schlechte von295 dem Guten nicht abgesondert hat, und es ist nicht (die Absicht) Allahs, euch das Verborgene zu enthüllen,296 sondern Allah erwählt (dafür) von Seinen Gesandten wen Er will297 Darum verinnerlicht den Imaan an Allah und Seine Gesandten!298 Und wenn ihr den Imaan verinnerlicht habt und mutaqi seid, dann wird euch großartiger Lohn zuteil.

294. Einige Kommentatoren (z.B. Rasi) nehmen an, dass der Ausdruck ma antum 'alayhi (wörtl. "das, worauf ihr seid") hier bedeutet "der Zustand, in dem ihr seid", d.h. der Zustand der Schwäche und Verwirrung, in der sich die muslimische Gemeinschaft nach der Schlacht von Uhud befand, und dass dieser Abschnitt darum an die Mu’mins gerichtet ist. Diese Interpretation leuchtet jedoch nicht ein. Abgesehen davon, dass von den Mu’mins hier in der dritten Person die Rede ist, während ma antum 'alayhi zweite Person Plural ist, bezeichnet letzterer Ausdruck sowohl im Qur’an als auch in der Überlieferung fast ausschließlich Lebensweise und Imaan der Menschen. Darüber hinaus haben wir verlässliche Berich­te, die besagen, dass ibn 'Abbas, Qatidah, Al- Dachhaq, Muqatil und Al- Kalbi ohne Zögern erklärten, dass die hier Angesprochenen diejenigen seien, welche "die Wahrheit leugnen", auf die sich die dazugehörigen Abschnitte beziehen (vgl. die Kommentare von Tabari, und Barawi, zu diesem Aja). In diesem Sinne gelesen bedeutet der obige Abschnitt, dass sich im Laufe der Zeit die Mu’mins nicht nur in ihrer Überzeugung von den Kaafir unterscheiden, sondern auch in ihren sozialen Zielsetzungen und in ihrer Lebensweise. (Asad)

295. Die Prüfung guter Menschen durch Unglücksfalle und schlechter Menschen durch den Genus guter Dinge ist ein Teil des universalen Plans, in welchem dem Menschen eine gewisse Entscheidungsfreiheit überlassen ist. Die psychologische und subjektive Prüfung ist unfehlbar, und die Unterscheidung wird teilweise direkt durch die Wirksamkeit des menschlichen Willens herbeigeführt, der über eine gewisse Freiheit verfügt. Sie muss aber allein schon im Interesse des Guten herbeige­führt werden. (Juusuf 'Allii)

296. Es ist nicht Sache Allahs, den Menschen das Verborgene zu zeigen, dass Er sich selbst vorbehalten hat, denn sie sind für eine solche Offenbarung nicht geschaffen, und ihre menschlichen Fähigkeiten, die Allah ihnen gegeben hat, sind nur in sehr begrenztem Maße geeignet, das Verborgene wahrzunehmen. So hat Er es in Seiner Weisheit beschlossen. Der Mensch ist für seine Aufgabe als Statthalter Allahs auf der Erde geschaffen, und dazu ist die Kenntnis des Verborgenen nicht notwendig. Um den Menschen jedoch Seine Anordnungen kundzutun und Seine Sunnah zu verwirklichen und die Muslime zu reinigen und aus der Finsternis herauszuführen, dazu wählt Er Propheten aus; durch das Prophetentum und den Imaan daran bzw. den Kufr, und durch das Streben der Propheten nach Verwirklichung ihrer Sendung, dadurch wirkt Allah und verwirklicht Seine Absichten, trennt Gutes vom Bösen und reinigt Herzen und Seelen. (Qutb)

297. Hier ist anzumerken, dass die Worte: "Es ist nicht Allahs Absicht oder Sache, euch über das Verborgene in Kenntnis zu setzen" hier in einem bestimmten Zusammenhang stehen, indem sie die Frage der Heuchler beantworten. Sie sagten: "Wenn Muchammed ein Prophet ist, dann soll er uns doch sagen, wer ihm aufrichtig den Imaan verinnerlicht und wer nicht." In Beantwortung dieser Herausforderung sagt Allah, dass niemand außer Ihm das Verborgene vollkommen kennt. Die Propheten haben davon einige Einblicke, aber nur in dem Maße, wie Allah es ihnen offenbart, nicht in das Ganze. Dennoch gibt es "wenige Auser­wählte", durch die Allah den Menschen Seinen "Willen" vermittelt. In diesen Worten steckt auch eine Erklärung dafür, warum Allah durch Prüfungen die Mu’mins von den Kaafir unterscheidet. Hätte Er diese Methode nicht angewandt, so hätten die Mu’mins eine besondere Fähigkeit haben müssen, in die Herzen der Menschen zu schauen und selbst zu sehen, ob diese Mu’mins oder Heuchler sind. Da Allah uns eine solche Kenntnis des Verborgenen nicht gegeben hat, sind Prüfungen die einzige Methode, Mu’mins nach außen bin von Heuchlern zu unterscheiden. (Siddiqi)

298. Beachte die Universalität des Islam: selbst hier wird befohlen, an die Propheten (Mehrzahl!) und nicht allein an den letzten Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, den Imaan zu verinnerlichen. (Darjabaadi)

Der sicherste Weg für einen aufrichtigen Menschen ist nicht, einen Propheten durch überflüssige Fragen über das Verbor­gene auf die Probe zu stellen, sondern ehrlich an ihn den Imaan zu verinnerlichen und ihm ernsthaft zu folgen. (Siddiqi)

 

180. Und diejenigen, die geizig sind mit dem, was Allah ihnen von Seiner Huld gegeben bat,299 sollen nicht meinen, dass dies gut für sie sei.300 Nein! Es ist schlecht für sie. Um den Hals tragen301 werden sie das, womit sie geizig waren, am Tage der Auf­erstehung. Und Allah gehört das Erbe302 der Himmel und der Erde. Und Allah ist wohl vertraut mit dem, was sie tun.

299. Dies sind Gaben aller Art: materielle Gaben wie zum Beispiel Wohlstand, Eigentum, Körperkraft usw., oder immaterielle Gaben, wie beispielsweise Einfluss, Intelligenz, Geschicklichkeit, Einsicht und so weiter, oder geistige Gaben der höchsten Art. Diese für andere zu verwenden, die sie brauchen (abgesehen von dem, was wir selbst benötigen), ist Großzügigkeit und reinigt unseren eigenen Charakter. Sie zurückzuhalten (außer für unsere eigenen Bedürfnisse) ist Gier und Egoismus und wird entschieden verurteilt. (Juusuf 'Allii)

Es wird hier nicht genau gesagt, wer: gemeint ist, und wer vor Geiz und dem Jüngsten Tag gewarnt werden soll, wobei der Zusammenhang mit den nächsten Ajas vermuten lässt, dass es die Juden sind, die gesagt haben "Allah ist arm und wir sind reich". Sie werden hiermit aufgerufen ihre finanziellen Verpflichtungen, die aus den Vereinbarungen mit dem Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, entstanden sind, zu erfüllen. Sie werden auch aufgerufen, an den Propheten, Allahs Segen und Frieden auf ihm, den Imaan zu verinnerlichen und auf dem Wege Allahs zu spenden. Der Hinweis des Ajas ist aber auch allgemein zu verstehen. Er deutet nicht nur auf die Juden hin, sondern schließt diejenigen mit ein, die mit dem geizen, was Allah ihnen gegeben hat, und meinen, dass dies ihr Eigentum erhält, während Spenden es aufzehren würden. (Qutb)

300. Hier wird eine weitere negative Eigenschaft der Heuchler sowie ihr verzerrtes Bild vom Leben und ihre schlechte Logik aufgezeigt. Sie lieben Besitz und weltlichen Reichtum und horten diesen, statt ihn für die Sache Allahs einzusetzen. Ihre sündhafte Einstellung stammt aus ihrer verzerrten Weltanschauung. Das gesamte Universum mit allem, was darin ist, ge­hört Allah; es ist von daher ganz logisch anzunehmen, dass alle Reichtümer, die Menschen besitzen, ein Allah anvertrautes Gut sind. Sie sind also nicht ihre wahren Eigentümer, sondern ihre Treuhänder. (Siddiqi)

301.Durch diese passende Metapher wird dem Geizigen mitgeteilt, dass sein Reichtum und andere von ihm gehortete Geschen­ke sich an seinen Hals klammem und ihm nichts Gutes einbringen. Er wird sich wünschen, sie loszuwerden, das aber wird ihm nicht gelingen. Einem in anderem Zusammenhang erwähnten biblischen Ausdruck zufolge werden sie wie ein Mühlstein an seinem Hals hängen (Matth. 18:6). Hier ist die Metapher umfassender. Er umklammerte seine Reichtümer, und sie werden zu einem schweren Kragen, einem Sklavenjoch um seinen Hals. Sie werden enger und enger und verursa­chen ihm Ängste und Schmerzen statt des Vergnügens. Siehe auch 17:13. (Juusuf 'Allii)

302. Eine weitere Metapher wird hier verwendet. Materieller Reichtum oder Besitz kann nur während unseres kurzen irdischen Lebens als unser Eigentum bezeichnet werden: dann geht er auf die Erben und deren Erben über, bis er letztendlich beim letzten Erben landet, beim Staat. Auf diese Weise sind alle Geschenke lediglich unser anvertrautes Gut, letztendlich kehren sie zu Allah zurück, Dem alles im Himmel und auf Erden gehört. (Juusuf 'Allii)

 

Abschnitt 19

181.Allah hat sehr wohl die Worte derjenigen gehört, die sagen: "Wahrlich, Allah ist arm und wir sind reich!“303 Wir werden gewiss das niederschreiben, was sie sagen und dass sie die Propheten ohne Recht getötet haben.304 Und Wir werden sagen: "Kostet die Strafe des brennenden Feuers!"

303. In Suura 2:245 lesen wir: "Wer ist es, der Allah ein schönes Darlehen gibt?" An anderen Stellen wird von Geben und Spen­den im Wege Allahs metaphorisch gesprochen als von Gaben für Allah. Der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, benutzte diesen Ausdruck oft, wenn er im Wege Allahs Spenden sammelte. Darüber machten sich die Spötter lustig und sagten: "So ist Allah wohl arm, und wir sind reich!" Diese Lästerung war ein Teil ihres gesamten Verhaltens in der Geschichte, wozu auch die Propheten­morde zählen. (Juusuf 'Allii)

304. Über den Ausdruck "widerrechtlich Töten" vgl. auch Suura 3:21 und 3:112. (Juusuf 'Allii)

Die Geschichte der Kinder Israel kennt eine lange Serie von Prophetenmorden; der letzte davon ist der Versuch, den Messich -Friede sei mit ihm - zu töten. Sie gaben jedenfalls vor, ihn getötet zu haben, und brüsteten sich mit dieser schrecklichen Tat. (Qutb)

Die oben genannten sarkastischen Bemerkungen entstammen der gleichen kriminellen Mentalität, mit der die entsetzlich­sten Verbrechen, zum Beispiel die Prophetenmorde, begangen wurden. Deshalb sind beide Verbrechen hier im selben Atemzug erwähnt worden. (Siddiqi)

 

182. Dies (geschieht) wegen dem, was eure Hände vorausgeschickt haben. Und wahrlich, niemals tut Allah (Seinen) Dienern unrecht.305

305. Siehe 2:95 und Fußnote. (Juusuf 'Allii)

Die Strafe, die Allah den Bösen zukommen lässt, ist andererseits auch ein Gnadenakt, so wie auch die Vergeltung ein Zeichen Seiner Barmherzigkeit ist. (Siddiqi)

 

183. (Das sind) diejenigen, die sagten: "Wahrlich, Allah hat uns auferlegt, dass wir an keinen Gesandten den Imaan verinnerlichen sollen, bevor er ein Opfer darbringt, das vom Feuer verzehrt wird.,,306 Sprich: "Gewiss sind vor mir schon Gesandte mit klaren Beweisen zu euch gekommen und mit dem, wovon ihr gesprochen habt. Warum habt ihr sie dann getötet, wenn ihr wahrhaftig seid?,,307

306. Brandopfer spielten zwar im Gesetz Muusas, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und in religiösen Riten lange vor Musa, Allahs Segen und Frieden auf ihm, eine Rolle, aber es ist nicht wahr, dass das Gesetz Muusas.

O festlegte, ein Feuer vom Himmel, das auf ein Brandopfer fällt, sei als Beglaubigungstest für einen Propheten zu betrachten. Selbst wenn es so gewesen wäre -gehorchten etwa die Juden den Propheten, die dieses Zeichen zeigten? In Lev. 9:23-24 wird uns von einem Brandopfer berichtet, das Musa und Haruun; Allahs Segen und Frieden auf ihnen beiden, vorbereiteten: "Und ein Feuer ging aus von dem Herrn und verzehrte auf dem Altar das Brandopfer und das Fett." Dennoch rebellierten die Leute immer wieder gegen Musa, Allahs Segen und Frieden auf ihm, und Rebellion gegen einen Propheten ist geistig gesehen ein Versuch, ihn zu töten. Abels Opfer war vermutlich ein Brandopfer: es wurde von Allah angenommen, und er wurde von Kain aus Eifersucht getötet (Gen. 4:3-8). Opfer im Sinne des Gesetzes Musa as waren für die Anhänger Isa as und Muchammeds, Allahs Segen und Frieden auf ihm, nicht mehr notwendig. (Juusuf 'Allii)

Weitere Bibelstellen, in denen von einem ähnlichen Wunder die Rede ist, gibt Darjabaadi an, z.B. I. Kön. 18:38, I. Chron. 21:26,2. Ghron. 7:1, Richter 6:21.

Obwohl dieser Aspekt des Gesetzes seit der Zerstörung des Zweiten Tempels außer Kraft gesetzt war, waren die Juden in nach -talmudischer Zeit überzeugt, dass, der ihnen versprochene Messich die Riten Musa, Allahs Segen und Frieden auf ihm,in ihrer Ganzheit wieder­herstellen würde; aus diesem Grunde weigerten sie sich, jemanden als Propheten anzuerkennen, der nicht in jedem Detail dem Gesetz der Torah entsprach. (Asad)

Mit dieser Aufforderung werden ihre Lügen und Vorwände ad absurdum geführt und ihre Verstocktheit im Kufr, mit der sie auch noch prahlten, und ihre Falschheit gegenüber Allah bloßgestellt. (Qutb)

307.Um die Zeit, als Jachja und Sekariijaa hingerichtet wurden und 'Isa, Allahs Segn und Frieden auf ihnen allen, ausrief: "Jerusalem, Jerusalem , die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind!" (Matth. 23:37), und als Paulus von Tarsus von den Juden redet als denjenigen, die "ihre eigenen Propheten getötet haben", existierte der Zweite Tempel noch, und Brandopfer waren ein alltäglicher Ritus: darum kann die Weigerung der Juden, diese Propheten zu akzeptieren, die bis zum Propheten­mord führte, nicht damit begründet werden, diese Propheten hätten nicht dem Gesetz Musa as entsprochen. (Asad)

 

184. Und wenn sie dich zum Lügner erklären, so sind schon vor dir Gesandte zu Lügnern erklärt worden,308 die mit klaren Beweisen gekommen sind und mit Psalmbüchern und300 dem Buch der Erleuchtung.

308. Er ist nicht der erste Gesandte, Allahs Segen und Frieden auf ihm, der auf Ablehnung stieß. Generation auf Generation -und vor allem auch die Kinder Israel­begegneten ihren Gesandten, die mit Offenbarungen und Wunderzeichen, mit Schriften, die Rechtleitung Allahs enthiel­ten, zu ihnen geschickt worden waren, mit Ablehnung. So ergeht es den Propheten und der Offenbarung. (Qutb)

309. Die drei Dinge, die im Text erwähnt werden, sind

1.deutliche Zeichen (baiyinat) 

2.Subur

3.kitabu-I-munir.

Im weitesten Sinne bedeutet

1. die klaren Beweise, mit denen Allahs Handeln Seine mit einem wahren Auftrag gesandten Menschen begleitet, zum Beispiel Muusas, Allahs Segen und Frieden auf ihm, in seiner Beziehung zu Pharao.

2. Habe ich mit "Bücher dunkler Prophezeiungen" übersetzt, denn die Wurzel "sabara" ist mit Drohung verbunden. Die Kommentatoren sind sich darüber nicht einig, aber diejenigen prophetischen Schriften, die für ihre Zeitgenossen schwer verständlich schienen, könnten wohl zu dieser Bezeichnung passen. Auch die Psalmen Daawuuds, Allahs Segen und Frieden auf ihm, (Sabur, Suura 4:163) gehören mit in diese Kategorie.

3.So gibt es keinen Zweifel über die wörtliche Bedeutung "Buch der Erleuchtung". Worauf aber bezieht es sich genau? Ich halte es für die fundamentalen Verhaltens Richtlinien -die klaren, in allen Geboten niedergelegten Regeln, die dem Men­schen helfen, ein gutes Leben zu führen. (Juusuf 'Allii)

 

185. Jede Seele wird den Tod zu kosten bekom­men.310 Und euer Lohn wird euch wahrlich (erst) am Tag der Auferstehung voll ausbezahlt werden.311 Und wer dann dem Feuer entrissen und in den Paradiesgarten eingelassen wird, dem wird Erfolg beschieden sein. Und das diesseitige Leben ist nichts weiter als ein trügerischer Genuß.3l2

310. Die Seele stirbt nicht, jedoch gibt der Tod des Körpers der Seele einen Geschmack des Todes, wenn sie vom Körper getrennt wird. Dann weiß die Seele, dass dieses Leben lediglich eine Prüfung war. Und anscheinende Ungleichheiten werden am Tag des Gerichts endgültig ausgeglichen. (Juusuf 'Allii)

Beachte, dass im Islam der Tod ein ebenso natürliches Phänomen ist wie das Leben, und zwar eine notwendige Begleiter­scheinung des animalischen Lebens, wie das Wort "Seele" impliziert. Der Tod war auf der Erde bekannt, lange bevor der Mensch auftrat, und ist in keiner Weise mit der "Ursünde" Adems, Allahs Segen und Frieden auf ihm, verbunden. (Darjabaadi)

Es ist notwendig, dass man sich diese Tatsache einprägt: Die Tatsache nämlich, dass das Leben auf dieser Welt von be­grenzter, vorbestimmter Dauer ist. Danach kommt unweigerlich das Ende -Alle müssen sterben: die Rechtschaffenen und die Bösen, die, die auf dem Wege Allahs kämpfen und die, die daheim geblieben sind, die Mutigen, die das Unrecht ableh­nen und die Feiglinge, die am Leben um jeden Preis festhalten wollen, die nach höheren Lieben Strebenden und die Einfältigen, die nur die billigen Genüsse dieser Welt vor Augen haben. Jede Seele wird den Tod kosten müssen, ohne Unterschied zwischen den einen Oder den anderen. Der Unterschied liegt woanders, nämlich in dem Wert dessen was danach folgt. (Qutb)

311. In dieser Aussage liegt eine Botschaft sowohl des Trostes als auch der Warnung. Ein Mu’min wird getröstet, indem er an die großartige Wahrheit erinnert wird, dass er nicht den Mut verlieren soll, wenn er wegen des Islams und seiner Recht­schaffenheit wegen im Leben Schwierigkeiten gegenübersteht. Es geht nur um wenige Tage, und alle seine Sorgen finden ein Ende, und er wird die Freuden des Paradieses genießen. Der Kaafir hingegen wird mit dieser Aussage gewarnt; er soll zur Kenntnis nehmen, dass er nicht die Tatsache aus den Augen verlieren darf, dass er bald den Tod kosten muss und all seine weltliche Größe und Macht beendet wird, woraufhin er für die Übertretungen in seinem irdischen Leben bestraft wird. (Siddiqi)

312. Das Leben in dieser vergänglichen Welt wird als ein Leben in trügerischem Vergnügen bezeichnet, denn in dieser Welt "sind die Dinge nicht, was sie zu sein scheinen". Auf diese Weise könnte man verleitet werden, anscheinenden Erfolg oder Misserfolg als Kriterium für Wahrheit Oder Unwahrheit anzusehen. Jemand führt vielleicht ein erfolgreiches Leben, und der oberflächliche Beobachter hält dies für einen Hinweis auf seinen Erfolg in dieser Welt und in der kommenden, während es sich in Wirklichkeit um eine von Allah gewährte Nachsicht handelt, woraufhin seine Sündhaftigkeit zunimmt und er im kommenden Leben einer demütigenden Strafe gegenübersteht. Da der gewöhnliche Mensch durch solchen An­schein irregeführt wird, wird diese vergängliche Welt als trügerisch bezeichnet. (Siddiqi)

 

186. Ihr werdet bestimmt geprüft werden in eurem Besitz und eurer Person.313 Und ihr werdet gewiss von denen, denen das Buch vordem bereits gegeben worden ist und von denen, die Götzen anbeten, viel bösartiges Gerede314 zu hören bekommen. Doch wenn ihr geduldig und mutaqi seid, dann ist dies wahrlich ein Zeichen fester Entschosenheit.315

313. Bekenntnis und Da'wa sind untrennbar mit Anfechtung und Schaden an Eigentum und Person, aber auch mit Geduld, Stand­festigkeit und Entschlossenheit verbunden. Das ist der Weg zum Paradies. Außer diesem gibt es keinen anderen Weg, um eine Gemeinschaft aufzubauen, die diese Aufgabe ernst nimmt und ihre Verantwortung wahrnimmt. Auf diese Weise wird diese Gemeinschaft erzogen, so dass ihre verborgenen Anlagen an Gutem und Kraft und Fähigkeiten ans Tageslicht gebracht werden. Es ist der Weg der tätigen Verantwortung und der realen Erfahrung der Wirklichkeit des Menschen und der Wirklichkeit des Lebens. (Qutb)

314. Wörtlich: Ungebührliches. (Anm. d. Übers.)

Nicht allein Reichtum und Besitz (oder der Mangel daran) sind Mittel zu unserer Prüfung. Alle unsere persönlichen Begabungen, unser Wissen, unsere Möglichkeiten und auch das Gegenteil davon -in der Tat alles, was uns geschieht und unsere Persönlichkeit bildet, ist Mittel zu unserer Prüfung. Ebenso der Islam: wir werden seinetwegen viele Beleidigungen von denen einstecken müssen, die ihn nicht teilen. (Juusuf 'Allii)

315. Das heißt: "Ihr solltet die Kraft eures Charakters auch angesichts der Provokationen beweisen, indem ihr eure Gemütsver­fassung unter Kontrolle haltet. Ertragt mit Geduld ihren Spott, ihre Anschuldigungen und unangebrachten Reden und fal­sche Propaganda. Ärgert euch auch unter kritischsten Umständen nicht so, dass ihr Falsches, Ungerechtes, Ungezogenes oder Unmoralisches sagt oder tut." (Mauduudi)

 

187. Und (gedenket der Zeit) als Allah denen, denen das Buch gegeben worden ist, das Gelübde abnahm, dass sie es den Menschen klar darlegen und es nicht316 verbergen sollten. Doch sie haben es hinter ihren Rücken geworfen und für einen geringen Preis verkauft.317 Was für ein schlechter Handel!318

316. "Und du sollst deinen Kindern und Kindeskindern kundtun den Tag, da du vor dem HERRN, deinem Gott, standest ..." (Deut. 4:9); "... dass wir's nicht verhalten sollten ihren Kindern, die hernach kommen, und verkündigen den Ruhm des Herrn und Seine Macht und Wunder, die Er getan hat." (Psalm 78:4); "Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht, und was ihr hört in das Ohr, das predigt auf den Dächern", (Matt. 10:27). (Darjabaadi)

Der Aja bezieht sich auch darauf, dass die Ankunft des Propheten Muhammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sowohl im Alten als auch im Neuen Testa­ment vorausgesagt wurde und die Anhänger der Bibel aufgefordert waren, diese Prophezeiung zu veröffentlichen und nicht zu verheimlichen, wie sie es dann tatsächlich taten. (Asad)

317. Wahrheit die Botschaft Allahs kommt zu jedem Menschen oder zu jeder Nation als heiliges Pfand. Sie soll verbreitet und verkündet und gelehrt und allen erklärt werden, die sich in Reichweite befinden. Privilegiertes Priestertum schafft sogleich Barrieren. Und schlimmer noch: wenn eine solche Priesterschaft die Wahrheit manipuliert, indem sie davon nimmt, was ihr genehm ist, und den Rest ignoriert, dann verkauft sie Allahs Geschenk für einen elenden, vergänglichen Preis; wie elend dieser war, werden sie bei der Endabrechnung erfahren. (Juusuf' Allii)

318. Vergleiche 1:101. (Juusuf 'Allii)

Wörtlich: "Wie schlecht ist, was sie verkaufen (oder sich einhandeln)". Dies ist eine Anspielung auf den Glauben der Juden, sie seien "Gottes auserwähltes Volk“, und auf die Überzeugung der Christen, dass ihr Glaube an Isa as "stellvertre­tenden Sühnetod" ihnen automatisch das Heil sichere: in beiden Fällen ist der "Handel" eine Illusion von Immunität im kommenden Leben. (Asad)

 

188. Meine nur nicht, dass diejenigen, die sich über das freuen, was sie begangen haben und es lieben gelobt zu werden rar das, was sie nicht getan haben319 -meine ja nicht, dass sie der Strafe entrinnen werden. Und es wird ihnen eine schmerzliche Strafe zuteil.

319. Eine treffende Darstellung der ganz auf Weltliches ausgerichteten Menschen. Sie verursachen vielleicht Unglück und Elend für andere, aber es bringt ihnen allenfalls Schaden ein. Sie treten vielleicht Allahs Wahrheit mit Füßen und etablieren falsche Gottesdienstnonnen. Sie schreiben sich Tugenden zu, die sie nicht haben, und scheinbare Erfolge, die sie trotz ihres schändlichen Betrugs genießen. (Juusuf 'Allii)

Sie haben nichts getan, um das Versprechen, das sie Allah gegeben haben, auch einzuhalten; vielmehr verheimlichten sie die Botschaft Allahs, verdrehten und verfälschten sie um weltlicher Vorteile willen und verbargen insbesondere jene Prophezeiungen, die sich auf das Kommen des Propheten Muhammad, Friede sei mit ihm, bezogen. Doch trotz all dieser Missetaten wollten sie unbedingt gelobt, geehrt und hochgeachtet werden als fromme Vorkämpfer Allahs. (Siddiqi)

 

189. Und Allah gehört die Herrschaft über, Himmel und Erde. Und Allah hat Macht über alle Dinge.320

320. Alles liegt in Allahs Hand, und darum kann niemand Seiner Strafe entgehen oder ohne Lohn ausgehen. (Siddiqi)

 

Abschnitt 20

190. Wahrlich, in der Erschaffung der Himmel und der Erde und in der Verschiedenheit von Nacht und Tag321 sind Zeichen für die Einsichtigen,322

321. Siehe auch Suura 2:164. Die beiden hier genannten Dinge sind nur kurzgefasste Symbole, die, die in dem Abschnitt in Suura 2 genannten sechs oder sieben repräsentieren. Auch diese sind nur kurzgefasste Symbole und Erinnerungen an Allahs Macht und Majestät und Seine Güte gegenüber dem Menschen. (Juusuf 'Allii)

Dies ist eine lebendige Schilderung des Begreifens der dynamischen Kräfte des Kosmos und der Resonanz auf dieses Be­greifen des für Blicke Fassbaren und des Nachdenkens über das Wesen des Daseins. Der Qur’an wendet die Blicke und Herzen fortdauernd zu diesem geöffneten Buch der Schöpfung, dessen Seiten sich unaufhörlich wenden, so dass auf jeder Seite des Buches ein inspirierendes Wunderzeichen sichtbar wird. Sie bewegt in dem gesund veranlagten Menschen das Empfinden für die Wahrheit der Schöpfung, die deutlich auf jeder Seite des Buches steht und für den "Plan dieses Gebäu­des". Er lässt in ihm auch den Willen aufkommen, auf den Schöpfer zu hören, in Liebe zu Ihm und zugleich in Furcht vor Ihm. Und die Leute mit Vernunft öffnen ihre Augen zur Wahrnehmung der kosmischen Zeichen Allahs. Sie stellen keine Hindernisse auf zwischen sich selber und diesen Zeichen, und versperren auch nicht den Weg zu ihnen. Sitzend, stehend oder liegend wenden sie sich mit ihren Herzen zu Allah und öffnen ihre Augen und schärfen ihre Sinne und begrei­fen die Wirklichkeit des Seins, die Allah festgelegt hat. Durch ihre Einsicht verbinden sie das menschliche Herz mit den Gesetzmäßigkeiten dieses Daseins. (Qutb)

322. Der Prophet Muchammed -Friede sei mit ihm -hat einmal gesagt: "Wehe dem, der diesen Aja liest und nicht darüber nachdenkt!" (Darjabaadi)

 

191. Diejenigen, die Allahs im Stehen und im Sitzen gedenken und wenn sie auf ihrer Seite liegen323 und nachdenken über die Erschaffung der Himmel und der Erde (und sagen): "Unser Herr! Du hast dies (alles) nicht umsonst erschaffen!324 Gepriesen seiest Du. Verschone uns vor der Strafe des Feuers!325

323. Das heißt in allen Körperhaltungen, die wiederum symbolisch für die verschiedenen persönlichen, sozialen, wirtschaftlichen, historischen oder anderen Lebensumstände des Menschen stehen. (Juusuf .Allii)

Mit tieferem Verständnis begabte Menschen sind nicht damit zufrieden, die Wahrheit zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie versuchen, geistig Verbindung mit dem Urgrund der Wahrheit aufzunehmen, indem sie Tag und Nacht unter allen Umständen Allahs gedenken. (Siddiqi)

324. Die Verständigen begreifen, dass diesem Dasein ein Plan und ein Ziel zugrunde liegt, dass hier Weisheit und Sinn, Wahrheit und Gerechtigkeit sichtbar wird, auch im Leben des Menschen auf diesem Planeten. Unweigerlich folgt daraus, dass es eine Abrechnung und Vergeltung gibt für die vom Menschen begangenen Taten, und dass es eine andere Heimstätte, als die jetzige geben wird, in der Wahrheit und Gerechtigkeit herrschen werden. (Qutb)

325. Die Zeichen Allahs helfen dem Menschen, die Wahrheit zu verstehen, vorausgesetzt dass man nicht von Allah absieht und die Naturphänomene wie ein Tier betrachtet statt wie ein Vernunft begabter Mensch. Das System des Universums spricht selbst deutlich von der großen Weisheit, die hinter ihm steht, woraus folgt, dass ein Allweiser Schöpfer mit der Schöpfung des Menschen ein bestimmtes Ziel verfolgt haben muss. Die Tatsache, dass Er dem Menschen alles zur Verfügung gestellt und ihn mit einem moralischen Unterscheidungsvermögen für Gut und Böse ausgestattet hat, zeigt außerdem, dass er Allah gegenüber verantwortlich dafür sein muss, wie er diesen Zweck erfüllt hat. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass es ein Leben nach dem Tod geben muss, wo der Mensch für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird. Wenn der Mensch dies erkennt, füllt sich sein Herz mit Furcht vor der Strafe im Jenseits, und er betet spontan zu Allah um Rettung vor dem Höllen­feuer .(Mauduudi)

 

192. Unser Herr, wahrlich, wen Du ins Feuer eingehen lässt, den hast Du gewiss in Schande gestürzt.326 Und diejenigen, die unrecht tun, werden keine Beschützer haben.

326. Das heißt, das Leiden, dem der Sünder im kommenden Leben ausgesetzt sein wird, ist eine Folge der geistigen Schande, die er bereits durch seine Taten in dieser Welt über sich gebracht hat. (Asad)

Der Schauder, der die Mu’mins beim Gedanken an das Feuer ergreift, ist unter anderem auch der Schauder vor der mit der Strafe verbundenen Schande. Denn die Strafe bewirkt die größte Schande vor Allah, und das trifft härter als das Bren­nen des Feuers selbst. (Qutb)

 

193. Unser Herr, wir haben wahrlich einen Rufer gehört, der (uns) zum Imaan aufgerufen hat:, verinnerlicht den Imaan an euren Herrn!' Und wir haben den Imaan verinnerlicht. Unser Herr, verzeih uns unsere Schuld und bestrafe uns nicht für unsere Schwachen und reihe uns ein unter die Recht­schaffenen.327

327. Die Beobachtungen der Verständigen überzeugen sie auch in gleicher Weise davon, dass die Lehre der Gesandten über Anfang und Ende des Universums und den Sinn seiner Erschaffung richtig ist; dass somit die. von ihnen gelehrte und gepre­digte Lebensweise der einzig richtige Weg ist. (Mauduudi)

 

194. Unser Herr, und las uns zuteil wer­den, was Du uns durch Deine Gesandten versprochen hast und stürze uns nicht in Schande am Tag der Auferstehung. Wahrlich, Du brichst niemals (Dein) Versprechen.328

328. Diese Bitte bedeutet nicht, dass bezüglich der Versprechungen Allahs Zweifel bestehen, sondern sie zeigt, dass die Men­schen gespannt sind zu erfahren, ob sie selbst den ihnen versprochenen Segen verdient haben. Darum beten sie zu Allah: "Unser Herr, vergib uns -Du brichst doch nie Dein Versprechen". (Mauduudi)

 

195. Und ihr Herr erhörte sie (und antwor­tete): "Ich lasse das Tun desjenigen unter euch, der (Gutes) tut, gewiss nicht verloren gehen, sei es Mann oder Frau.329 Die einen von euch sind von den ande­ren.330 Und denjenigen, die ausgewandert oder aus ihren Häusern vertrieben worden sind, und die auf Meinem Weg Ungemach erleiden mussten und die gekämpft haben und getötet worden sind,331 werde Ich gewiss ihre Schwächen vergeben und sie ein­treten lassen in Gärten, durch die Ströme ffießen.332 Eine Belohnung von Allah. Und bei Allah ist die schönste Belohnung.333

329. Es geht nicht einfach nur um Nachdenken und Meditation, und nicht nur um Demut und Schauder. Es geht um die Tat. Um die Tat, die aus dieser Erschütterung und diesem Schauder resultiert. Der Islam betrachtet die Tat als "Ibaada, genau wie das Nachdenken und Meditieren, das Gedenken Allahs und die Bitte um Vergebung. Er betrachtet sie, als Frucht der Anbetung. Sie wird von allen angenommen, von Männern und Frauen, ohne Unterscheidung zwischen den Geschlech­tern. Denn alle sind Menschen und alle sind gleichwertig. (Qutb)

330. Der gleiche Status der Geschlechter wird im Islam nicht nur anerkannt, sondern mit Nachdruck betont. Und wenn schon Geschlechtsunterschiede, die in der Natur begründet sind, in geistigen Dingen nicht zählen, dann zählen natürlich um so weniger künstliche Unterschiede wie etwa gesellschaftlicher Rang, Besitz, Position, Rasse, Hautfarbe, Geburt und derglei­chen. (Juusuf 'Allii)

"In Meinen Augen seid ihr als Menschen alle gleich, und Ich beurteile alle nach den gleichen Gerechtigkeitsnormen. Männer dürfen nicht vergessen, dass Frauen den gleichen menschlichen Status genießen wie sie selbst. Ich mache keinen Unter­schied zwischen Mann und Frau, Herrn und Sklaven, Schwarz und Weiß, Hoch und Niedrig." (Mauduudi)

331. Dies war das Bild der Mu’mins, die der Qur’an als erste ansprach; der Mu’mins, die aus Mekka ausgewandert und wegen ihrer Religion aus ihren Häusern vertrieben worden waren, denen auf dem Wege Allahs Schaden zugefügt worden war, die gekämpft hatten und getötet worden waren. Es ist aber auch das Bild aller Angehörigen dieser Religion, überall und zu allen Zeiten. (Qutb)

In einer Hadiis wird berichtet, das jemand zum Gesandten Allahs, Allahs Frieden und Segen auf ihm, kam und fragte:" Was meinst du, wenn ich für Allahs Sache getötet werde, wenn ich geduldig eine Belohnung von Ihm erhoffe und vorwärts marschiere, ohne meine Fersen zu zeigen: wird Allah dann meine Sünden auslöschen?" Der Gesandte, Allahs Frieden und Segen auf ihm, ­erwiderte: "Ja." (Siddiqi)

Siehe auch Suura 2:218 mit Fußnoten. (Asad)

332. Wörtlich: unter denen Ströme fließen. (Anm. d. Übers.)

333. Hier sowie unter in 3:198 und an vielen anderen Stellen wird die Tatsache betont, dass an allen Geschenken, Belohnungen oder Glückseligkeiten für die Rechtschaffenen das Wichtigste ist, dass sie von Allah Selbst ausgehen. "Nähe Allahs" drückt dies besser aus, als irgendein anders Symbol. (Juusuf 'Allii)

Eine Überlieferung berichtet, dass der Prophet, Allahs Frieden und Segen auf ihm, die Ajas 190-195 rezitierte, als einige Nichtmuslime zu ihm kamen und sagten: "Alle Propheten brachten das eine oder andere Wunderzeichen mit. Zum Beispiel hatte Musa  den wunderbaren Stab und die leuchtende Hand, die er vorzeigen konnte, und Isa heilte die Blinden und Aussätzigen. Sag uns doch bitte, was für ein Zeichen du uns zum Beweis deines Prophetenturms mitgebracht hast." Der Prophet, Allahs Frieden und Segen auf ihm, rezitierte diese Ajas und sagte: "Ich habe dies mitgebracht." (Mauduudi)

 

196. Lass dich nicht durch das Umherreisen der Kaafir im Lande täuschen.334

334. Das Umherreisen der Kaafir im Land vermittelt den Anschein von Wohlstand und Seelenruhe, von Einfluss und Autorität. Dadurch entsteht in den Herzen der Mu’mins der Eindruck, dass sie selbst ständig Schwierigkeiten und Entbehrungen ausgesetzt sind und Verfolgung und Kampf ertragen müssen; während die Eitlen in Luxus und Überfluss leben. Und die achtlose Masse sieht die Wahrheit und ihre Verfechter in Bedrängnis und die Eitelkeit und ihre Vertreter in Sicherheit. Daraus entsteht ein falscher Eindruck nicht nur in den Herzen der unwissenden Masse sondern auch in den Herzen der Eitlen, die sich selbst betrügen, und er vermehrt ihren Irrtum und ihre Arroganz und sie verbohren sich immer mehr in ihre Schlechtigkeit. (Qutb)

Lass nicht die Aktivitäten der Kaafir in Ländern, wo sie eine führende Position innehaben, in dir den Eindruck her­vorrufen, dass sie für immer eine vorherrschende Macht in der Welt darstellen und niemals vernichtet werden können. (Siddiqi)

 

197. Nur gering ist (ihr) Genuß.335 Dann wird die Hölle ihre Bleibe sein. Was für eine schlechte Ruhestätte!

335. Der Prophet Muhammad, Allahs Frieden und Segen auf ihm, hat gesagt: "Verglichen mit dem jenseitigen Leben ist das Leben in der gegenwärtigen Welt so, 'wie wenn einer von euch seinen Finger ins Meer steckt: lass ihn nur sehen, wie viel Wasser er herausbringt." (Darjabaadi)

Welche Vorteile die Hochmütigen auch immer in dieser Welt genießen mögen: sie sind alle vergänglich. Ihr Ende ist tra­gisch, denn sie werden in die Hölle kommen, worin sie für immer bleiben. (Siddiqi)

 

198. Diejenigen jedoch, die ihren Herrn fürchten, denen werden Gärten zuteil, durch die Ströme fließen.336 Dort wer­den sie (ewig) verweilen. Ein Geschenk von Allah. Und was bei Allah ist, ist besser für die Rechtschaffenen.337

336. Wörtlich: unter denen Ströme fließen. (Anm. d. Übers. )

337. Auf diese Weise erzieht Allah die Gemeinschaft, in deren Hand er die Schlüssel der Erde und die Zügel der Führerschaft zu legen beschlossen hat, und der Er das größte Vertrauenspfand übergibt, nachdem sie von allen Wünschen und Leiden­schaften befreit ist.

In dieser Situation der Erziehung und der Fortsetzung der wichtigsten Werte der islamischen Vorstellung, verspricht Allah hier den Mu’mins nicht den Sieg über die Feinde und auch nicht die Herrschaft auf der Erde und nichts von den Lebensgenüssen, die Er ihnen an anderen Stellen verspricht. Er verspricht ihnen hier nur das eine, und das ist "was bei Allah ist", denn dies ist die Quelle, von der alles ausgeht, was diese Religion ausmacht. (Qutb)

 

199 .Und unter den Besitzern des Buches338 sind gewiss solche, die an Allah den Imaan verinnerlicht haben und an das, was euch (als Offenbarung) herabgesandt worden ist und was ihnen (selbst als Offenbarung) herabgesandt worden ist.339 Sie sind voll Demut vor Allah und verkaufen die Zeichen Allahs nicht um einen geringen Preis. Sie sind es, deren Lohn bei ihrem Herrn ist. Wahrlich, Allah ist schnell im Rechnen.

338. Das heißt der Torah und des Evangeliums in ihrem unverfälschten Zustand. (Darjabaadi)

339. Dies ist die Schlussbilanz für die Leute der Schrift. Nachdem mehrfach in der Suura von ihren Gruppen und Standpunkten die Rede war, wird hier auch erwähnt, das es unter den Leuten der Schrift einige gab, die dem Weg gefolgt und am Ziel angekommen sind. Sie hatten den Imaan verinnerlicht an die gesamte Schrift und machten keinen Unterschied zwischen den Gesandten Allahs, Allahs Frieden und Segen auf ihm. Sie verinnerlichten den Imaan an das was ihnen zuvor herabgesandt, und an das was den Muslimen offenbart wurde das ist das Charakteri­stikum ihres Bekenntnisses. (Qutb)

 

200. O die ihr den Imaan verinnerlicht habt! Seid geduldig und wetteifert in Geduld340 und seid standhaft341 und fürchtet Allah, damit ihr erfolgreich sein werdet.342

340. "Sabr" صْبِر ist hier in seiner ganzen Bedeutung zu verstehen, nämlich Geduld, Ausdauer, Beständigkeit, Selbstbeherrschung, Standfestigkeit. Diese Tugenden sollen wir für uns selbst und in unserer Beziehung zu anderen üben: wir sollen ein Bei­spiel setzen, so dass andere mit uns wetteifern können, und wir sollen mit ihnen wetteifern, damit wir nicht zurückfallen; auf diese Weise sollen wir einander unterstützen und unsere gegenseitigen Beziehungen verstärken, so dass wir gemeinsam Allah dienen können. (Juusuf 'Allii)

341. Übertrefft die Feinde Allahs an Standhaftigkeit und Ausdauer! Steht mit eurem Körper gegen den äußeren Feind und mit eurer Seele gegen den inneren. (Darjabaadi)          

342. "Felach" فْلِح (Gedeihen, Erfolg) ist hier und an anderen Stellen im weitesten Sinne zu verstehen, sowohl als Erfolg in unseren irdischen Angelegenheiten als auch als geistigen Fortschritt. In beiden Fällen ist Glück und Erfüllung unserer Wünsche impliziert, gereinigt durch die Liebe zu Allah. (Juusuf 'Allii)

 

Einführung zu der  Suura  "Die Frauen"

Diese Suura ist chronologisch eng mit der 3. Suura verbunden. Ihr Gegenstand sind die gesellschaftlichen Probleme, denen die muslimische Gemeinschaft unmittelbar nach Uhud gegenüberstand. Während dieser besondere Anlass höchste Dringlichkeit erforderlich machte, haben die hier festgelegten Grundsätze dauerhaft die muslimische Gesetzgebung und das soziale Verhalten bestimmt.

Im wesentlichen besteht diese Suura aus zwei Teilen:

1) dem, der sich mit Frauen, Waisen, Erbschaft, Eheschließung und Familienrecht im allgemeinen befasst, und  2)dem, der von den Widerspenstigen in der großen Familie der Gemeinschaft von Medina handelt, nämlich von den Heuchlern und ihresgleichen.

Zusammenfassung: Die Suura beginnt mit einem Aufruf zur Solidarität der Menschheit, den Rechten der Frauen und Waisen und den Implikationen familiärer Bindung einschließlich der gerechten Verteilung des Erbes nach dem Tod (Ajas 1-14).

Während die Anstandsformen des Familienlebens zur Geltung gebracht werden sollten, müssen Frauen respektiert und ihre Rechte bezüglich Ehe, Eigentum und Erbschaft anerkannt werden; dieser Grundsatz der Güte und Gerechtigkeit muss auf alle Lebewesen, große wie kleine, ausgedehnt werden. (Ajas 15-42).

Die Bevölkerungsgruppen in Medina, die noch nicht der muslimischen Gemeinschaft angehören, sollten nicht falschen Gottheiten nachlaufen, sondern die Autorität des Gesandten Allahs, Allahs Friede und Segen auf ihm, anerkennen und ihm folgen. Damit wird es ihr Privileg, einer großen und siegreichen Gemeinschaft zugerechnet zu werden (Ajas 43-70).

Die Mu’mins sollen sich zur Selbstverteidigung gegen ihre Feinde organisieren und sich vor den heim­lichen Verschwörungen und Machenschaften der Heuchler hüten; wie Verräter behandelt werden sollten (Ajas 71-91).

Warnung davor, unberechtigterweise zu töten; Empfehlung, Orte zu verlassen, wo man dem Islam feindlich gegenübersteht; religiöse Pflichten während kriegerischer Auseinandersetzungen (Ajas 92-104).

Verrat und die Verlockungen des Bösen (Ajas 105- 126).

Gerechte Behandlung von Frauen und Waisen; Imaan muss Gerechtigkeit. Aufrichtigkeit und Zurückhaltung beim Sprechen zur Folge haben (Ajas 127-152).

Wie das Volk der Schrift, von wenigen Ausnahmen abgesehen, immer wieder in die Irre geht. (Ajas 153-176). (Juusuf 'Allii)

 

Die Frauen

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.

1. O ihr Menschen! Fürchtet euren Herrn, Der euch aus einem einzigen Wesen1 erschafft hat, und aus ihm er­schuf er seine Gattin, und aus beiden ließ er viele Männer und Frauen (sich auf Erden) ausbreiten. So fürchtet Allah, in Dessen Namen ihr einander ersucht2 und wahret die Verwandtschaftsbanden3 (fest). Wahrlich, Allah wacht stets über euch.

1. "Nafs" نَّفْس wird übersetzt mit 1. Seele, 2. Selbst, 3. Person, lebende Person, 4. Wille.

"minhaa" مِنْهَا (von ihr): hier folge ich der von Imam Rasi vorgeschlagenen Konstruktion. Dieses "min"(von) hier würde dann nicht bedeuten "Teil von einem ganzen" oder "von etwas herstammend", sondern Spezies, Natur, Gleichheit. Das Pronomen "ha" bezieht sich natürlich auf Nafs. Die biblische Geschichte von der Erschaffung Hawas aus Adems, Allahs Segen und Frieden auf ihm, Rippe mag allegorisch sein, wir brauchen sie aber nicht als für die Lehre des Qur’an relevant anzusehen. (Juusuf 'Allii)

Durch die Lehre von der grundlegenden Einheit der Menschheit wird jede Vorstellung von "Klassen", die zwischen den Menschen Barrieren bilden, hinweggeräumt (Darjabaadi)

Von den vielen verschiedenen Bedeutungen des Begriffes Nefs wählen die meisten klassischen Kommentatoren .,menschliches Wesen" und nehmen an, dass er sich hier auf Adam bezieht. Muchammed' Abduh lehnt jedoch diese Interpretation ab (Manar IV, 323ft) und zieht stattdessen "Menschengeschlecht", "Menschheit" vor, da dieser Begriff den gemeinsamen Ursprung und die Brüderlichkeit der Menschheit hervorhebt (was zweifellos die Absicht des obigen Ajas ist, ohne ihn gleichzeitig ungewollt mit dem biblischen Bericht von der Erschaffung Adems und Hawas zu verbinden. Wenn ich Nefs mit "lebendige Wesenheit" übersetze, geschieht dies aufgrund der gleichen Argumentation. Was den Begriff "ihren Partner" betrifft, so ist anzumerken, dass sich in Verbindung mit Lebewesen der Begriff  "Paar", "einer von einem Paar oder "Partner" sowohl auf die männ1iche als auch auf die weibliche Komponente des Paares bezieht. Auf Menschen bezogen bezeichnet er den Partner einer Frau (Ehemann) ebenso wie die Partnerin eines Mannes (Ehefrau). Abu Muslim -nach einem Zitat bei RasI -interpretiert den Satz "Er erschuf von ihr Gegenstück": "Er erschuf ihren Partner (d.h. ihr sexuelles Gegenstück) von ihrer eigenen Art" und stützt damit die oben zitierte Ansicht von Muchammed 'Abduh. Die wörtliche Übersetzung von "minha" als "von ihr" verweist in Übereinstimmung mit dem Text eindeutig auf die biologische Tatsache, dass beide Geschlechter aus "einer einzigen lebenden Wesenheit "hervorgegangen sind." ( Asad )

Die Anrede ist an "die Menschen" als solche gerichtet, um sie zu ihrem Herren zurückzuführen "der sie erschaffen hat", und erschaffen hat er sie "aus einem einzigen Wesen". Diese einfachen Aussagen enthalten tief greifende und wichtige Wahrheiten:

1) Sie erinnern die Menschen alle erst an ihren Ursprung, um sie zu ihrem Schöpfer zurückzuführen, Der sie auf dieser Erde sich entwickeln ließ. Wenn die Menschen diese Tatsache vergessen, vergessen sie alles und ihr ganzes Dasein verliert seine Aufrichtigkeit.

2) Ebenso offenbaren diese Aussagen, dass diese Menschheit, die aus einem einzigen Schöpferwillen hervor geht, in einer Verwandtschaft zueinander steht, durch enge Bande miteinander verbunden ist, der gleichen Wurzel entstammt und so die gleiche Abstammung besitzt. Wenn sich die Menschheit daran erinnert, werden all die ehedem unbekannten Unterschiede. die erst später entstanden sind, aus ihrem Empfinden schwinden. Und dies wäre eine Garantie dafür, dass die Menschen den Rassenkampf, unter dem sie schließlich selber leiden, endlich aufgeben.

3) Eine weitere Wahrheit beinhaltet dieser Aja: Aus dem einzigen Wesen "schuf Er seinen Partner". Dieser Hinweis, wenn er von der Menschheit richtig verstanden wird, würde ihr die schmerzlichen Irrtümern ersparen, die sie beging, indem sie vom Weibe die unsinnigsten Vorstellungen verbreitete, zum Beispiel die, sie sei die Quelle der Schande und der Unreinheit und die Wurzel des Bösen und des Unglücks. Sie, die naturgemäß und in ihrem Charakter von eben der Art ist, wie das erste Wesen, und die Allah erschuf, um seine Partnerin zu werden, und um aus beiden viele Männer und Frauen hervorzubringen. Somit besteht der Unterschied weder im Ursprung noch in der Naturanlage, sondern allein in den Neigungen und Pflichten.

Der Aja offenbart weiterhin, dass die Basis des menschlichen Lebens die Familie ist. Allah wollte, dass dieser Keim auf Erden aus einer einzigen Familie seinen Anfang nimmt. So erschuf Er zuerst ein einziges Wesen und daraus dessen Partner, so dass eine Familie aus zwei Partnern bestand. Und er ließ aus ihnen viele Männer und Frauen sich ausbreiten. Wenn Allah gewollt hätte, so hätte Er gleich zum Anfang viele Männer und Frauen entstehen lassen und sie miteinander gepaart. So wären dann viele Familien aus ihnen entstanden, die keinerlei Zugehörigkeit zu einander hätten und nicht durch so enge Bande miteinander verbunden wären. (Qutb)

2. Alle unsere gegenseitige Rechte und Pflichten werden auf Allah zurückgeführt. Wir sind Seine Geschöpfe: Sein Wille ist Norm und Maß des Guten, und unsere Pflichten werden nach unserer Übereinstimmung mit Seinem Willen gemessen. Unter uns (Menschenwesen) ergeben sich unsere Rechte und Pflichten aus Allahs Gesetz, dem Rechtsempfinden, das uns von Ihm mitgegeben wurde. (Juusuf 'Allii)

wörtl:  "fürchtet die Verwandtschaftsbande".

Taqwa ist ein gewohntes, im Qur’an oft zitiertes Wort. "Fürchtet die Verwandtschaftsbande" ist ein merkwürdiger Ausdruck, der den Menschen inspirieren soll: Schärft eure Sinne, um sie zu spüren, und um ihre Rechte zu erfassen. Hütet euch, sie zu untergraben oder ihr Unrecht zu tun! (Qutb)

3. Eins der wunderbarsten Geheimnisse unser Natur ist das der Geschlechtlichkeit In seinem Stolz auf seine physische Kraft ist der Mann normalerweise geneigt, die äußerst wichtige Rolle zu vergessen, welche die Frau in der Existenz selbst und in allen gesellschaftlichen Beziehungen spielt, die sich in unserem gemeinsamen menschlichen Leben ergeben. Die Mutter, die uns geboren hat, verdient stets unsere Achtung und Liebe. Die Ehefrau, durch welche wir der Elternschaft teilhaftig werden, verdient unsere Achten und Liebe. Die SexuAlliität, die so sehr unser physisches Leben beherrscht und in so großen Maße unsere emotionale und höhere Natur beeinflusst, verdient nicht Misstrauen, Verachtung oder amüsierte Nachsicht, sondern unsere Ehrfurcht im höchsten Sinne des Wortes. Mit dieser angemessenen Einführung gelangen wir zu einer Diskussion über Frauen, Waisen und Familienbeziehungen. (Juusuf 'Allii)

Arham: PI. von "Mutterleib" oder auch "Verwandtschaft". Das Wort hat einen direkten Bezug zum hohen Status der Mutter und Ehefrau im Islam. Beachte, dass das Wort etymologisch mit Allah (Rachmen) verbunden ist. Die Verwandtschaft wird im Islam als eine der wichtigen gesellschaftlichen Institutionen angesehen (Darjabaadi)

 

2. Und gebt den Waisen ihren Besitz4 und vertauscht nicht das Schlechte gegen das Gute. Und bereichert nicht euren Besitz mit ihrem Besitz. Das ist wahrlich ein schweres Vergehen.

4. Es herrschte bei den Quraisch der Brauch, bis zu zehn oder mehr Frauen zu heiraten. Dies führte oft zu Verarmung, so dass sie zum Besitz der Waisen griffen, die ihrer Obhut anvertraut waren, und ihn zu ihrem eigenen Lebensunterhalt verwendeten. Oder aber sie heirateten diese Waisen Mädchen. um in den Besitz ihres Geldes zu kommen. Dies wird hier untersagt. (Al-Manar)

Hier wird Gerechtigkeit gegenüber Waisen anbefohlen, und drei hauptsächliche Versuchungen, denen ein Vormund ausgesetzt ist. werden besonders erwähnt:

1.Er darf es nicht aufschieben, seinem Mündel dessen gesamten Besitz auszuhändigen. wenn die Zeit gekommen ist, allerdings unter Berücksichtigung von Aja 5 (s.u.).

2. Wenn eine Aufstellung des Eigentums vorliegt, genügt es nicht, dass der Aufstellung technisch Folge geleistet wird: das ausgehändigte Eigentum muss den gleichen Wert wie das übernommene Eigentum haben (das heißt, es ist nicht nur Stück für Stück auszuhändigen, sondern muss auch den gleichen Wert haben).

3. Wo Eigentum gemeinsam verwaltet wird oder verderbliche Waren unvermeidlich aufgezehrt werden müssen. ist bei der Trennung (bzw. Wiedererstattung) strengste Redlichkeit notwendig Siehe auch 2:220. (Juusuf ’Allii)

 

3. Und wenn ihr befürchtet, dass ihr die Waisen nicht gerecht behandeln könnt, dann heiratet Frauen, so wie es euch gut erscheint,5 zwei, drei, oder vier. Doch wenn ihr befürchtet, sie nicht (alle) gleich behandeln zu können, dann (heiratet nur) eine,6 oder jene, die euch gehören.7 Dies kommt dem am nächsten, dass ihr kein Unrecht begeht.

5. Beachte den Konditionalsatz über die Waisen. der die Regeln für das Heiraten einleitet. Dies erinnert uns an den unmittelbaren Anlas der Offenbarung dieses Ajas: Es war nach Uhud, als die muslimische Gemeinschaft sich dem Problem der vielen Witwen. Waisen und Kriegsgefangenen gegenübersah. Das Verhalten ihnen gegenüber sollte gemäß den Prinzipien größter Menschlichkeit und Gleichheit erfolgen. Der Anlass gehört der Vergangenheit an, aber die Prinzipien sind geblieben. Heirate die Waisenmädchen, wenn du ganz sicher bist, dass auf diese Weise ihre Interessen und ihr Eigentum am besten geschützt werden, in vollkommener Gerechtigkeit gegenüber ihnen und deinen eigenen Familienangehörigen, soweit sie vorhanden sind. Wenn nicht, triff andere Maßnahmen für die Waisen. (Juusuf 'Allii)

Eine Bedeutung dieser Worte wird von' A'ischa erklärt. Ihrer Ansicht nach bezieht sich der Aja auf Waisenmädchen, deren Vormund sie wegen ihrer Schönheit oder wegen ihres Reichtums heiraten will, ohne ihnen das ihnen zustehende Brautgeld zu geben (Muslim). Eine weitere Erklärung geben Sa'id ibn Dschubair, Qatäda und andere Nachfolger der Prophetengefährten: in der gleichen Weise, wie du fürchtest, die Interessen der Waisen zu verletzen, achte auf die Interessen deiner Ehefrauen. Du darfst vier Frauen heiraten unter der Bedingung, dass alle von ihnen gerecht behandelt werden. Maulana Islahi hat eine andere Erklärung. Er hält es für falsch, das Wort "Al-Jatamaa" الْيَتَامَى als " Waisenmädchen" zu verstehen. Seine Interpretation ist folgende: Wenn du fürchtest, dich den Waisen gegenüber nicht gerecht verhalten zu können, wird das Problem dadurch praktisch gelöst, dass du ihre Mütter heiratest, mit deren Hilfe du dann in der Lage bist, auf schöne und gerechte Weise ihre Interessen zu schützen. (Siddiqi)

6. Die unbegrenzte Anzahl von Ehefrauen aus der, "Zeit der Unwissenheit" wird hier auf eine Höchstzahl von vier begrenzt, vorausgesetzt, dass alle mit völliger Gleichheit behandelt werden können, sowohl in materiellen Dingen als auch bezüglich Zuneigung und immaterielle Dingen. Da diese Bedingung äußerst schwierig zu erfüllen ist, verstehe ich den Aja als Empfehlung der Einehe. (Juusuf ’Allii)

Die Monogamie ist das Ideal; Polygamie ist lediglich erlaubt, um größere soziale Missstände zu verhüten. Diese oft zitierten Heiratsvorschriften sollen nicht die Polygamie einführen, sondern sie begrenzen. (Darjabaadi)

Der Islam ist ein realistisches System, das der Natur und den Bedürfnissen des Menschen angepasst ist. Er kümmert sich um die Moral des einzelnen Menschen und die der ganzen Gesellschaft. Er erlaubt nicht, dass sich eine materielle Welt aufbaut, die zum Zerfall der Moral führt, wenn diese mit den realen Gegebenheiten zusammenstößt. Wenn wir diese grundlegende Eigenschaft des islamischen Systems in Bezug auf die Mehrere akzeptieren, so sehen wir, dass es in vielen Gesellschaftssystemen, heute und früher tatsächliche Fälle gibt, in denen die Zahl der ehefähigen Frauen die der Männer bei weitem übersteigt. Soweit uns aus der Geschichte bekannt, überstieg diese Ungleichheit jedoch niemals das Verhältnis eins zu vier.

Wie können wir dieser Tatsache begegnen, die sich immer wiederholt, und die zu leugnen uns nichts nützt? Es muss ein System geben, mit dem dagegen vorgegangen werden kann. Wir sehen dafür drei Möglichkeiten:

1.) Ein Mann heiratet eine Frau, wobei eine oder mehr Frauen im heiratsfähigen Alter ohne Ehe bleiben.

2.) Jeder Mann geht eine rechtmäßige Ehe und unterhält daneben Verhältnisse mit einer oder mehr Frauen, die keinen Mann finden.

3.) Die heiratsfähigen Männer -alle oder einige von ihnen -heiraten mehr als eine Frau, so dass diese als achtbare Ehefrauen, und nicht als Geliebte leben.

Die erste Möglichkeit ist gegen die Natur und in Bezug auf die Frauen geht sie über das Erträgliche hinaus. Wenn sie auch ohne den Mann ihren Lebensunterhalt verdienen können -aufgrund ihres natürlichen Verlangens nach einem normalen Leben kann sie ihn doch nicht entbehren.

Die zweite Möglichkeit ist gegen die moralisch einwandfreie Richtung, die der Islam einschlägt und gegen die Würde der Frau.

Die dritte Möglichkeit ist die, die der Islam wählt. Er wählt sie als eine eingeschränkte Erlaubnis, um einer Tatsache zu begegnen, die nur mit Schulterzucken nicht zu beheben ist. (Qutb)

7. Wörtl. "die eure Rechte besitzt"- d.h. Kriegsgefangene aus einem Krieg für Allahs Sache. Es liegt auf der Hand, dass der Ausdruck, ,zwei, drei oder vier; wenn ihr aber fürchtet..." usw. sich sowohl auf die im ersten Teil des Satzes genannten freien Frauen als auch auf Sklavinnen bezieht -denn beide Nomina gehören zu dem Verb "heiratet'. Deswegen hat der gesamte Satz folgende Bedeutung: "Heiratet von (anderen) Frauen solche, die euch erlaubt sind, oder (auch von den) Sklavinnen, die ihr besitzt -(auch) zwei, drei oder vier; wenn ihr aber befürchten müsst, sie nicht gerecht zu behandeln, dann (nur) eine" -was besagt, dass die Anzahl der Ehefrauen, ungeachtet ob es sich um freie Frauen oder Sklavinnen handelt, vier nicht überschreiten darf. In diesem Sinne verstand Muchamrned Abduh den Aja (Manar IV, 350). Außerdem wird diese Deutung von Aja 25 dieser Suura gestützt sowie von 24:32, wo von Heirat mit Sklavinnen gesprochen wird. Entgegen der volkstümlichen Ansicht und der Praxis vieler Muslime in vergangenen Jahrhunderten legitimiert weder der Qur’an noch das Lebensbeispiel des Propheten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, sexuellen Umgang mit Sklavinnen außerhalb der Ehe. (Asad)

Wenn ein Muslim die Kosten der Heirat mit einer freien Frau nicht bestreiten kann, dann bleibt für ihn die Möglichkeit, eine Sklavin zu heiraten (vgl. auch 4:25). Es ist zu beachten, dass es nicht erlaubt ist, Verwandte einer Sklavin zu heiraten, die den verbotenen Verwandtschaftsgraden angehören; z.B. kann man nicht die Mutter, Tochter oder Schwester einer Sklavin heiraten, ganz analog zu freien Frauen. Nach der Geburt eines Kindes verbessert sich der Status der Sklavin. Ihr Kind genießt die gleichen Rechte wie die Kinder ihres Mannes und seiner freien Frauen, und beim Tode ihres Mannes erhält sie automatisch den Status einer freien Frau. (Siddiqi)

 

4. Und gebt den Frauen ihre Brautgabe8 als Geschenk9. Doch wenn sie euch etwas davon freiwillig erlassen,10 dann genießt es als etwas Bekömmliches und Erfreuliches.

8. Die Brautgabe gehört der Braut und nicht etwa ihren Eltern, denn ihr allein steht sie zu. Sie hat keinerlei Beziehung zu der Unsitte des "Frauenkaufs" die wir im vorislamischen Arabien und bei sehr vielen anderen Völkern bis in die neueste Zeit hinein antreffen. (Siddiqi)

Dieser Aja gibt der Frau eindeutig das Recht, über ihre Brautgabe persönlich zu verfügen, nach dem es ihr in vorislamischer Zeit auf verschiedenen Weisen vorenthalten worden war. So bekam beispielsweise ihr Vormund diese Brautgabe für sich selbst, als ob er eine Ware zu verkaufen hätte, deren Eigentümer er war, oder sie wurde im Tausch gegen eine andere Frau hergegeben. Der Islam verbot diese und andere Praktiken und machte die Heirat zu einer Vereinigung von zwei Seelen in Harmonie und Übereinstimmung. Und mit diesem Beschluss gab er der Frau das Recht über sich selbst und über ihren Besitz, ihre Würde und ihre gesellschaftliche Stellung zurück. (Qutb)

9. Das heißt, freudig und bereitwillig, als freies Geschenk. (Darjabaadi)

Bereitwillig aus eigenem Antrieb, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten (Samachsari).

Zu beachten ist, dass die Höhe der Brautgabe nicht vom Gesetz vorgeschrieben ist, sondern von der Übereinkunft der beiden Parteien abhängt. Einigen authentischen Überlieferungen zufolge hat der Prophet, Allahs Frieden und Segen auf ihm, erklärt, dass "selbst ein eiserner Ring" genügt, wenn die Braut bereit ist, ihn anzunehmen, oder sonst sogar "dass du deine Braut einen Aja aus dem Qur’an lehrst." (Asad)

10. Das heißt ohne jeden Druck oder Einfluss von dritter Seite. (Darjabaadi)

 

5.Und gebt nicht den Unmündigen,11 euren Besitz,12 den Allah euch zu (ihrem) Unterhalt13 anvertraut hat, sondern ernährt und kleidet sie daraus und sprecht zu ihnen auf geziemende Weise.

11. Dies bezieht sich auf die Waisen, jedoch ist die Formulierung ganz allgemein. Eigentum ist nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Verantwortung verbunden. Der Eigentümer kann damit nicht absolut tun, was ihm gefällt, sondern seine Rechte werden durch das Wohl der Gemeinschaft eingeschränkt, der er angehört, und wenn er nicht in der Lage ist, dieses zu begreifen, muss ihm das Verfügungsrecht entzogen werden. Dies bedeutet nicht, dass er misshandelt werden soll. Im Gegenteil, seine Interessen müssen geschützt werden, und er muss wegen seiner Unfähigkeit mit besonderer Freundlichkeit behandelt werden. (Juusuf 'Allii)

12. Euren Besitz oder euer Eigentum: letztendlich gehört das Eigentum der Gemeinschaft und ist für euren -der Gemeinschaft -Unterhalt bestimmt. Ein einzelner Mensch hat die Treuhandschaft dafür. Wenn er dazu nicht in der Lage ist, wird er auf freundliche und rücksichtsvolle Weise beiseite gesetzt. Während seine Unfähigkeit fortdauert, ruht die Verantwor­tung auf dem Vormund noch schwerer als auf dem eigentlichen Eigentümer, denn er darf selbst keine Gewinne davon nehmen, es sei denn, er wäre arm, und in diesem Fall darf die Entschädigung für seine Mühe nicht das Maß des Gerechten und Vernünftigen übersteigen. (Juusuf 'Allii)

13. In dem hier verwendeten Wort "qijam" قِيَاماً  liegt der Hinweis, dass der Vormund den Besitz in gewinnbringende Geschäfte investieren sollte, so dass er sich selbst unterhalten und die Kosten für sein Mündel bestreiten kann. (Siddiqi)

 

6. Und prüft die Waisen, wenn sie das heiratsfähige Alter erreicht haben.14 Und wenn ihr feststellt, dass sie mündig sind, dann händigt ihnen ihren Besitz aus. Und zehrt ihn nicht verschwende­risch und in Eile auf, bevor sie herange­wachsen sind.15 Und wer reich ist, soll sich ganz enthalten. Und wer arm ist, der nehme davon was angemessen ist.16 Und wenn ihr ihnen ihren Besitz aushändigt, dann lasst es vor ihnen bezeugen.17 Doch Allah ist ein trefflicher (Wächter), der euch zu Rechenschaft ziehen wird.

14. Das heiratsfähige Alter ist gleichbedeutend mit der Volljährigkeit. (Juusuf 'Allii)

Mit anderen Worten: "Wenn sie ihre Reife erreichen, beobachtet sie und prüft ihre Intelligenz, um festzustellen, wie weit sie in der Lage sind, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln." (Mauduudi)

15 Das heißt, wenn du sie schnell zur Volljährigkeit heranwachsen siehst, gib nicht eilig das Erbe der Waise aus, weil es ja bald ausgehändigt werden muss. Hiermit wird der Vormund vor Missbrauch und Unterschlagung aller Art gewarnt. (Darjabaadi)

16. Das heißt, nicht mehr als einen angemessenen Ausgleich für seine Mühe. (Darjabaadi)

Der Aja zeigt detailliert alle Schritte auf, mit denen eine Waise bei Erreichen der Volljährigkeit ihren Besitz übernimmt, aber auch die damit verbundene größere Verpflichtung. (Qutb)

17. Das Eigentum der Waisen muss ihnen in Anwesenheit zuverlässiger Zeugen übergeben werden, wodurch die Übertragung formal legalisiert ist. (Siddiqi)

Es ist gut, Menschen als Zeuge zu nehmen, wenn man anvertrautes Gut aushändigt. Bedenke jedoch, dass, wie gründlich du auch immer mit deiner Abrechnung deine Mitmenschen zufrieden stellst, Allah eine strengere Abrechnung von dir fordern wird. Um vor Allah gerecht zu sein, musst du diesen strengeren Normen genügen. (Juusuf 'Allii)

 

7. Den Männern steht ein Anteil an dem zu, was die Eltern und die nächsten Verwandten hinterlassen. Und den Frauen steht ein Anteil an dem zu, was die Eltern und die nächsten Verwandten hinterlassen, sei es wenig oder viel ­ein festgesetzter Anteil.18

18. Dies ist der Grundsatz, mit dem der Islam vor vierzehn Jahrhunderten der Frau grundsätzlich ein Recht auf Erbschaft gegeben und auch die Rechte der Minderjährigen beachtet hat, die in vorislamischer Zeit untergraben worden waren. Damals sah man den Menschen je nach seinem Wert im Krieg und seinem Nutzen für die Produktivität. Der Islam aber sieht in ihm zuallererst den "Menschen" und dies ist in jedem Fall die Basis seines Wertes. (Qutb)

Von diesem Aja werden fünf Erbschaftsregel abgeleitet:

1) dass sowohl Männer als auch Frauen Anteil haben;

2) dass die Erbschaft unter allen Erben verteilt werden muss, wie geringfügig sie auch sein mag; jedoch kann ein Erbe nach gegenseitiger Absprache die Anteile anderer Erben erwerben;

3) das Gesetz bezieht sich auf Eigentum aller Art, übertrag­bares wie nicht übertragbares, landwirtschaftliches oder industrielles und so weiter;

4) wird das Recht auf Erbschaft erst wirksam, wenn der Verstorbene Eigentum hinterlässt;

5)wird deutlich, dass sich das Erbrecht in erster Linie auf die nächsten Verwandten bezieht. (Mauduudi)

Das islamische Erbrecht ist ein Meilenstein in der Geschichte legaler und gesellschaftlicher Reformen. Im vorislamischen Arabien hatten Frauen aller Altersgruppen sowie minderjährige Jungen überhaupt keinen Anteil am Erbe ihres Ehemannes oder Vaters, nach dem Prinzip, dass nur waffenfähige Männer auch erbfähig seien. Ehefrauen, Töchter und Schwestern waren somit grundsätzlich ausgeschlossen, auch minderjährige Söhne und Brüder. Das Hauptprinzip des islamischen Erbschaftsgesetzes ist es, das Eigentum unter alle nahen Verwandten zu verteilen und nicht in der Hand des ältesten Sohnes zu konzentrieren -eine weise und effektive Maßnahme zur Eindämmung des Kapitalismus. (Darjabaadi)

 

8. Und wenn bei der Aufteilung andere Verwandte19 oder Waisen und Bedürftige anwesend sind, dann beschenkt sie daraus20 und sprecht zu ihnen auf geziemende Weise.

19. Das heißt, Leute, die keinen gesetzlichen Erbanspruch haben, trotzdem aber berücksichtigt werden sollten. (Asad)

20. Also vom Erbanteil der Erwachsenen. Es ist nicht erlaubt, vom Anteil Minderjähriger zu geben. Diese Aufforderung ist lediglich eine Empfehlung, keine Verpflichtung. (Darjabaadi)

 

9. Und diejenigen sollen sich in Acht nehmen, die, wenn sie selbst schwache Nachkommenschaft hinterlassen würden, um diese doch auch besorgt wären.21 Darum sollen sie Allah fürchten und ein rechtes Wort sprechen.

21. Hier werden die Gefühle der Eltern angesprochen, die selbst kleine Kinder haben, mit der Vorstellung, ihre eigenen schwachen Nachkommen könnten ungeschützt und unversorgt bleiben, ohne jemanden, der Erbannen mit ihnen hat und sie schützt. Auf diese Weise soll ihre Sympathie mit den Waisen geweckt werden, die ihrer Obhut anvertraut sind. (Qutb)

 

10. Wahrlich, diejenigen, die den Besitz der Waisen zu Unrecht aufzehren, gewiss schlingen sie Feuer in ihre Bäuche hinein. Sie werden der Feuerglut ausgesetzt.22

22.Ata ibn As Sa'ib überliefert von Sa'id ibn dschabr, dass ibn 'Abbas sagte: "Als die Offenbarung kam: ,wer den Besitz der Waise aufzehrt...', beeilte sich jeder, der eine Waise bei sich hatte, und trennte ihre Speise von seiner Speise und ihren Trank von seinem Trank, und was daraus übrig blieb ließ er solange stehen, bis sie es verzehrte oder es verdarb. Dies wurde schließlich unerträglich, und man erwähnte es dem Propheten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, gegenüber, woraufhin Allah den Aja offenbarte: ,Und sie werden dich über die Waise befragen...' (Suura 2:220). Seitdem vermischte er seine Speise mit ihrer Speise und sein Getränk mit ihrem Getränk." (Qutb)

 

Abschnitt 2

11. Allah schreibt euch hinsichtlich eurer Kinder vor: Der männliche (Erbe) soll so viel wie den Anteil von zwei weiblichen (Erben) erhalten.23 Und wenn es sich um weibliche (Erben) handelt, zwei oder mehr, dann sollen sie zwei Drittel der Hinterlassenschaft erhalten. Und wenn es nur eine Erbin gibt, dann gehört ihr eine Hälfte.24 Und für die Eltern ist je ein Sechstel des Erbes (bestimmt), wenn der Verstorbene Nachkommen hat. Und wenn er keine Nachkommen hat und die Eltern sind die (einzigen) Erben, dann ist für die Mutter ein Drittel. Und wenn er Geschwister hat, dann ist für die Mutter ein Sechstel (festgesetzt) nach Abzug (aller) Vermächtnisse oder Schulden.25 Eure Eltern und eure Kinder -ihr wisst nicht, welche von ihnen euch an Nutzen am nächsten sind. Dies ist eine Vorschrift von Allah. Und Wahrlich, Allah ist allwissend, allweise.26

23. Im Qur’an werden die Grundsätze des Erbgesetzes in groben Zügen dargelegt. Die genauen Details wurden aufgrund der Praxis des Propheten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, und seiner Gefährten ausgearbeitet sowie durch Interpretation und Analogie. Muslimische Juristen haben auf diesem Gebiet sehr viel Stoff gesammelt, und dieses Teilgebiet des Gesetzes genügt als Objekt lebenslanger Studien. Wir werden uns hier nur mit den allgemeinen Prinzipien befassen, die aus dem Text zu ersehen sind.

1) testamentarisch kann nur über ein Drittel des Eigentums verfügt werden; die übrigen zwei Drittel sind, wie festgelegt, unter die Erben zu verteilen.

2)Die Verteilung findet statt, nachdem Legate und Schulden (auch Beerdigungskosten) bezahlt worden sind.

3) Legate zugunsten eines in der Aufzählung erwähnten Erbberechtigten können nicht gemacht werden; das würde zu einer Konfusion des ganzen Systems und Bevorzugung eines Erben vor den anderen führen.

4)Im allgemeinen -aber nicht immer -bekommt ein männlicher Erbe einen doppelt so großen Anteil wie ein weiblicher der gleichen Kategorie. (Juusuf 'Allii)

Hierbei handelt es sich nicht um eine Bevorzugung des einen Geschlechtes vor dem anderen, sondern es geht darum, Gleichheit und Gerechtigkeit bei der Belastung der Männer und der Belastung der Frauen bei der Familienbildung und der Schaffung einer islamischen Gesellschaftsstruktur herzustellen. Denn wenn ein Mann eine Frau heiratet, muss er unter allen Umständen für ihren Lebensunterhalt und ihrer Kinder aufkommen, egal ob sie mit ihm zusammen -oder getrennt lebt. Sie aber hat entweder allein für sich zu sorgen, oder dies wird von einem Mann, vor oder nach der Heirat, übernommen, während sie davon befreit ist, für den Mann und die Kinder zu sorgen. Die Belastung des Mannes ist demnach doppelt so groß wie die der Frau. Gerechtigkeit und Ausgewogenheit zwischen Verlust und Profit sind aus dieser weisen Verteilung ersichtlich. (Qutb)

24. Auf den ersten Blick scheinen die arabische Worte zu bedeuten: "wenn mehr als zwei Töchter (vorhanden sind)". Die Alternative im nächsten Teilsatz heißt jedoch "wenn nur eine Tochter (vorhanden ist)." Logischerweise muss der erste Teilsatz demnach übersetzt werden: "wenn Töchter (vorhanden sind), zwei oder mehr..." Dies ist die allgemeine Interpretation, die in Aja 176 am Ende dieser Suura ergänzt und bestätigt wird. (Juusuf 'Allii)

25. Hierein zählen auch Beerdigungskosten. Ein Abzug von diesen Kosten sowie Legaten und Schulden muss in jedem Fall der Erbteilung vorausgehen. (Darjabaadi)

Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass im Qur’an Legate vor den Schulden genannt werden. Hier sollen einige aufgezählt werden. Legate werden zugunsten der Armen und Bedürftigen aus eigenem Antrieb gemacht, um damit die Liebe zu Allah zu beweisen, während Schulden bezahlt werden müssen, wozu nach dem Tod eines Menschen seine Erben gezwungen werden können; von daher der Vorzug von Legaten gegenüber Schulden. Außerdem ist ein Legat eine Anweisung zur Zahlung an würdige Personen ohne den Gedanken, selbst einen Nutzen davon zu haben, während es sich bei Schulden um die Rückzahlung von Geldern handelt, von denen man bereits Nutzen hatte, weswegen der Schuldner verpflichtet ist, die Schulden zu bezahlen. Ein Testament zu machen bedeutet ein größeres Opfer für den Testator als die Zahlung von Schulden (Imam Saukani: Fath-ul-Qadir, Bd. I). (Siddiqi)

Die Legate werden gemacht, um in manchen Fällen Abhilfe zu schaffen, in denen Angehörige vom Erbe ausgeschlossen sind, weil andere vorrangig sind. Diese könnten bedürftig sein, oder es könnte im Interesse der Familie liegen, den Zusammen­halt zwischen ihnen und den Erben zu stärken, und jeden Grund zur Eifersucht, Neid oder Streit auszuschließen. Für die Erben selbst gibt es keine Legate. Darüber hinaus dürfen solche Legate nicht das dafür vorgesehene Drittel der Erbschaft überschreiten, um zu garantieren, dass der Erblasser den Erben keinen Schaden zufügt. (Qutb)

26. Es gibt Leute, deren elterliche Gefühle sie dazu bewegen, die Kinder vor den Eltern zu bevorzugen, da die angeborene Neigung gegenüber den Kindern größer ist. Und es gibt welche die gegen diese Neigung mit dem Gefühl der moralischen Verpflichtung angehen wollen um darum umgekehrt die Eltern bevorzugen. Wieder andere werden ständig zwischen Neigung und moralischer Verpflichtung hin und her gerissen. So wollte Allah, dass Ruhe und Zufriedenheit in die Herzen einkehrt durch die Ergebung in Seinen Willen und Seine Bestimmung und durch das Gefühl, dass das Wissen allein bei Allah liegt, während sie nicht wissen können, wer von ihren Verwandten oder welche Aufteilung eher zu ihrem Nutzen ist. (Qutb)

 

12. Und euch gehört eine Hälfte von dem, was eure Frauen hinterlassen, wenn sie keine Nachkommen haben. Und wenn sie Nachkommen haben, dann gehört euch ein Viertel von ihrer Hinterlassen­schaft nach Abzug (aller) Vermächtnisse oder Schulden.27 Und ihnen (euren Frauen) gehört ein viertel von dem, was ihr hinterlasst, wenn ihr kein Kind habt. Und wenn ihr ein Kind habt, dann gehört ihnen ein Achtel von dem, was ihr hinterlasst nach Abzug (aller) Vermächtnisse oder Schulden. Und wenn es ein Mann oder eine Frau ohne erbberech­tigte Eltern oder Kinder28 ist, und er (oder sie) hat einen Bruder oder eine Schwester,29 dann gehört jedem von ihnen beiden ein Sechstel. Sind es jedoch mehr als dies, dann teilen sie sich (alle)30 in ein Drittel (des Erbes) nach Abzug (aller) Vermächtnisse oder Schulden, damit keinem Erben ein Nachteil entsteht.31 Dies ist eine Bestim­mung von Allah. Und Allah ist wissend, nachsichtig.

27. Während im vorigen Aja die Anteile von

a) Kindern und

b) Eltern behandelt wurden, geht es hier um die Anteile von

c) Ehemann oder Ehefrau des Verstorbenen und

d) Seitenverwandte. Überlebende Kinder und Eltern haben immer einen Anteil, der aber von der Existenz und Anzahl weiterer Erben in dieser Kategorie abhängt. Der Ehemann erhält die Hälfte vom Eigentum seiner Frau, wenn sie kein Kind hinterlässt, der Rest geht an die übrigen Verwandten; wenn sie ein Kind hinterlä8t, bekommt der Mann nur ein Viertel. Entsprechend der Regel, dass der Anteil der Frauen der Hälfte des Anteils der Männer entspricht, bekommt die Witwe ein Viertel des Eigentums ihres Mannes, wenn er keine Kinder hinterlä8t, sonst ein Achtel. Wenn mehr als eine Witwe vorhanden ist beträgt ihr kollektiver Anteil ein Viertel bzw. ein Achtel, den sie gleichmäßig unter sich aufteilen. (Juusuf ’Allii)

Das gilt, wenn ein Kind vorhanden ist oder mehr als eins, männlich oder weiblich, vom verstorbenen Ehepartner oder einem vorigen. Übrigens ist anzumerken, dass das Brautgeld zu den Schulden zählt und vor der Erbteilung bezahlt werden muss. (Siddiqi)

28. Das arabische Wort ist "Kalaalat" كَلاَلَة; es wurde jedoch zu Lebzeiten des Propheten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, niemals genau definiert, so wie auch einige andere Begriffe. Nach der gängigen Definition geht es um das Erbe von Personen, die weder Nachkommen noch Vorfahren (wie entfernt verwandt auch immer) hinterlassen, nur Seitenverwandte, mit oder ohne Witwe bzw. Witwer. Ist eine Witwe bzw. ein Witwer vorhanden, dann bekommt sie bzw. er den festgelegten Anteil, bevor die Reihe an die Seitenverwandten kommt. (Juusuf 'Allii)

29. Bruder oder Schwester bedeutet hier Bruder oder Schwester von der gleichen Mutter aber nicht vom gleichen Vater, im Gegensatz zu Vollgeschwistern oder Brüdern und Schwestern mit dem gleichen Vater. aber verschiedenen Müttern, von denen im letzen Aja dieser Suura die Rede ist. (Juusuf 'Allii)

30. Die Gleichheit der Anteile von Männern und Frauen bildet eine Ausnahme zu der allgemeinen Regel, einem Mann doppelt so viel zu geben wie einer Frau. ,Wo Eltern und Geschwister nur Anspruch auf einen kleinen Anteil am Erbe haben,' schreibt ein christlicher Autor über das islamische Gesetz, ,ist dieser Anteil für alle ohne Geschlechtsunterschied gleich.' (Darjabaadi)

31. Schulden (und vor allem Beerdigungskosten) und Legate werden zuerst vom Vermögen des Verstorbenen abgezogen, bevor die Verteilung stattfindet. Aber in allen Dingen sollte Gleichheit und Gerechtigkeit gewahrt werden, so dass niemandes Interessen geschädigt werden. Deshalb sollten sich Beerdigungskosten im Rahmen halten. Schulden müssen echt sein und nicht rücksichtslos, und die Anteile müssen auf faire Weise errechnet werden. (Juusuf 'Allii)

Falls die Erbmasse die Schulden nicht deckt, werden diese vom Staat übernommen. (Anm. d. Übers.)

In Fällen, wo gesetzliche Erben vorhanden waren, verbot einigen authentischen Überlieferungen zufolge der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, Legate zugunsten Dritter über ein Drittel des Vermögens hinaus (Bucharii und Muslim). Sind jedoch keine nahen Verwandten erbberechtigt, kann der Testator über sein Vermögen frei verfügen. (Asad)

 

13. Dies sind die Schranken Allahs. Und wer Allah und seinem Gesandten gehorcht, den lässt Er in Paradiesgärten eingehen, durch die Ströme fließen.32 Dort werden sie (ewig) verweilen. Das ist die höchste Glückseligkeit.33

32. Wörtlich: unter denen Ströme fließen. (Anm. d. Übers.)

33. Glückseligkeit. Gewinn. Errettung. Das ist unsere Auffassung von der Errettung: Die Erlösung von allem, was Schlechtes zur Folge haben kann und das Streben nach und Erlangen von allem Erdenklichen, was unsere Herzen sich irgend ersehnen mögen -ja sogar noch mehr als das -. Denn die Gnade Allahs übertrifft alles, was unsere Augen sehen oder unsere Ohren hören können oder unser Vorstellungsvermögen sich ausmahlen kann. (Juusuf ’Allii).

 

14. Doch wer sich Allah und Seinem Gesandten widersetzt und Seine Schranken überschreitet,34 den lässt Er ins Feuer eingehen, wo er ewig bleibt. Und ihm wird eine erniedrigende Strafe zuteil.

34. Dies sind die Gesetze und Bestimmungen, die Allah zur Verteilung der Erbschaft entsprechend Seinem Wissen und Seiner Weisheit angeordnet hat, um die familiären Bindungen und die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen in der Gesellschaft zu koordinieren. Und dies sind "Seine Schranken", die Er errichtet hat als ein entscheidendes Kriterium für diese Verhältnisse und als eine Vorschrift bei der Aufteilung der Hinterlassenschaften. Und auf den Gehorsam gegenüber Allah und Seinem Gesandten folgt das Paradies, sowie auf den Ungehorsam die Hölle folgt. (Qutb)

 

Abschnitt 3

15. Und jene von euren Frauen, die eine Abscheulichkeit35 begehen, nehmt vier von euch als Zeugen gegen sie.36 Und wenn (diese) es bezeugen, dann schließt sie in die Häuser ein, bis der Tod sie abberuft oder Allah ihnen einen Ausweg bereitet.37

35. Anfangs wurden die sündigen Frauen von der Gesellschaft isoliert, wenn ihnen eine Schandtat nachgewiesen worden war, und die Männer, die perverse Schandtaten begingen, wurden bestraft. Aber weder die Art noch die Dauer dieser Strafe waren festgelegt. Später wurde für Frauen und Männer die gleiche Strafe festgesetzt, und zwar die: Strafe für Ehebruch, wie sie in Suura "Al-Nuur" erwähnt ist -die Prügelstrafe. Das Ziel all dieser Gesetze ist, die Gesellschaft vor moralischer Verderbnis zu schützen. Und wie bei allen anderen Strafen, garantiert die islamische Gesetzgebung, dass Vergehen und Fehler nicht auf bloße Vermutung oder Verdacht hin zu so schwerwiegenden Strafen führen, die einschneidend in das Leben der Menschen eingreifen. (Qutb)

Die meisten Kommentatoren gehen davon aus, dass sich dies auf Ehebruch bezieht; in diesem Fall schließen sie, dass die Strafe durch den späteren Ajas (Suura 24:2) auf 100 Schläge geändert wurde. Ich gehe jedoch davon aus, dass es sich auf widernatürliche Vergehen unter Frauen bezieht, analog zu widernatürlichen Vergehen unter Männer in 4: 16 (siehe un­ten). denn 

1.ist hier keine Strafe für den Mann vorgesehen, wie es der Fall wäre, wenn ein Mann an dem Vergehen beteiligt wäre, 

2.wird das Wort "Al-Laatii" اللاَّتِي, der rein feminine Plural von "Al-Laatii", hier für die an dem Vergehen Beteiligten benutzt, und

3. ist die Strafe unbestimmt, siehe unten. (Juusuf 'Allii)

36. Um die Ehre der Frauen zu schützen, ist strengere Beweisführung erforderlich, zum Beispiel die Aussage von vier statt der üblichen zwei Zeugen. Das gleiche gilt für Ehebruch (Vergleiche Suura 24:4). (Juusuf 'Allii)

Angesprochen sind hier die Verantwortlichen in der muslimischen Gemeinschaft, nicht Ehemänner oder die Bürger allgemein. (Darjabaadi)

37. "Oder Allah ihnen einen Ausweg bereitet" indem Er ihr sittliches Verhalten oder ihre Strafe ändern lässt. Dies gibt einem das Gefühl, dass dieser Urteilsspruch nicht der letzte sein kann, sondern ein Urteilsspruch für eine gewisse Zeit und für bestimmte Verhältnisse ist, und dass ein anderer zu erwarten sei, der dauernd und beständig sein würde, was auch tatsächlich der Fall war. So wurde er in "Suura 24:2 geändert. Die Vorschriften bezüglich des Nachweises einer Tat bleiben jedoch die gleichen. (Qutb)

Haltet sie zurück, bis eine genaue Anordnung eintrifft. Wer das Vergehen mit Ehebruch identifiziert, ist der Ansicht, dass diese genaue Anordnung (Ausweg) einen endgültigen Urteilsspruch des Propheten, Allahs Friede und Segen auf ihm, infolge einer Offenbarung bedeutet: dies ist dann die Strafe von 100 Schlägen, die in Suura 24:2 erwähnt wird. Wenn wir das Vergehen als ein widernatürliches Vergehen verstehen, können wir davon ausgehen, dass, solange eine genaue Anordnung (Ausweg) nicht vorhanden ist, die Strafe der für die Männer im nächsten Aja entspricht. Diese ist selbst nicht genau bestimmt, vielleicht absichtlich, da dieses Vergehen äußerst schändlich ist und in einer gesunden Gesellschaft unbekannt sein sollte. Die höchste Strafe wäre natürlich Gefangenschaft auf Lebenszeit. (Juusuf 'Allii)

 

16. Und wenn zwei (Männer) unter euch sich schuldig machen,38 dann bestraft sie beide. Doch wenn sie reuevoll um­kehren und sich bessern, dann lasst ab von ihnen. Wahrlich, Allah ist ver­zeihend, barmherzig.

38. Die wahrscheinlichste Erklärung für die Worte "und wenn zwei von euch..." ist die, dass damit zwei Männer gemeint sind, die eine perverse Tat begehen. Und sie ist auch die Erklärung von Mudschahid -Allah schenke ihm Seine Gunst -Ibn Abbas, -Said ibn Dschabir und anderen, die meinen: "...bestraft beide..." bedeutet Beschimpfung, Schmähungen und Schläge mit den Schuhen. "Doch wenn sie reuevoll umkehren und sich bessern..." Reue und Besserung bedeuten, dass sich der Charakter, das Wesen und die gesamte Ausrichtung in Tat und Lebensweise geändert haben. Somit muss die Strafe eingestellt werden. Und Allah ist Derjenige, Der die Strafe vorgeschrieben hat, und Er ist auch Derjenige, Der befiehlt, sie einzustellen. (Qutb)

Der Abscheulichkeit, die im vorangehenden Aja erwähnt wird. Der Begriff „sich schuldig machen“ muss sich nicht unbedingt auf unerlaubten Geschlechtsverkehr beziehen: er bezeichnet alles, was herausfordernd, unziemlich, gemein, unanständig oder abscheulich in Wort und Tat ist (vgl. Lane VI, 2344 ft), und ist keineswegs auf sexuelle Übergriffe beschränkt. In diesem Zusammenhang und in Verbindung mit Suura 24:2 gelesen bezeichnet der Ausdruck hier offensichtlich unmoralisches Verhalten, da notwendigerweise Sina (Ehebruch) sein muss und somit durch aufrichtige Reue getilgt werden kann (im Gegensatz zu nachgewiesenem Ehebruch, der mit Schlägen zu bestrafen ist). -Es ist bemerkenswert, dass in allen Fällen angeblicher sexueller Vergehen der Qur’an die direkte Aussage von vier Augenzeugen fordert (statt der in anderen Fällen üblichen zwei), als conditio sine qua non einer Anklage. Für die dieser Anordnung zugrunde liegenden Gründe und ihre juristischen Implikationen siehe Suura 24:4. (Asad)

 

17. Wahrlich, Verzeihung ist nur bei Allah für diejenigen, die Böses getan haben aus Unwissenheit, dann bald darauf (aber) reuevoll umkehren -und denen gewährt Allah Verzeihung. Und Allah ist wissend, weise.39

39. Aufrichtige Reue hat folgende Elemente:

1.Einsicht im Herzen,

2.Aufgeben der Sünde,

3. die Absicht, sie in Zukunft zu unterlassen,

4. ernsthaft Allah um Vergebung zu bitten.

Sie hat sowohl einen negativen als auch einen positiven Aspekt: eine Abwendung von der Sünde, und eine Zuwendung zu Allah. Einem reumütigen Sünder darf seine Vergangenheit nicht vorgeworfen werden: der Reumütige ist besser als der Sündenlose. (Darjabaadi)

 -zeitlich nah -, bedeutet "sobald das Gute in ihnen die Oberhand gewonnen hat," Wie der Prophet, Allahs Frieden und Segen auf ihm, selbst erklärt hat, bedeutet der Ausdruck hier "vor Eintreffen der Todesstunde." Dies hebt der nächste Aja hervor. (Siddiqi)

Allah stößt Seine schwachen Diener nicht zurück und verbannt sie nicht aus Seiner Barmherzigkeit, wenn sie sich reuevoll zu Ihm wenden, obwohl Er sie nicht braucht und ihre Reue Ihm nichts nützt. Sie nützt jedoch ihnen selbst und schenkt ihrem eigenem Leben Gedeihen und dem Leben der Gesellschaft, der sie angehören, (Qutb)

 

18. Doch denjenigen wird nicht verziehen, die Übles tun, bis einen von ihnen der Tod ereilt40 (und) er spricht: "Wahrlich, jetzt bereue ich!", und denjenigen, die Kaafir sterben.41 Denen haben Wir schmerzliche Strafe bereitet.

40, Beachte die feine Nuance: Eine Sünde mag in Mode sein, und die Menschen begehen sie gemeinsam ununterbrochen. Erst wenn einer von ihnen dem Tod gegenübersteht, bereut er, aber diese Art von Reue ist wertlos. (Juusuf 'Allii)

Diese Reue ist nämlich erzwungene Reue, bei der die Sünde selbst bestehen bleibt. Er bereut lediglich, damit er nicht für seine Sünden bestraft wird. Dies nimmt Allah nicht an, denn mit solcher Reue ist nicht die Absicht zur Wiedergutmachung und Besserung im Leben verbunden, und sie beweist nicht eine erfolgte Charakter- oder Verhaltensänderung. (Qutb)

41. Das arabische Wort "At-Tauba" bedeutet "Umkehr" und "Hinwendung". Wenn jemand seine Sünden bedauert und sich von ihnen abwendet, kann er mit einem entlaufenen Sklaven verglichen werden, der zu seinem Herren zurückkehrt. Wenn der Herr seine Reue annimmt, wendet er sich freundlich zu ihm und vergibt ihm. Dies ist seine "At-Tauba" ("Hinwendung") zu seinem Diener. Die Reue und Umkehr eines Menschen wird nur solange angenommen, wie sie nicht angesichts des nahen Todes geschieht. Es ist deutlich, dass es nach Ablauf dieser Frist keine Möglichkeit mehr gibt, sich von der Sünde abzuwenden. Ebenso wenig ist Umkehr möglich, wenn jemand als Kaafir stirbt und mit eigenen Augen die kommende Welt ganz anders sieht, als er erwartet hatte. (Mauduudi)

 

19. O die ihr den Imaan verinnerlicht habt! Es ist euch nicht erlaubt, Frauen gegen ihren Willen als Erben zu übernehmen42, auch nicht, sie (gegen ihren Willen) festzuhalten, um ihnen einen Teil dessen wegzunehmen, was ihr ihnen gegeben habt,43 außer wenn sie sich einer unsittlichen Tat schuldig gemacht haben44; und lebt mit ihnen in gütlicher ehelicher Gemein­schaft.45 Und wenn sie euch widerwärtig sind, so mag es sein, dass euch etwas widerwärtig ist, in das Allahs viel Gutes legt.46

42. In der vorislamischen Zeit konnte es geschehen, dass wenn einer starb, sein nächster Verwandter kam und seinen Überwurf über die Witwe warf und sie als sein Eigentum betrachtete wie eine Beute. Falls sie hübsch war, heiratete er sie, und wenn sie hässlich war, so hielt er sie fest bis zu ihrem Tod, um sie zu beerben, oder sie musste sich mit Geld loskaufen. (Qutb)

Nach dem Tod ihres Mannes steht es der Witwe frei zu wohnen, wo sie möchte und -nach Ablauf ihrer Wartefrist- zu heiraten, wen sie will. (Mauduudi)

43. Nach einer von Samachsari vertretenen Ansicht bezieht sich dieser Aja darauf, dass ein Mann seine ungeliebte Frau gewaltsam zurückhält und daran hindert, einen anderen Mann zu heiraten, um auf diese Weise entsprechend den in Aja 12 genannten Regelungen ihr Vermögen zu erben.(Asad)

Skrupellose und habgierige Ehemänner in der vorislamischen Zeit tyrannisierten oft ihre Frauen grundlos und sperrten sie ein, um sie damit zu veranlassen, sich von ihren Männern zu trennen, so dass diese sich dann der Brautgabe oder Erbschaft bemächtigen konnten. Diesem Missstand wird hier ein Ende gesetzt. (Darjabaadi)

Der Islam verbietet, Frauen wie Gegenstände oder Vieh als Erbe zu übernehmen, sowie Frauen gewaltsam am Heiraten zu hindern, und gibt der Frau das ihr zustehende Recht, selbst zu wählen, mit wem sie zusammenleben will. (Qutb)

 Auch andere Formen von Gewaltanwendung gegen Frauen waren in vorislamischer Zeit üblich: dass zum Beispiel geschiedene Frauen so lange zurückgehalten und an einer Wiederheirat gehindert wurden, bis sie ihre Brautgabe zurückerstatteten. Alle Arten von unfreundlichem Verhalten sind verboten. (Juusuf ’Allii)

44. Es sei denn, die Frau hätte sich gegen Person oder Eigentum ihres Mannes oder dessen Familie vergangen. In diesem Fall muss sie ihre Brautgabe oder einen Teil davon zurückerstatten, um eine Scheidung zu erlangen, weil sie diese selbst verschuldet hat. (Darjabaadi)

Wenn das ehebrecherische Verhalten der Frau durch die Aussage von vier Augenzeugen bewiesen ist', hat der Ehemann das Recht, bei der Scheidung Rückerstattung des Brautgeldes oder einen Teil davon zu verlangen.

Falls die Brautgabe -wie es im islamischen Recht erlaubt ist -nicht tatsächlich bei der Hochzeit der Braut ausgehändigt wurde, sondern in Form einer gesetzlichen Verpflichtung des Ehemanns vorliegt, ist er bei Nachweis des ehebrecherischen Verhaltens der Frau von dieser Verpflichtung befreit. (Asad)

45. Nachdruck auf Gerechtigkeit, Gutwilligkeit und gute Behandlung der Ehefrau erweist sich so als Wesen des islamischen Ehegesetzes. (Darjabaadi) 

46. Eine großartige Aussage in diesem Zusammenhang ist die von 'Umar ibn AI-Hatab gegenüber einem Mann, der sich von seiner Frau trennen wollte mit der Begründingung, er liebe sie nicht: „O weh! Sind Familien nur auf Liebe gegründet? Und wo bleiben Verantwortung und Verpflichtung?“ (Qutb)

Scheidung ist die allerletzte Maßnahme, die man ergreifen kann, um ein gesellschaftliches Übel zu beheben, aber auch nur dann, wenn es unbedingt notwendig ist. Der Prophet, Allahs Frieden und Segen auf ihm, sagte, dass von allen erlaubten Dingen die Scheidung das ist, was Allah am meisten verabscheut. In einer anderen Überlieferung ermahnt er: „Heiratet, und trennt euch nicht, denn Allah liebt nicht solche Männer und Frauen, die rein aus sexuellem Vergnügen heiraten und sich scheiden lassen.“ (Mauduudi)

 

20. Dann wenn ihr eine Gattin anstelle einer (anderen) Gattin nehmen wollt,47 und ihr habt der einen von ihnen ein (ganzes) Vermögen gegeben, dann nehmt nicht das geringste davon zurück. Wollt ihr es nehmen und (dadurch) Unrecht48 und offenkundige Sünde begehen?

47. Wörtlich: ...anstelle einer (anderen) Gattin einzutauschen wünscht. (Anm. d. Übers.)

Wenn trotz aller Geduld, Freundlichkeit, Versuchens und Hoffens ersichtlich wird, dass das Zusammenleben nicht möglich ist und es zur Trennung kommen muss und eine andere Gattin an die Stelle der Ehefrau tritt, so behält die erste Frau die ihr gegebene Brautgabe und es ist dem Mann nicht erlaubt, auch wenn es eine ungeheure Summe ist, den geringsten Teil davon zurückzunehmen, denn dies wäre ein klares Vergehen. (Qutb)

48. Das heißt, indem ihr sie ungerechtfertigter weise moralischen Fehlverhaltens bezichtigt in der Erwartung, eure Brautgabe zurückzuerhalten. Vergleiche auch Aja 19. (Asad)

 

21. Und wie könnt ihr es zurücknehmen, wo ihr doch eins miteinander wart49 und sie euch ein festes Versprechen abgenommen haben?50

49. Der Ausdruck „eingehen zueinander“, aber auch soviel wie erreichen, ist sehr weit gefasst und hat verschiedene Bedeutungsnuancen. Er beschränkt sich nicht auf den Körper und körperliche Beziehungen, sondern er schließt Zuneigung und Gefühl, emotionales Leben und Phantasie, geheimste Gedanken und Sorgen und Harmonie in jeder Beziehung mit ein. (Qutb)

50. Die eheliche Verbindung ist eine geheiligte Verbindung und ein feierlicher Vertrag, der um jeden Preis respektiert werden muss. (Siddiqi)

 

22. Und heiratet nicht Frauen, die eure Väter geheiratet haben, außer dem, was bereits geschehen ist.51 Wahrlich, das ist etwas Unzüchtiges, Widerwärtiges und ein übler Weg.

51. Wo der Qur’an die Missstände aus der Zeit der Unwissenheit abschafft, beendet er gewöhnlich die entsprechenden Anweisungen mit Worten wie diesen: "Außer dem, was (in der Vergangenheit) geschehen ist." Damit ist zweierlei bezweckt. Erstens soll nichts gegen das unternommen werden, was in Unwissenheit geschehen ist, vorausgesetzt, dass in Zukunft dieser Missstand behoben wird und Fehlverhalten aufgegeben wird, nachdem entsprechende Anordnungen gekommen sind. Zweitens soll versichert werden, dass Gebote keinen rückwirkenden Effekt haben. Wenn zum Beispiel jemand vor diesem Verbot seine Stiefmutter geheiratet hatte, wurden nicht etwa sämtliche Nachkommen aus dieser Verbindung automatisch dadurch zu unehelichen Kindern erklärt und so um ihren Erbanteil gebracht. (Mauduudi)

Vergeben wird demjenigen, der dies vor der Verkündung dieses Verbots tat, aber auch (im Fall eines Übertritts in späterer Zeit) vor dem Übertritt zum Islam. (Asad)

Vergleiche auch oben, Suura 4:19. (Juusuf 'Allii)

 

Abschnitt 4

23. Verboten sind euch (zur Heirat) eure Mütter, eure Töchter, eure Schwestern,52 die Schwestern eures Vaters, die Schwestern eurer Mutter,53 die Töchter (eures) Bruders und die Töchter (eurer) Schwester, eure Nährmütter, die euch gestillt haben, und eure Milchschwestern,54 die Mütter eurer Gattinnen, eure Stieftöchter, die unter eurer Obhut stehen, von euren Frauen, zu denen ihr eingegangen seid; und wenn ihr nicht zu ihnen eingegangen seid, dann ist es kein Vergehen für euch;55 und die Frauen eurer Söhne, die aus euren Lenden hervorgegangen sind56, und zwei Schwestern57 gleich­zeitig zur Ehe,58 außer dem, was bereits geschehen ist. Wahrlich, Allah ist verzeihend, barmherzig.

52. Die hier ausgesprochenen Verbote beschränken sich auf Verwandtschaftliche Beziehungen, Milchverwandtschaft oder Heirat. Alle anderen Einschränkungen, die in andere Gesellschaften bekannt waren, hat der Islam abgeschafft, wie zum Beispiel Einschränkungen, die auf die Verschiedenheiten der menschlichen Rassen zurückzuführen sind, wie Farbe und Nationalität, und auf die Verschiedenheiten der gesellschaftlichen Klassen in ein und derselben Gesellschaft. (Qutb)

Diese Aufstellung der verbotenen Verwandtschaftsgrade stimmt im allgemeinen mit der überein, die bei allen Völkern gilt, bis auf geringfügige Einzelheiten. Sie beginnt im letzten Aja (mit den Witwen oder geschiedenen Frauen des Vaters). Das Schema beruht auf der Annahme, dass die Person, die zu heiraten beabsichtigt, ein Mann ist: wenn es eine Frau ist, gilt mutatis mutandis das gleiche Schema; dann ist zu lesen: "eure Väter, Söhne, Brüder," usw.; oder es kann auch vom Standpunkt des Ehemannes aus gelesen werden, da an einer Ehe immer ein Ehemann beteiligt ist. (Juusuf 'Allii)

53. "Mutter" schließt Großmutter (väterlicher- oder mütterlicherseits), Urgroßmutter usw. ein; " Tochter" schließt Enkeltochter (von Sohn oder Tochter), Urenkeltochter usw. ein; "Schwester" bezieht sich auf Voll Schwester und Halbschwester. "Vaters Schwester" schließt auch die Schwester des Großvaters usw. und "Mutters Schwester" schließt Schwester der Großmutter usw. mit ein. (Juusuf 'Allii)

54. Milchverwandtschaft spielt im islamischen Gesetz eine wichtige Rolle und zählt wie Blutsverwandtschaft: aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass nicht nur Ammen und Milchschwestern, sondern auch die Schwestern der Amme usw. alle zu den verbotenen Verwandtschaftsgraden zu zählen sind. (Juusuf 'Allii)

55. Allgemein (aber nicht einstimmig) wird die Ansicht vertreten, dass "unter eurer Obhut" eine Beschreibung ist, nicht eine Bedingung. Darum gehört eine nicht "unter eurer Obhut" befindliche Stieftochter noch zu den verbotenen Verwandtschaftsgraden, wenn die andere Bedingung (bezüglich ihrer Mutter) erfüllt ist. (Juusuf 'Allii)

56. Söhne schließt Enkel ein, aber nicht Adoptivsöhne oder Personen, die wie solche behandelt werden.(Juusuf 'Allii)

57. Das Verbot, zwei Schwestern gleichzeitig zu heiraten, bezieht sich auch auf Tante und Nichte gleichzeitig, aber nicht auf die Schwester einer verstorbenen Ehefrau. (Juusuf 'Allii)

58. Vergleich auch Aja 22 und Anmerkung. Sobald jedoch ein mit zwei Schwestern verheirateter Mann den Islam annimmt, soll er sich von einer der beiden trennen. (Mauduudi)